Und, als sich ihr Leben zum lezten ermant, Erstrekte sie nach dem Gefässe die Hand, Und schlang's in die Arme und hielt es im Schoos, Und dekte, was drinnen verborgen war, blos.
Da rauchte, da pocht' ihr entgegen sein Herz, Als fühlt' es noch Leben, als fühlt' es noch Schmerz. Jezt that sich ihr blutiger Thränenquel auf, Und strömte, wie Regen vom Dache, darauf.
"O Jammer! Nun gleichest du Wasser und Wind: Wol Winde verwehen, wol Wasser verrint: Doch alle verwehn und verrinnen ja nie! -- So du, o blutiger Jammer, auch nie!"
Drauf sank sie, mit holem gebrochnen Blik, In dumpfen Todestaumel zurük, Und drükte noch fest, mit zermalmendem Schmerz, Das Blutgefäs an ihr liebendes Herz.
"Dir
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Und, als ſich ihr Leben zum lezten ermant, Erſtrekte ſie nach dem Gefaͤſſe die Hand, Und ſchlang’s in die Arme und hielt es im Schoos, Und dekte, was drinnen verborgen war, blos.
Da rauchte, da pocht’ ihr entgegen ſein Herz, Als fuͤhlt’ es noch Leben, als fuͤhlt’ es noch Schmerz. Jezt that ſich ihr blutiger Thraͤnenquel auf, Und ſtroͤmte, wie Regen vom Dache, darauf.
„O Jammer! Nun gleicheſt du Waſſer und Wind: Wol Winde verwehen, wol Waſſer verrint: Doch alle verwehn und verrinnen ja nie! — So du, o blutiger Jammer, auch nie!„
Drauf ſank ſie, mit holem gebrochnen Blik, In dumpfen Todestaumel zuruͤk, Und druͤkte noch feſt, mit zermalmendem Schmerz, Das Blutgefaͤs an ihr liebendes Herz.
„Dir
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Und, als ſich ihr Leben zum lezten ermant,
Erſtrekte ſie nach dem Gefaͤſſe die Hand,
Und ſchlang’s in die Arme und hielt es im Schoos,
Und dekte, was drinnen verborgen war, blos.
Da rauchte, da pocht’ ihr entgegen ſein Herz,
Als fuͤhlt’ es noch Leben, als fuͤhlt’ es noch Schmerz.
Jezt that ſich ihr blutiger Thraͤnenquel auf,
Und ſtroͤmte, wie Regen vom Dache, darauf.
„O Jammer! Nun gleicheſt du Waſſer und Wind:
Wol Winde verwehen, wol Waſſer verrint:
Doch alle verwehn und verrinnen ja nie! —
So du, o blutiger Jammer, auch nie!„
Drauf ſank ſie, mit holem gebrochnen Blik,
In dumpfen Todestaumel zuruͤk,
Und druͤkte noch feſt, mit zermalmendem Schmerz,
Das Blutgefaͤs an ihr liebendes Herz.
„Dir
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Bürger, Gottfried August: Gedichte. Göttingen, 1778, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/buerger_gedichte_1778/298>, abgerufen am 16.06.2024.
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