gegenstellen können, als eine handvoll undisciplinirter Liberaler. Soll jemals die Revolution auf eine durchgreifende Art aus- geführt werden, so kann und darf das bloß durch die große Masse des Volkes geschehen, durch deren Ueberzahl und Ge- wicht die Soldaten gleichsam erdrückt werden müssen. Es handelt sich also darum, diese große Masse zu gewinnen, was vor der Hand nur durch Flugschriften geschehen kann.
Die früheren Flugschriften, welche zu diesem Zweck etwa erschienen sind, entsprachen demselben nicht; es war darin die Rede vom Wiener Congreß, Preßfreiheit, Bundestags- ordonnanzen u. dgl., lauter Dinge, um welche sich die Bauern (denn an diese, meinte Büchner, müsse man sich vorzüglich wenden) nicht kümmern, so lange sie noch mit ihrer materiellen Noth beschäftigt sind; denn diese Leute haben aus sehr nahe liegenden Ursachen durchaus keinen Sinn für die Ehre und Freiheit ihrer Nation, keinen Begriff von den Rechten des Menschen u. s. w., sie sind gegen all' das gleichgültig und in dieser Gleichgültigkeit allein beruht ihre angebliche Treue gegen die Fürsten und ihre Theilnahmlosigkeit an dem libe- ralen Treiben der Zeit. Gleichwohl scheinen sie unzufrieden zu sein, und sie haben Ursache dazu, weil man den dürftigen Gewinn, welchen sie aus ihrer saueren Arbeit ziehen, und der ihnen zur Verbesserung ihrer Lage so nothwendig wäre, als Steuer von ihnen in Anspruch nimmt. So ist es ge- kommen, daß man bei aller parteiischen Vorliebe für sie doch sagen muß, daß sie eine ziemlich niederträchtige Gesinnung angenommen haben; und daß sie, es ist traurig genug, fast an keiner Seite mehr zugänglich sind, als gerade am Geld- sack. Dies muß man benutzen, wenn man sie aus ihrer Erniedrigung hervorziehen will; man muß ihnen zeigen und
gegenſtellen können, als eine handvoll undiſciplinirter Liberaler. Soll jemals die Revolution auf eine durchgreifende Art aus- geführt werden, ſo kann und darf das bloß durch die große Maſſe des Volkes geſchehen, durch deren Ueberzahl und Ge- wicht die Soldaten gleichſam erdrückt werden müſſen. Es handelt ſich alſo darum, dieſe große Maſſe zu gewinnen, was vor der Hand nur durch Flugſchriften geſchehen kann.
Die früheren Flugſchriften, welche zu dieſem Zweck etwa erſchienen ſind, entſprachen demſelben nicht; es war darin die Rede vom Wiener Congreß, Preßfreiheit, Bundestags- ordonnanzen u. dgl., lauter Dinge, um welche ſich die Bauern (denn an dieſe, meinte Büchner, müſſe man ſich vorzüglich wenden) nicht kümmern, ſo lange ſie noch mit ihrer materiellen Noth beſchäftigt ſind; denn dieſe Leute haben aus ſehr nahe liegenden Urſachen durchaus keinen Sinn für die Ehre und Freiheit ihrer Nation, keinen Begriff von den Rechten des Menſchen u. ſ. w., ſie ſind gegen all' das gleichgültig und in dieſer Gleichgültigkeit allein beruht ihre angebliche Treue gegen die Fürſten und ihre Theilnahmloſigkeit an dem libe- ralen Treiben der Zeit. Gleichwohl ſcheinen ſie unzufrieden zu ſein, und ſie haben Urſache dazu, weil man den dürftigen Gewinn, welchen ſie aus ihrer ſaueren Arbeit ziehen, und der ihnen zur Verbeſſerung ihrer Lage ſo nothwendig wäre, als Steuer von ihnen in Anſpruch nimmt. So iſt es ge- kommen, daß man bei aller parteiiſchen Vorliebe für ſie doch ſagen muß, daß ſie eine ziemlich niederträchtige Geſinnung angenommen haben; und daß ſie, es iſt traurig genug, faſt an keiner Seite mehr zugänglich ſind, als gerade am Geld- ſack. Dies muß man benutzen, wenn man ſie aus ihrer Erniedrigung hervorziehen will; man muß ihnen zeigen und
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gegenſtellen können, als eine handvoll undiſciplinirter Liberaler.
Soll jemals die Revolution auf eine durchgreifende Art aus-
geführt werden, ſo kann und darf das bloß durch die große
Maſſe des Volkes geſchehen, durch deren Ueberzahl und Ge-
wicht die Soldaten gleichſam erdrückt werden müſſen. Es
handelt ſich alſo darum, dieſe große Maſſe zu gewinnen, was
vor der Hand nur durch Flugſchriften geſchehen kann.
Die früheren Flugſchriften, welche zu dieſem Zweck etwa
erſchienen ſind, entſprachen demſelben nicht; es war darin
die Rede vom Wiener Congreß, Preßfreiheit, Bundestags-
ordonnanzen u. dgl., lauter Dinge, um welche ſich die Bauern
(denn an dieſe, meinte Büchner, müſſe man ſich vorzüglich
wenden) nicht kümmern, ſo lange ſie noch mit ihrer materiellen
Noth beſchäftigt ſind; denn dieſe Leute haben aus ſehr nahe
liegenden Urſachen durchaus keinen Sinn für die Ehre und
Freiheit ihrer Nation, keinen Begriff von den Rechten des
Menſchen u. ſ. w., ſie ſind gegen all' das gleichgültig und
in dieſer Gleichgültigkeit allein beruht ihre angebliche Treue
gegen die Fürſten und ihre Theilnahmloſigkeit an dem libe-
ralen Treiben der Zeit. Gleichwohl ſcheinen ſie unzufrieden
zu ſein, und ſie haben Urſache dazu, weil man den dürftigen
Gewinn, welchen ſie aus ihrer ſaueren Arbeit ziehen, und
der ihnen zur Verbeſſerung ihrer Lage ſo nothwendig wäre,
als Steuer von ihnen in Anſpruch nimmt. So iſt es ge-
kommen, daß man bei aller parteiiſchen Vorliebe für ſie doch
ſagen muß, daß ſie eine ziemlich niederträchtige Geſinnung
angenommen haben; und daß ſie, es iſt traurig genug, faſt
an keiner Seite mehr zugänglich ſind, als gerade am Geld-
ſack. Dies muß man benutzen, wenn man ſie aus ihrer
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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/606>, abgerufen am 23.11.2024.
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