Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

und entgegen seiner eigenen, mehr zur Nachdenklichkeit und
zu idealem Schaffen neigenden Geistesrichtung, das Studium
der Medizin zu ergreifen. Es geschah dieses gerade zu einer
Zeit, während welcher die neuere, durch Chemie und Mikroscop
gestützte und durch Liebig und Bischoff vertretene Richtung
der Naturwissenschaften und der Medizin die ältere natur-
philosophische Schule unter Wilbrand, Ritgen u. s. w. zu
verdrängen begann. Neben den medizinischen setzte jedoch
Büchner seine philosophischen und ästhetischen Studien fort.
Als Student betheiligte er sich lebhaft an den damals in
der deutschen Studentenschaft auftauchenden Reformations-
bestrebungen
. Nachdem er auch in Straßburg ein halbes
Jahr lang medizinische Vorlesungen in französischer Sprache
gehört hatte, bestand er im Frühjahr 1848 sein Fakultäts-
Examen in Gießen "magna cum laude". Der Sommer
dieses stürmischen Jahres theilte sich für ihn zwischen der
Abfassung seiner Inaugural-Abhandlung: "Beiträge zur
Hall'schen Lehre von einem excitomorischen Nervensystem"
(Gießen 1848) und der Theilnahme an den politischen Be-
wegungen der damaligen Zeit.

Im Herbst 1848 kehrte er nach Druck seiner Abhand-
lung und Bestehung seiner Disputation als Doktor in seine
Vaterstadt zurück. Hier setzte er im Verein mit seinen
jüngeren Studien- und Gesinnungsgenossen seine politischen
Bestrebungen auf einem allerdings sehr unsicheren Boden
fort, bis die Niederschlagung des Aufstandes in Baden aller
politischen Agitation ein Ende machte und eine nun folgende
schwere Zeit für alle Diejenigen, welche sich politisch eifrig
gezeigt hatten, begann. Den Nachtheilen, welche seine Freunde
und Gesinnungsgenossen betrafen, entging Büchner einiger-

und entgegen ſeiner eigenen, mehr zur Nachdenklichkeit und
zu idealem Schaffen neigenden Geiſtesrichtung, das Studium
der Medizin zu ergreifen. Es geſchah dieſes gerade zu einer
Zeit, während welcher die neuere, durch Chemie und Mikroscop
geſtützte und durch Liebig und Biſchoff vertretene Richtung
der Naturwiſſenſchaften und der Medizin die ältere natur-
philoſophiſche Schule unter Wilbrand, Ritgen u. ſ. w. zu
verdrängen begann. Neben den mediziniſchen ſetzte jedoch
Büchner ſeine philoſophiſchen und äſthetiſchen Studien fort.
Als Student betheiligte er ſich lebhaft an den damals in
der deutſchen Studentenſchaft auftauchenden Reformations-
beſtrebungen
. Nachdem er auch in Straßburg ein halbes
Jahr lang mediziniſche Vorleſungen in franzöſiſcher Sprache
gehört hatte, beſtand er im Frühjahr 1848 ſein Fakultäts-
Examen in Gießen "magna cum laude". Der Sommer
dieſes ſtürmiſchen Jahres theilte ſich für ihn zwiſchen der
Abfaſſung ſeiner Inaugural-Abhandlung: "Beiträge zur
Hall'ſchen Lehre von einem excitomoriſchen Nervenſyſtem"
(Gießen 1848) und der Theilnahme an den politiſchen Be-
wegungen der damaligen Zeit.

