müssen. Hier gab es nur einen Ausweg, er war der Selbstmord. Er war die Apologie des Cato, war die furchtbarste Anklage des Cäsar. Cato hätte nichts Größeres für sein Vaterland thun können, denn diese That, dieses Beispiel hätte alle Lebensgeister der entschlafenen Roma wecken müssen. Daß sie ihren Zweck verfehlte, daran ist nur Rom, nicht Cato schuld.
Dasselbe läßt sich auch auf den Einwurf erwidern, Cato hätte sich seiner Familie erhalten müssen. Kato war der Mann nicht, der sich im engen Kreise des Familienlebens hätte bewegen können. Auch sehe ich nicht ein, warum er es hätte thun sollen; seinen Freunden nützte sein Tod mehr, als sein Leben; seine Porcia hatte einen Brutus ge- funden, sein Sohn war erzogen; der Schluß dieser Erziehung war der Selbstmord des Vaters, er war die letzte große Ehre für den Sohn. Daß derselbe sie verstand, lehrte die Schlacht bei Philippi.
Das Resultat dieser Untersuchung liegt in Ludens Worten: "Wer fragen kann, ob Cato durch seine Tugend nicht Rom mehr geschadet habe, als ge- nützt, der hat weder Roms Art erkannt, noch Catos Seele, noch den Sinn des menschlichen Lebens."
Nimmt man nun alle diese angeführten Gründe und Umstände zusammen, so wird man leicht einsehen, daß Cato seinem Charakter und seinen Grundsätzen gemäß so handeln konnte und mußte und daß jede andere Handlungsart seinem ganzen Leben wiedersprochen haben würde. --
Obgleich hierdurch nun Cato nicht allein entschuldigt, sondern auch gerechtfertigt wird, so hat man doch noch einen
müſſen. Hier gab es nur einen Ausweg, er war der Selbſtmord. Er war die Apologie des Cato, war die furchtbarſte Anklage des Cäſar. Cato hätte nichts Größeres für ſein Vaterland thun können, denn dieſe That, dieſes Beiſpiel hätte alle Lebensgeiſter der entſchlafenen Roma wecken müſſen. Daß ſie ihren Zweck verfehlte, daran iſt nur Rom, nicht Cato ſchuld.
Daſſelbe läßt ſich auch auf den Einwurf erwidern, Cato hätte ſich ſeiner Familie erhalten müſſen. Kato war der Mann nicht, der ſich im engen Kreiſe des Familienlebens hätte bewegen können. Auch ſehe ich nicht ein, warum er es hätte thun ſollen; ſeinen Freunden nützte ſein Tod mehr, als ſein Leben; ſeine Porcia hatte einen Brutus ge- funden, ſein Sohn war erzogen; der Schluß dieſer Erziehung war der Selbſtmord des Vaters, er war die letzte große Ehre für den Sohn. Daß derſelbe ſie verſtand, lehrte die Schlacht bei Philippi.
Das Reſultat dieſer Unterſuchung liegt in Ludens Worten: "Wer fragen kann, ob Cato durch ſeine Tugend nicht Rom mehr geſchadet habe, als ge- nützt, der hat weder Roms Art erkannt, noch Catos Seele, noch den Sinn des menſchlichen Lebens."
Nimmt man nun alle dieſe angeführten Gründe und Umſtände zuſammen, ſo wird man leicht einſehen, daß Cato ſeinem Charakter und ſeinen Grundſätzen gemäß ſo handeln konnte und mußte und daß jede andere Handlungsart ſeinem ganzen Leben wiederſprochen haben würde. —
Obgleich hierdurch nun Cato nicht allein entſchuldigt, ſondern auch gerechtfertigt wird, ſo hat man doch noch einen
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müſſen. Hier gab es nur einen Ausweg, er war der
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für ſein Vaterland thun können, denn dieſe That, dieſes
Beiſpiel hätte alle Lebensgeiſter der entſchlafenen Roma
wecken müſſen. Daß ſie ihren Zweck verfehlte, daran iſt nur
Rom, nicht Cato ſchuld.
Daſſelbe läßt ſich auch auf den Einwurf erwidern,
Cato hätte ſich ſeiner Familie erhalten müſſen. Kato war
der Mann nicht, der ſich im engen Kreiſe des Familienlebens
hätte bewegen können. Auch ſehe ich nicht ein, warum er es
hätte thun ſollen; ſeinen Freunden nützte ſein Tod mehr,
als ſein Leben; ſeine Porcia hatte einen Brutus ge-
funden, ſein Sohn war erzogen; der Schluß dieſer Erziehung
war der Selbſtmord des Vaters, er war die letzte große
Ehre für den Sohn. Daß derſelbe ſie verſtand, lehrte die
Schlacht bei Philippi.
Das Reſultat dieſer Unterſuchung liegt in Ludens
Worten: "Wer fragen kann, ob Cato durch ſeine
Tugend nicht Rom mehr geſchadet habe, als ge-
nützt, der hat weder Roms Art erkannt, noch
Catos Seele, noch den Sinn des menſchlichen
Lebens."
Nimmt man nun alle dieſe angeführten Gründe und
Umſtände zuſammen, ſo wird man leicht einſehen, daß Cato
ſeinem Charakter und ſeinen Grundſätzen gemäß ſo handeln
konnte und mußte und daß jede andere Handlungsart
ſeinem ganzen Leben wiederſprochen haben würde. —
Obgleich hierdurch nun Cato nicht allein entſchuldigt,
ſondern auch gerechtfertigt wird, ſo hat man doch noch einen
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/602>, abgerufen am 22.11.2024.
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