Die Niederländer, Deutschen, Spanier und Franzosen 1), von wel- chen Italien viele und zum Theil bedeutende Werke besitzt, werden im Folgenden wonöthig an der betreffenden Stelle mit genannt werden.
Innerhalb der Malerei zweier Jahrhunderte (1580 bis um 1780) giebt es natürlich sehr grosse Unterschiede der Richtung, um der so unendlich verschiedenen Begabung der Einzelnen nicht zu gedenken. Ehe von dem Gemeinsamen die Rede sein darf, welches die ganze grosse Periode charakterisirt, muss zunächst auf die Unterschiede in Zeichnung, Formenauffassung und Colorit hingedeutet werden.
Die bolognesische Schule begann als Reaction der Gründlichkeit gegenüber vom Manierismus, als Selbsterwerb gegenüber vom einsei- tigen Entlehnen. Ihre Zeichnungsstudien waren sehr bedeutend; bei Annibale Caracci findet man ausserdem ein vielseitiges Interesse für alles Charakteristische, wie er denn eine Anzahl von Genrefiguren in Lebensgrösse gemalt hat. (Pal. Colonna in Rom: der Linsenesser;a Uffizien: der Mann mit dem Affen; eine grosse Reihe von Genrefigurenb in Kupferstichen etc.) Gleichwohl begnügt sich die Schule bald mit einer gewissen Allgemeinheit der Körperbildung und der Gewandun- gen, und zwar ist der Durchschnitt, der sich dabei ergiebt, weder ein ganz schöner noch ein hoher; er ist abstrahirt von Coreggio nur ohne das unerreichbare Lebensgefühl, auch von dem üppig schweren Paolo Veronese, nur ohne dessen Alles versöhnende Farbe. Den umständ- lichsten Beleg gewähren die Fresken der Galerie im Pal. Farnese zuc Rom, von Annibale und seinen Schülern. Bei wie vielen dieser Junonen, Aphroditen, Dianen u. s. w. würde man wünschen, dass sie lebendig würden? Selbst die höchst vortrefflichen sitzenden Aktfiguren sind doch von keiner hohen Bildung. So fruchtbar die Schule an fri-
1)Rubens (1577--1640); Van Dyck (1598--1641); Rembrandt (1606 bis 1665); Honthorst (1592--1662); Elzheimer (1574--1620); von der Fam. Breughel bes. Jan, der sog. Sammetbreughel (1568--1625); Paul Bril (1554--1626); eine grosse Anzahl niederländischer Genremaler fast nur in den Uffizien repräsentirt. -- Velasquez (1599--1660); Murillo (1618 bis 1682). -- Nic. Poussin (1594--1665); Moyse Valentin (1600 bis 1632). Andere bei Gelegenheit zu nennen.
64*
Die Formenbildung im Einzelnen.
Die Niederländer, Deutschen, Spanier und Franzosen 1), von wel- chen Italien viele und zum Theil bedeutende Werke besitzt, werden im Folgenden wonöthig an der betreffenden Stelle mit genannt werden.
Innerhalb der Malerei zweier Jahrhunderte (1580 bis um 1780) giebt es natürlich sehr grosse Unterschiede der Richtung, um der so unendlich verschiedenen Begabung der Einzelnen nicht zu gedenken. Ehe von dem Gemeinsamen die Rede sein darf, welches die ganze grosse Periode charakterisirt, muss zunächst auf die Unterschiede in Zeichnung, Formenauffassung und Colorit hingedeutet werden.
