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Bunge, Gustav von: Der Vegetarianismus. Berlin, 1885.

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exsistiren kann, wenn er das Fleisch der Nahrung
durch Milch und Eier ersetzt, ist auch a priori gar
nicht zu bezweifeln; es bedarf zuro Nachweis dessen
keiner Versuche. Wenn aber gelehrt wird, dass der
Mensch bei dieser Ernährungsweise in irgend einer
Hinsicht besser gedeiht, als bei massigem Fieisch-
genusse, so muss ich demgegenüber betonen, dass
bisher für eine solche Lehre auch nicht der Schatten
eines Vernunftgrundes vorgebracht worden ist1).

Grenzen des Individuums hinaus". Wird das normale Wachs-
thum gewaltsäm gehemmt, so muss auch die Nahrungszufuhr
eingeschränkt werden. Eine Abnormität wird durch die an-
dere compensirt. -- Aus diesem Grunde sollten alle Versuche
über den Werth der rein vegetabilischen Nahrung nur an Per-
sonen angestellt werden, deren normales gesundes Wachsthum
in keiner Weise gehindert ist. Hypochondrische Junggesellen,
welche gewöhnlich die meiste Neigung zu solchen Versuchen
zeigen, sind die allerungeeignetsten Versuchsobjecte. (Vergl.
"William Stark's klinische und anatomische Bemerkungen
nebst diätetischen Versuchen.44 Herausg. von J. C. Smyth.
Deutsch von Ch. Fr. Michaelis. Breslau und Hirschberg
1789. S. 139.)
1) Daraus, dass mit der Fleischnahrung Parasiten in un-
seren Körper gelangen, folgt doch nicht -- wie die Vege-
tarianer schliessen -- dass wir das Fleisch vermeiden sollen.
Nach dieser Logik müssten wir auch schliessen, dass das
Fleisch den Katzen und Hunden schädlich sei. Dass die ans
dem Fleische stammenden Parasiten in unserem Darme die
Bedingungen ihrer Exsistcnz finden, spricht doch eher für als
gegen die Annahme, dass die Fleischnahrung lur uns "natur-
gemäss" sei. Ausserdem aber ist ja bekannt, dass auch mit
der Pflanzennahrung Parasiten in unseren Körper gelangen,
und dass der Darm pflanzenfressender Thiere von Parasiten


exsistiren kann, wenn er das Fleisch der Nahrung
durch Milch und Eier ersetzt, ist auch a priori gar
nicht zu bezweifeln; es bedarf zuro Nachweis dessen
keiner Versuche. Wenn aber gelehrt wird, dass der
Mensch bei dieser Ernährungsweise in irgend einer
Hinsicht besser gedeiht, als bei massigem Fieisch-
genusse, so muss ich demgegenüber betonen, dass
bisher für eine solche Lehre auch nicht der Schatten
eines Vernunftgrundes vorgebracht worden ist1).

Grenzen des Individuums hinaus“. Wird das normale Wachs-
thum gewaltsäm gehemmt, so muss auch die Nahrungszufuhr
eingeschränkt werden. Eine Abnormität wird durch die an-
dere compensirt. — Aus diesem Grunde sollten alle Versuche
über den Werth der rein vegetabilischen Nahrung nur an Per-
sonen angestellt werden, deren normales gesundes Wachsthum
in keiner Weise gehindert ist. Hypochondrische Junggesellen,
welche gewöhnlich die meiste Neigung zu solchen Versuchen
zeigen, sind die allerungeeignetsten Versuchsobjecte. (Vergl.
„William Stark’s klinische und anatomische Bemerkungen
nebst diätetischen Versuchen.44 Herausg. von J. C. Smyth.
Deutsch von Ch. Fr. Michaelis. Breslau und Hirschberg
1789. S. 139.)
1) Daraus, dass mit der Fleischnahrung Parasiten in un-
seren Körper gelangen, folgt doch nicht — wie die Vege-
tarianer schliessen — dass wir das Fleisch vermeiden sollen.
Nach dieser Logik müssten wir auch schliessen, dass das
Fleisch den Katzen und Hunden schädlich sei. Dass die ans
dem Fleische stammenden Parasiten in unserem Darme die
Bedingungen ihrer Exsistcnz finden, spricht doch eher für als
gegen die Annahme, dass die Fleischnahrung lur uns „natur-
gemäss“ sei. Ausserdem aber ist ja bekannt, dass auch mit
der Pflanzennahrung Parasiten in unseren Körper gelangen,
und dass der Darm pflanzenfressender Thiere von Parasiten
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[23/0024] exsistiren kann, wenn er das Fleisch der Nahrung durch Milch und Eier ersetzt, ist auch a priori gar nicht zu bezweifeln; es bedarf zuro Nachweis dessen keiner Versuche. Wenn aber gelehrt wird, dass der Mensch bei dieser Ernährungsweise in irgend einer Hinsicht besser gedeiht, als bei massigem Fieisch- genusse, so muss ich demgegenüber betonen, dass bisher für eine solche Lehre auch nicht der Schatten eines Vernunftgrundes vorgebracht worden ist 1). 2) 1) Daraus, dass mit der Fleischnahrung Parasiten in un- seren Körper gelangen, folgt doch nicht — wie die Vege- tarianer schliessen — dass wir das Fleisch vermeiden sollen. Nach dieser Logik müssten wir auch schliessen, dass das Fleisch den Katzen und Hunden schädlich sei. Dass die ans dem Fleische stammenden Parasiten in unserem Darme die Bedingungen ihrer Exsistcnz finden, spricht doch eher für als gegen die Annahme, dass die Fleischnahrung lur uns „natur- gemäss“ sei. Ausserdem aber ist ja bekannt, dass auch mit der Pflanzennahrung Parasiten in unseren Körper gelangen, und dass der Darm pflanzenfressender Thiere von Parasiten 2) Grenzen des Individuums hinaus“. Wird das normale Wachs- thum gewaltsäm gehemmt, so muss auch die Nahrungszufuhr eingeschränkt werden. Eine Abnormität wird durch die an- dere compensirt. — Aus diesem Grunde sollten alle Versuche über den Werth der rein vegetabilischen Nahrung nur an Per- sonen angestellt werden, deren normales gesundes Wachsthum in keiner Weise gehindert ist. Hypochondrische Junggesellen, welche gewöhnlich die meiste Neigung zu solchen Versuchen zeigen, sind die allerungeeignetsten Versuchsobjecte. (Vergl. „William Stark’s klinische und anatomische Bemerkungen nebst diätetischen Versuchen.44 Herausg. von J. C. Smyth. Deutsch von Ch. Fr. Michaelis. Breslau und Hirschberg 1789. S. 139.)

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Zitationshilfe: Bunge, Gustav von: Der Vegetarianismus. Berlin, 1885, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bunge_vegetarianismus_1885/24>, abgerufen am 23.11.2024.