Im Herbſt 1848 kehrte er nach Druck ſeiner Abhand-
lung und Beſtehung ſeiner Disputation als Doktor in ſeine
Vaterſtadt zurück. Hier ſetzte er im Verein mit ſeinen
jüngeren Studien- und Geſinnungsgenoſſen ſeine politiſchen
Beſtrebungen auf einem allerdings ſehr unſicheren Boden
fort, bis die Niederſchlagung des Aufſtandes in Baden aller
politiſchen Agitation ein Ende machte und eine nun folgende
ſchwere Zeit für alle Diejenigen, welche ſich politiſch eifrig
gezeigt hatten, begann. Den Nachtheilen, welche ſeine Freunde
und Geſinnungsgenoſſen betrafen, entging Büchner einiger-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0658" n="462"/>
und entgegen &#x017F;einer eigenen, mehr zur Nachdenklichkeit und<lb/>
zu idealem Schaffen neigenden Gei&#x017F;tesrichtung, das Studium<lb/>
der Medizin zu ergreifen. Es ge&#x017F;chah die&#x017F;es gerade zu einer<lb/>
Zeit, während welcher die neuere, durch Chemie und Mikroscop<lb/>
ge&#x017F;tützte und durch Liebig und Bi&#x017F;choff vertretene Richtung<lb/>
der Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften und der Medizin die ältere natur-<lb/>
philo&#x017F;ophi&#x017F;che Schule unter Wilbrand, Ritgen u. &#x017F;. w. zu<lb/>
verdrängen begann. Neben den medizini&#x017F;chen &#x017F;etzte jedoch<lb/>
Büchner &#x017F;eine philo&#x017F;ophi&#x017F;chen und ä&#x017F;theti&#x017F;chen Studien fort.<lb/>
Als Student betheiligte er &#x017F;ich lebhaft an den damals in<lb/>
der deut&#x017F;chen Studenten&#x017F;chaft auftauchenden <choice><sic>Reformatiens-<lb/>
be&#x017F;trebungen</sic><corr>Reformations-<lb/>
be&#x017F;trebungen</corr></choice>. Nachdem er auch in Straßburg ein halbes<lb/>
Jahr lang medizini&#x017F;che Vorle&#x017F;ungen in franzö&#x017F;i&#x017F;cher Sprache<lb/>
gehört hatte, be&#x017F;tand er im Frühjahr 1848 &#x017F;ein Fakultäts-<lb/>
Examen in Gießen <hi rendition="#aq">"magna cum laude".</hi> Der Sommer<lb/>
die&#x017F;es &#x017F;türmi&#x017F;chen Jahres theilte &#x017F;ich für ihn zwi&#x017F;chen der<lb/>
Abfa&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;einer Inaugural-Abhandlung: "Beiträge zur<lb/>
Hall'&#x017F;chen Lehre von einem excitomori&#x017F;chen Nerven&#x017F;y&#x017F;tem"<lb/>
(Gießen 1848) und der Theilnahme an den politi&#x017F;chen Be-<lb/>
wegungen der damaligen Zeit.</p><lb/>
          <p>Im Herb&#x017F;t 1848 kehrte er nach Druck &#x017F;einer Abhand-<lb/>
lung und Be&#x017F;tehung &#x017F;einer Disputation als Doktor in &#x017F;eine<lb/>
Vater&#x017F;tadt zurück. Hier &#x017F;etzte er im Verein mit &#x017F;einen<lb/>
jüngeren Studien- und Ge&#x017F;innungsgeno&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eine politi&#x017F;chen<lb/>
Be&#x017F;trebungen auf einem allerdings &#x017F;ehr un&#x017F;icheren Boden<lb/>
fort, bis die Nieder&#x017F;chlagung des Auf&#x017F;tandes in Baden aller<lb/>
politi&#x017F;chen Agitation ein Ende machte und eine nun folgende<lb/>
&#x017F;chwere Zeit für alle Diejenigen, welche &#x017F;ich politi&#x017F;ch eifrig<lb/>
gezeigt hatten, begann. Den Nachtheilen, welche &#x017F;eine Freunde<lb/>
und Ge&#x017F;innungsgeno&#x017F;&#x017F;en betrafen, entging Büchner einiger-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[462/0658] und entgegen ſeiner eigenen, mehr zur Nachdenklichkeit und zu idealem Schaffen neigenden Geiſtesrichtung, das Studium der Medizin zu ergreifen. Es geſchah dieſes gerade zu einer Zeit, während welcher die neuere, durch Chemie und Mikroscop geſtützte und durch Liebig und Biſchoff vertretene Richtung der Naturwiſſenſchaften und der Medizin die ältere natur- philoſophiſche Schule unter Wilbrand, Ritgen u. ſ. w. zu verdrängen begann. Neben den mediziniſchen ſetzte jedoch Büchner ſeine philoſophiſchen und äſthetiſchen Studien fort. Als Student betheiligte er ſich lebhaft an den damals in der deutſchen Studentenſchaft auftauchenden Reformations- beſtrebungen. Nachdem er auch in Straßburg ein halbes Jahr lang mediziniſche Vorleſungen in franzöſiſcher Sprache gehört hatte, beſtand er im Frühjahr 1848 ſein Fakultäts- Examen in Gießen "magna cum laude". Der Sommer dieſes ſtürmiſchen Jahres theilte ſich für ihn zwiſchen der Abfaſſung ſeiner Inaugural-Abhandlung: "Beiträge zur Hall'ſchen Lehre von einem excitomoriſchen Nervenſyſtem" (Gießen 1848) und der Theilnahme an den politiſchen Be- wegungen der damaligen Zeit. Im Herbſt 1848 kehrte er nach Druck ſeiner Abhand- lung und Beſtehung ſeiner Disputation als Doktor in ſeine Vaterſtadt zurück. Hier ſetzte er im Verein mit ſeinen jüngeren Studien- und Geſinnungsgenoſſen ſeine politiſchen Beſtrebungen auf einem allerdings ſehr unſicheren Boden fort, bis die Niederſchlagung des Aufſtandes in Baden aller politiſchen Agitation ein Ende machte und eine nun folgende ſchwere Zeit für alle Diejenigen, welche ſich politiſch eifrig gezeigt hatten, begann. Den Nachtheilen, welche ſeine Freunde und Geſinnungsgenoſſen betrafen, entging Büchner einiger-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/658
Zitationshilfe: Büchner, Georg: Sämmtliche Werke und handschriftlicher Nachlaß. Frankfurt (Main), 1879, S. 462. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buechner_werke_1879/658>, abgerufen am 24.11.2024.