Groß und erhaben ist es, den Menschen im Kampfe mit der Natur zu sehen, wenn er gewaltig sich stemmt gegen die Wuth der entfesselten Elemente und vertrauend der Kraft seines Geistes, nach seinem Willen die rohen Kräfte der Natur zügelt. Aber noch erhabner ist es, den Menschen zu sehen im Kampfe mit seinem Schicksale, wenn er es wagt einzugreifen in den Gang der Weltgeschichte, wenn er an die Erreichung seines Zwecks sein Höchstes, sein Alles setzt. Wer nur einen Zweck und kein Ziel bei der Verfolgung des- selben sich vorgesteckt, gibt den Wiederstand nie auf, er siegt oder -- stirbt. Solche Männer waren es, welche, wenn die ganze Welt feige ihren Nacken dem mächtig über sie hin- rollenden Zeitrade beugte, kühn in die Speichen desselben griffen, und es entweder in seinem Umschwunge mit ge- waltiger Hand zurückschnellten oder von seinem Gewichte zermalmt einen rühmlichen Tod fanden, d. h. sich mit dem Reste des Lebens Unsterblichkeit erkauften. Solche Männer, die unter den Millionen, welche auch aus dem Schooß der Erde steigen, ewig am Staube kleben und wie
* Büchners Rede bei seinem Abgang vom Darmstädter Gym- nasium (Herbst 1831.) Erster Abdruck nach dem Orginal-Manuscript. F.
II. Cato Uticensis.*
Groß und erhaben iſt es, den Menſchen im Kampfe mit der Natur zu ſehen, wenn er gewaltig ſich ſtemmt gegen die Wuth der entfeſſelten Elemente und vertrauend der Kraft ſeines Geiſtes, nach ſeinem Willen die rohen Kräfte der Natur zügelt. Aber noch erhabner iſt es, den Menſchen zu ſehen im Kampfe mit ſeinem Schickſale, wenn er es wagt einzugreifen in den Gang der Weltgeſchichte, wenn er an die Erreichung ſeines Zwecks ſein Höchſtes, ſein Alles ſetzt. Wer nur einen Zweck und kein Ziel bei der Verfolgung des- ſelben ſich vorgeſteckt, gibt den Wiederſtand nie auf, er ſiegt oder — ſtirbt. Solche Männer waren es, welche, wenn die ganze Welt feige ihren Nacken dem mächtig über ſie hin- rollenden Zeitrade beugte, kühn in die Speichen deſſelben griffen, und es entweder in ſeinem Umſchwunge mit ge- waltiger Hand zurückſchnellten oder von ſeinem Gewichte zermalmt einen rühmlichen Tod fanden, d. h. ſich mit dem Reſte des Lebens Unſterblichkeit erkauften. Solche Männer, die unter den Millionen, welche auch aus dem Schooß der Erde ſteigen, ewig am Staube kleben und wie
* Büchners Rede bei ſeinem Abgang vom Darmſtädter Gym- naſium (Herbſt 1831.) Erſter Abdruck nach dem Orginal-Manuſcript. F.
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II. Cato Uticensis. *
Groß und erhaben iſt es, den Menſchen im Kampfe
mit der Natur zu ſehen, wenn er gewaltig ſich ſtemmt gegen
die Wuth der entfeſſelten Elemente und vertrauend der Kraft
ſeines Geiſtes, nach ſeinem Willen die rohen Kräfte der
Natur zügelt. Aber noch erhabner iſt es, den Menſchen zu
ſehen im Kampfe mit ſeinem Schickſale, wenn er es wagt
einzugreifen in den Gang der Weltgeſchichte, wenn er an die
Erreichung ſeines Zwecks ſein Höchſtes, ſein Alles ſetzt. Wer
nur einen Zweck und kein Ziel bei der Verfolgung des-
ſelben ſich vorgeſteckt, gibt den Wiederſtand nie auf, er ſiegt
oder — ſtirbt. Solche Männer waren es, welche, wenn die
ganze Welt feige ihren Nacken dem mächtig über ſie hin-
rollenden Zeitrade beugte, kühn in die Speichen deſſelben
griffen, und es entweder in ſeinem Umſchwunge mit ge-
waltiger Hand zurückſchnellten oder von ſeinem Gewichte
zermalmt einen rühmlichen Tod fanden, d. h. ſich mit dem
Reſte des Lebens Unſterblichkeit erkauften. Solche
Männer, die unter den Millionen, welche auch aus dem
Schooß der Erde ſteigen, ewig am Staube kleben und wie
* Büchners Rede bei ſeinem Abgang vom Darmſtädter Gym-
naſium (Herbſt 1831.) Erſter Abdruck nach dem Orginal-Manuſcript.
F.
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. [398]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/594>, abgerufen am 22.11.2024.
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