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Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

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Theilnahme, die von so vielen der ausgezeichnetsten Bewohner
dieser Stadt seinem Andenken am Tage der Beerdigung be-
zeigt wurde.

Keiner seiner Freunde hatte diesen Tag noch vor wenigen
Wochen nahe geglaubt. Außer einigen leichten Unpäßlich-
keiten war Büchner während seines Aufenthalts in Zürich
stets gesund geblieben. Sein Aeußeres schien mit seinem
Inneren in Harmonie zu stehen, und die breit gewölbte
Stirne schien noch lange seinem umfassenden Geiste eine sichere
Stätte zu sein. Doch mochte er selbst ein Vorgefühl seines
frühen Endes haben. Wenigstens vergleicht er in einem
hinterlassenen Tagebuche den Zustand seiner Seele mit einem
Herbstabende, und schließt seine Bemerkung mit den Worten:
"Ich fühle keinen Eckel, keinen Ueberdruß; aber ich bin müde,
sehr müde. Der Herr schenke mir Ruhe!"

Am 2. Februar mußte er sich zu Bette legen, das er
von jetzt an nur für wenige Augenblicke verließ. Trotz der
Sorgfalt der Aerzte und der Pflege seiner Freunde machte
die Krankheit unaufhaltbare Fortschritte und bildete sich bald
zum heftigen Nervenfieber aus. Am 12. Tage fingen die
Delirien an. Der Gegenstand seiner Phantasieen waren seine
Braut, seine Eltern und Geschwister, deren er mit der
rührendsten Anhänglichkeit gedachte, und das Schicksal seiner
politischen Jugendgenossen, die seit Jahren in den Kerkern
seiner Heimath schmachten. Wie vor seiner Krankheit, so
sprach er auch jetzt in bitteren aber wahren Worten, die im
Munde eines Sterbenden ein doppeltes Gewicht haben, über
jene Schmach unserer Tage sich aus, über die verwerfliche
Behandlung der politischen Schlachtopfer, die nach gesetzlichen
Formen und mit dem Anschein der Milde in Jahre langer

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Theilnahme, die von ſo vielen der ausgezeichnetſten Bewohner
dieſer Stadt ſeinem Andenken am Tage der Beerdigung be-
zeigt wurde.

Keiner ſeiner Freunde hatte dieſen Tag noch vor wenigen
Wochen nahe geglaubt. Außer einigen leichten Unpäßlich-
keiten war Büchner während ſeines Aufenthalts in Zürich
ſtets geſund geblieben. Sein Aeußeres ſchien mit ſeinem
Inneren in Harmonie zu ſtehen, und die breit gewölbte
Stirne ſchien noch lange ſeinem umfaſſenden Geiſte eine ſichere
Stätte zu ſein. Doch mochte er ſelbſt ein Vorgefühl ſeines
frühen Endes haben. Wenigſtens vergleicht er in einem
hinterlaſſenen Tagebuche den Zuſtand ſeiner Seele mit einem
Herbſtabende, und ſchließt ſeine Bemerkung mit den Worten:
"Ich fühle keinen Eckel, keinen Ueberdruß; aber ich bin müde,
ſehr müde. Der Herr ſchenke mir Ruhe!"

Am 2. Februar mußte er ſich zu Bette legen, das er
von jetzt an nur für wenige Augenblicke verließ. Trotz der
Sorgfalt der Aerzte und der Pflege ſeiner Freunde machte
die Krankheit unaufhaltbare Fortſchritte und bildete ſich bald
zum heftigen Nervenfieber aus. Am 12. Tage fingen die
Delirien an. Der Gegenſtand ſeiner Phantaſieen waren ſeine
Braut, ſeine Eltern und Geſchwiſter, deren er mit der
rührendſten Anhänglichkeit gedachte, und das Schickſal ſeiner
politiſchen Jugendgenoſſen, die ſeit Jahren in den Kerkern
ſeiner Heimath ſchmachten. Wie vor ſeiner Krankheit, ſo
ſprach er auch jetzt in bitteren aber wahren Worten, die im
Munde eines Sterbenden ein doppeltes Gewicht haben, über
jene Schmach unſerer Tage ſich aus, über die verwerfliche
Behandlung der politiſchen Schlachtopfer, die nach geſetzlichen
Formen und mit dem Anſchein der Milde in Jahre langer

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[435/0631] Theilnahme, die von ſo vielen der ausgezeichnetſten Bewohner dieſer Stadt ſeinem Andenken am Tage der Beerdigung be- zeigt wurde. Keiner ſeiner Freunde hatte dieſen Tag noch vor wenigen Wochen nahe geglaubt. Außer einigen leichten Unpäßlich- keiten war Büchner während ſeines Aufenthalts in Zürich ſtets geſund geblieben. Sein Aeußeres ſchien mit ſeinem Inneren in Harmonie zu ſtehen, und die breit gewölbte Stirne ſchien noch lange ſeinem umfaſſenden Geiſte eine ſichere Stätte zu ſein. Doch mochte er ſelbſt ein Vorgefühl ſeines frühen Endes haben. Wenigſtens vergleicht er in einem hinterlaſſenen Tagebuche den Zuſtand ſeiner Seele mit einem Herbſtabende, und ſchließt ſeine Bemerkung mit den Worten: "Ich fühle keinen Eckel, keinen Ueberdruß; aber ich bin müde, ſehr müde. Der Herr ſchenke mir Ruhe!" Am 2. Februar mußte er ſich zu Bette legen, das er von jetzt an nur für wenige Augenblicke verließ. Trotz der Sorgfalt der Aerzte und der Pflege ſeiner Freunde machte die Krankheit unaufhaltbare Fortſchritte und bildete ſich bald zum heftigen Nervenfieber aus. Am 12. Tage fingen die Delirien an. Der Gegenſtand ſeiner Phantaſieen waren ſeine Braut, ſeine Eltern und Geſchwiſter, deren er mit der rührendſten Anhänglichkeit gedachte, und das Schickſal ſeiner politiſchen Jugendgenoſſen, die ſeit Jahren in den Kerkern ſeiner Heimath ſchmachten. Wie vor ſeiner Krankheit, ſo ſprach er auch jetzt in bitteren aber wahren Worten, die im Munde eines Sterbenden ein doppeltes Gewicht haben, über jene Schmach unſerer Tage ſich aus, über die verwerfliche Behandlung der politiſchen Schlachtopfer, die nach geſetzlichen Formen und mit dem Anſchein der Milde in Jahre langer 28 *

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Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/631>, abgerufen am 25.11.2024.