Auch mir verlieh, durch Schere, Zwirn und Nadel, Minerva Kunst und nicht gemeinen Adel. Allein der Lohn, für meine Treflichkeit, Ist Hungersnot, ein Haderlumpenkleid, Ist obenein der schwachen Seelen Tadel, Und dann einmal, nach Ablauf dürrer Zeit, Des Namens Ruhm und Ewigkeit.
Allein was hilft's, wenn nach dem Tode, Mich Leichenpredigt oder Ode Den grösten aller Schneider nent, Und ein vergüldet Marmormonument, An welchem Schere, Zwirn und Nadel hangen, Und Fingerhut und Bügeleisen prangen, Der späten Nachwelt dies bekent? Wenn lebend mich mein Zeitgenosse Zu Stalle, gleich dem edlen Rosse, Auf Stroh zu schlafen, von sich stöst, Und nackend gehn und hungern läst?
Der
N 4
Auch mir verlieh, durch Schere, Zwirn und Nadel, Minerva Kunſt und nicht gemeinen Adel. Allein der Lohn, fuͤr meine Treflichkeit, Iſt Hungersnot, ein Haderlumpenkleid, Iſt obenein der ſchwachen Seelen Tadel, Und dann einmal, nach Ablauf duͤrrer Zeit, Des Namens Ruhm und Ewigkeit.
Allein was hilft’s, wenn nach dem Tode, Mich Leichenpredigt oder Ode Den groͤſten aller Schneider nent, Und ein verguͤldet Marmormonument, An welchem Schere, Zwirn und Nadel hangen, Und Fingerhut und Buͤgeleiſen prangen, Der ſpaͤten Nachwelt dies bekent? Wenn lebend mich mein Zeitgenoſſe Zu Stalle, gleich dem edlen Roſſe, Auf Stroh zu ſchlafen, von ſich ſtoͤſt, Und nackend gehn und hungern laͤſt?
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Auch mir verlieh, durch Schere, Zwirn und Nadel,
Minerva Kunſt und nicht gemeinen Adel.
Allein der Lohn, fuͤr meine Treflichkeit,
Iſt Hungersnot, ein Haderlumpenkleid,
Iſt obenein der ſchwachen Seelen Tadel,
Und dann einmal, nach Ablauf duͤrrer Zeit,
Des Namens Ruhm und Ewigkeit.
Allein was hilft’s, wenn nach dem Tode,
Mich Leichenpredigt oder Ode
Den groͤſten aller Schneider nent,
Und ein verguͤldet Marmormonument,
An welchem Schere, Zwirn und Nadel hangen,
Und Fingerhut und Buͤgeleiſen prangen,
Der ſpaͤten Nachwelt dies bekent?
Wenn lebend mich mein Zeitgenoſſe
Zu Stalle, gleich dem edlen Roſſe,
Auf Stroh zu ſchlafen, von ſich ſtoͤſt,
Und nackend gehn und hungern laͤſt?
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Bürger, Gottfried August: Gedichte. Göttingen, 1778, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_gedichte_1778/270>, abgerufen am 21.06.2024.
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