Die bolognesische Schule begann als Reaction der Gründlichkeit gegenüber vom Manierismus, als Selbsterwerb gegenüber vom einsei- tigen Entlehnen. Ihre Zeichnungsstudien waren sehr bedeutend; bei Annibale Caracci findet man ausserdem ein vielseitiges Interesse für alles Charakteristische, wie er denn eine Anzahl von Genrefiguren in Lebensgrösse gemalt hat. (Pal. Colonna in Rom: der Linsenesser;a Uffizien: der Mann mit dem Affen; eine grosse Reihe von Genrefigurenb in Kupferstichen etc.) Gleichwohl begnügt sich die Schule bald mit einer gewissen Allgemeinheit der Körperbildung und der Gewandun- gen, und zwar ist der Durchschnitt, der sich dabei ergiebt, weder ein ganz schöner noch ein hoher; er ist abstrahirt von Coreggio nur ohne das unerreichbare Lebensgefühl, auch von dem üppig schweren Paolo Veronese, nur ohne dessen Alles versöhnende Farbe. Den umständ- lichsten Beleg gewähren die Fresken der Galerie im Pal. Farnese zuc Rom, von Annibale und seinen Schülern. Bei wie vielen dieser Junonen, Aphroditen, Dianen u. s. w. würde man wünschen, dass sie lebendig würden? Selbst die höchst vortrefflichen sitzenden Aktfiguren sind doch von keiner hohen Bildung. So fruchtbar die Schule an fri-
1)Rubens (1577—1640); Van Dyck (1598—1641); Rembrandt (1606 bis 1665); Honthorst (1592—1662); Elzheimer (1574—1620); von der Fam. Breughel bes. Jan, der sog. Sammetbreughel (1568—1625); Paul Bril (1554—1626); eine grosse Anzahl niederländischer Genremaler fast nur in den Uffizien repräsentirt. — Velasquez (1599—1660); Murillo (1618 bis 1682). — Nic. Poussin (1594—1665); Moyse Valentin (1600 bis 1632). Andere bei Gelegenheit zu nennen.
64*
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f1033"n="1011"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Die Formenbildung im Einzelnen.</hi></fw><lb/><p>Die Niederländer, Deutschen, Spanier und Franzosen <noteplace="foot"n="1)"><hirendition="#g">Rubens</hi> (1577—1640); <hirendition="#g">Van Dyck</hi> (1598—1641); <hirendition="#g">Rembrandt</hi> (1606 bis<lb/>
1665); <hirendition="#g">Honthorst</hi> (1592—1662); <hirendition="#g">Elzheimer</hi> (1574—1620); von der<lb/>
Fam. Breughel bes. Jan, der sog. <hirendition="#g">Sammetbreughel</hi> (1568—1625); <hirendition="#g">Paul<lb/>
Bril</hi> (1554—1626); eine grosse Anzahl niederländischer Genremaler fast nur<lb/>
in den Uffizien repräsentirt. —<hirendition="#g">Velasquez</hi> (1599—1660); <hirendition="#g">Murillo</hi> (1618<lb/>
bis 1682). —<hirendition="#g">Nic. Poussin</hi> (1594—1665); <hirendition="#g">Moyse Valentin</hi> (1600 bis<lb/>
1632). Andere bei Gelegenheit zu nennen.</note>, von wel-<lb/>
chen Italien viele und zum Theil bedeutende Werke besitzt, werden<lb/>
im Folgenden wonöthig an der betreffenden Stelle mit genannt werden.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Innerhalb der Malerei zweier Jahrhunderte (1580 bis um 1780)<lb/>
giebt es natürlich sehr grosse Unterschiede der Richtung, um der so<lb/>
unendlich verschiedenen Begabung der Einzelnen nicht zu gedenken.<lb/>
Ehe von dem Gemeinsamen die Rede sein darf, welches die ganze<lb/>
grosse Periode charakterisirt, muss zunächst auf die Unterschiede in<lb/><hirendition="#g">Zeichnung,</hi> Formenauffassung und <hirendition="#g">Colorit</hi> hingedeutet werden.</p><lb/><p>Die bolognesische Schule begann als Reaction der Gründlichkeit<lb/>
gegenüber vom Manierismus, als Selbsterwerb gegenüber vom einsei-<lb/>
tigen Entlehnen. Ihre Zeichnungsstudien waren sehr bedeutend; bei<lb/>
Annibale Caracci findet man ausserdem ein vielseitiges Interesse für<lb/>
alles Charakteristische, wie er denn eine Anzahl von Genrefiguren in<lb/>
