Ein Stärkerrecht, daß man sie sorgsam hegt, Dankbar bekleidet und verpflegt, Zu hoch und frei, sich selber zu geniren. Und, wenn der Ueberflus verkehrter Welt Oft Affen, Murmelthier' und Raben, Und Kakadu, und Papagei erhält: So solten sie den Leckerbissen haben, Der von des Reichen Tische fält. Allein wie karg ist die verkehrte Welt, Für ein Genie, mit ihren Gaben!
Wilst du davon ein redend Beispiel sehn, So schau auf mich, grosgünstiger Mäzen, So guck' einmal, nebst deinem theuren Weibe, Auf meinen Rok, durch deines Fensters Scheibe, Und sieh die Luft in hundert Hadern wehn, Und meinen Leib dem Winter offen stehn! Sprich selbst einmal, ist's nicht die gröste Schande, Daß mich, der ich mit seidenem Gewande
So
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Ein Staͤrkerrecht, daß man ſie ſorgſam hegt, Dankbar bekleidet und verpflegt, Zu hoch und frei, ſich ſelber zu geniren. Und, wenn der Ueberflus verkehrter Welt Oft Affen, Murmelthier’ und Raben, Und Kakadu, und Papagei erhaͤlt: So ſolten ſie den Leckerbiſſen haben, Der von des Reichen Tiſche faͤlt. Allein wie karg iſt die verkehrte Welt, Fuͤr ein Genie, mit ihren Gaben!
Wilſt du davon ein redend Beiſpiel ſehn, So ſchau auf mich, grosguͤnſtiger Maͤzen, So guck’ einmal, nebſt deinem theuren Weibe, Auf meinen Rok, durch deines Fenſters Scheibe, Und ſieh die Luft in hundert Hadern wehn, Und meinen Leib dem Winter offen ſtehn! Sprich ſelbſt einmal, iſt’s nicht die groͤſte Schande, Daß mich, der ich mit ſeidenem Gewande
So
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Ein Staͤrkerrecht, daß man ſie ſorgſam hegt,
Dankbar bekleidet und verpflegt,
Zu hoch und frei, ſich ſelber zu geniren.
Und, wenn der Ueberflus verkehrter Welt
Oft Affen, Murmelthier’ und Raben,
Und Kakadu, und Papagei erhaͤlt:
So ſolten ſie den Leckerbiſſen haben,
Der von des Reichen Tiſche faͤlt.
Allein wie karg iſt die verkehrte Welt,
Fuͤr ein Genie, mit ihren Gaben!
Wilſt du davon ein redend Beiſpiel ſehn,
So ſchau auf mich, grosguͤnſtiger Maͤzen,
So guck’ einmal, nebſt deinem theuren Weibe,
Auf meinen Rok, durch deines Fenſters Scheibe,
Und ſieh die Luft in hundert Hadern wehn,
Und meinen Leib dem Winter offen ſtehn!
Sprich ſelbſt einmal, iſt’s nicht die groͤſte Schande,
Daß mich, der ich mit ſeidenem Gewande
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Bürger, Gottfried August: Gedichte. Göttingen, 1778, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_gedichte_1778/272>, abgerufen am 21.06.2024.
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