Lebensgrösse gemalt hat. (Pal. Colonna in Rom: der Linsenesser;<noteplace="right">a</note><lb/>
Uffizien: der Mann mit dem Affen; eine grosse Reihe von Genrefiguren<noteplace="right">b</note><lb/>
in Kupferstichen etc.) Gleichwohl begnügt sich die Schule bald mit<lb/>
einer gewissen Allgemeinheit der Körperbildung und der Gewandun-<lb/>
gen, und zwar ist der Durchschnitt, der sich dabei ergiebt, weder ein<lb/>
ganz schöner noch ein hoher; er ist abstrahirt von Coreggio nur ohne<lb/>
das unerreichbare Lebensgefühl, auch von dem üppig schweren Paolo<lb/>
Veronese, nur ohne dessen Alles versöhnende Farbe. Den umständ-<lb/>
lichsten Beleg gewähren die Fresken der Galerie im Pal. Farnese zu<noteplace="right">c</note><lb/>
Rom, von <hirendition="#g">Annibale</hi> und seinen Schülern. Bei wie vielen dieser<lb/>
Junonen, Aphroditen, Dianen u. s. w. würde man wünschen, dass sie<lb/>
lebendig würden? Selbst die höchst vortrefflichen sitzenden Aktfiguren<lb/>
sind doch von keiner hohen Bildung. So fruchtbar die Schule an fri-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">64*</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[1011/1033]
Die Formenbildung im Einzelnen.
Die Niederländer, Deutschen, Spanier und Franzosen 1), von wel-
chen Italien viele und zum Theil bedeutende Werke besitzt, werden
im Folgenden wonöthig an der betreffenden Stelle mit genannt werden.
Innerhalb der Malerei zweier Jahrhunderte (1580 bis um 1780)
giebt es natürlich sehr grosse Unterschiede der Richtung, um der so
unendlich verschiedenen Begabung der Einzelnen nicht zu gedenken.
Ehe von dem Gemeinsamen die Rede sein darf, welches die ganze
grosse Periode charakterisirt, muss zunächst auf die Unterschiede in
Zeichnung, Formenauffassung und Colorit hingedeutet werden.
Die bolognesische Schule begann als Reaction der Gründlichkeit
gegenüber vom Manierismus, als Selbsterwerb gegenüber vom einsei-
tigen Entlehnen. Ihre Zeichnungsstudien waren sehr bedeutend; bei
Annibale Caracci findet man ausserdem ein vielseitiges Interesse für
alles Charakteristische, wie er denn eine Anzahl von Genrefiguren in
Lebensgrösse gemalt hat. (Pal. Colonna in Rom: der Linsenesser;
Uffizien: der Mann mit dem Affen; eine grosse Reihe von Genrefiguren
in Kupferstichen etc.) Gleichwohl begnügt sich die Schule bald mit
einer gewissen Allgemeinheit der Körperbildung und der Gewandun-
gen, und zwar ist der Durchschnitt, der sich dabei ergiebt, weder ein
ganz schöner noch ein hoher; er ist abstrahirt von Coreggio nur ohne
das unerreichbare Lebensgefühl, auch von dem üppig schweren Paolo
Veronese, nur ohne dessen Alles versöhnende Farbe. Den umständ-
lichsten Beleg gewähren die Fresken der Galerie im Pal. Farnese zu
Rom, von Annibale und seinen Schülern. Bei wie vielen dieser
Junonen, Aphroditen, Dianen u. s. w. würde man wünschen, dass sie
lebendig würden? Selbst die höchst vortrefflichen sitzenden Aktfiguren
sind doch von keiner hohen Bildung. So fruchtbar die Schule an fri-
a
b
c
1) Rubens (1577—1640); Van Dyck (1598—1641); Rembrandt (1606 bis
1665); Honthorst (1592—1662); Elzheimer (1574—1620); von der
Fam. Breughel bes. Jan, der sog. Sammetbreughel (1568—1625); Paul
Bril (1554—1626); eine grosse Anzahl niederländischer Genremaler fast nur
in den Uffizien repräsentirt. — Velasquez (1599—1660); Murillo (1618
bis 1682). — Nic. Poussin (1594—1665); Moyse Valentin (1600 bis
1632). Andere bei Gelegenheit zu nennen.
64*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 1011. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/1033>, abgerufen am 05.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.