etwa aussen im Kleinen den Chorbau von S. Giovanni e Paolo, nur mit bloss je einer Capelle zu beiden Seiten des Chores. Die einzige schöne Fassade findet sich an S. Maria dell' Orto; -- einfach gut in Back-a stein: diejenige von S. Stefano. Die Liebhaberei für rundtheilige undb wunderlich ausgeschwungene Mauerabschlüsse, welche sogar den er- habenen einfachen Giebel der Frari nachträglich nicht verschonte, hat an S. Apollinare, S. Giovanni in Bragora und anderwärts ihr Genügec gefunden. -- Im Carmine (1348) sind vom alten Bau nur noch die 24d Säulen und die Chorabschlüsse kenntlich. -- S. Giacomo dall' Orio,e wunderlich durcheinander gebaut.
Die Decken bestanden wohl ehemals durchgängig aus jenen eigen- thümlich und nicht unschön construirten Holzgewölben, deren eines (erneuert) noch in S. Stefano vorhanden ist. (Vorige Seite, c.)f
Die gothischen Kirchen des alten Herzogthums Mailand, zum Theil von grossem decorativem Reichthum, stehen den toscani- schen und manchen der ebengenannten in all dem, was die Seele der Architektur ausmacht, beträchtlich nach. Man fühlt, dass die grossen Fragen über Raum, Verhältnisse und Gliederung nicht hier entschie- den werden, wo man sich noch mit der alten lombardischen Unform der in ganzer Breite emporsteigenden Fassaden begnügt und auch im Innern die Schiffe kaum in der Höhe unterscheidet, wo der Säulen- bündel in gedankenloser Weise beibehalten oder mit besonders schwe- ren Rundsäulen vertauscht wird, wo endlich das Detail schon des wechselnden Stoffes wegen beständig im Ausdruck schwankt. Neben dem Stein kommt nämlich in Oberitalien der Backstein, oft in sehr reicher Form und schönen, geschickten Motiven, zur häufigen Anwen- dung; -- der Architekt wird eine Menge vortrefflicher Einzelideen darin ausgedrückt finden, -- aber der Steinbau wurde darob an seinen eige- nen Formen irre.
Vom Dom zu Mailand, welcher theils Ergebniss, theils Vor- bild dieser Bauentwickelung ist, war oben schon die Rede.
Der Dom von Monza, im XIV. Jahrhundert so wie er jetzt ist,g von Marco di Campione neu erbaut, fünfschiffig, wiederholt in seiner Marmorfassade lauter Ziermotive, welche eigentlich dem Backsteinbau
Herzogthum Mailand.
etwa aussen im Kleinen den Chorbau von S. Giovanni e Paolo, nur mit bloss je einer Capelle zu beiden Seiten des Chores. Die einzige schöne Fassade findet sich an S. Maria dell’ Orto; — einfach gut in Back-a stein: diejenige von S. Stefano. Die Liebhaberei für rundtheilige undb wunderlich ausgeschwungene Mauerabschlüsse, welche sogar den er- habenen einfachen Giebel der Frari nachträglich nicht verschonte, hat an S. Apollinare, S. Giovanni in Bragora und anderwärts ihr Genügec gefunden. — Im Carmine (1348) sind vom alten Bau nur noch die 24d Säulen und die Chorabschlüsse kenntlich. — S. Giacomo dall’ Orio,e wunderlich durcheinander gebaut.
Die Decken bestanden wohl ehemals durchgängig aus jenen eigen- thümlich und nicht unschön construirten Holzgewölben, deren eines (erneuert) noch in S. Stefano vorhanden ist. (Vorige Seite, c.)f
Die gothischen Kirchen des alten Herzogthums Mailand, zum Theil von grossem decorativem Reichthum, stehen den toscani- schen und manchen der ebengenannten in all dem, was die Seele der Architektur ausmacht, beträchtlich nach. Man fühlt, dass die grossen Fragen über Raum, Verhältnisse und Gliederung nicht hier entschie- den werden, wo man sich noch mit der alten lombardischen Unform der in ganzer Breite emporsteigenden Fassaden begnügt und auch im Innern die Schiffe kaum in der Höhe unterscheidet, wo der Säulen- bündel in gedankenloser Weise beibehalten oder mit besonders schwe- ren Rundsäulen vertauscht wird, wo endlich das Detail schon des wechselnden Stoffes wegen beständig im Ausdruck schwankt. Neben dem Stein kommt nämlich in Oberitalien der Backstein, oft in sehr reicher Form und schönen, geschickten Motiven, zur häufigen Anwen- dung; — der Architekt wird eine Menge vortrefflicher Einzelideen darin ausgedrückt finden, — aber der Steinbau wurde darob an seinen eige- nen Formen irre.
Vom Dom zu Mailand, welcher theils Ergebniss, theils Vor- bild dieser Bauentwickelung ist, war oben schon die Rede.
Der Dom von Monza, im XIV. Jahrhundert so wie er jetzt ist,g von Marco di Campione neu erbaut, fünfschiffig, wiederholt in seiner Marmorfassade lauter Ziermotive, welche eigentlich dem Backsteinbau
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0173"n="151"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Herzogthum Mailand.</hi></fw><lb/>
etwa aussen im Kleinen den Chorbau von S. Giovanni e Paolo, nur<lb/>
mit bloss je einer Capelle zu beiden Seiten des Chores. Die einzige<lb/>
schöne Fassade findet sich an S. Maria dell’ Orto; — einfach gut in Back-<noteplace="right">a</note><lb/>
stein: diejenige von S. Stefano. Die Liebhaberei für rundtheilige und<noteplace="right">b</note><lb/>
wunderlich ausgeschwungene Mauerabschlüsse, welche sogar den er-<lb/>
habenen einfachen Giebel der Frari nachträglich nicht verschonte, hat<lb/>
an S. Apollinare, S. Giovanni in Bragora und anderwärts ihr Genüge<noteplace="right">c</note><lb/>
gefunden. — Im Carmine (1348) sind vom alten Bau nur noch die 24<noteplace="right">d</note><lb/>
Säulen und die Chorabschlüsse kenntlich. — S. Giacomo dall’ Orio,<noteplace="right">e</note><lb/>
wunderlich durcheinander gebaut.</p><lb/><p>Die Decken bestanden wohl ehemals durchgängig aus jenen eigen-<lb/>
thümlich und nicht unschön construirten Holzgewölben, deren eines<lb/>
(erneuert) noch in S. Stefano vorhanden ist. (Vorige Seite, c.)<noteplace="right">f</note></p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Die gothischen Kirchen des alten <hirendition="#g">Herzogthums Mailand</hi>,<lb/>
zum Theil von grossem decorativem Reichthum, stehen den toscani-<lb/>
schen und manchen der ebengenannten in all dem, was die Seele der<lb/>
Architektur ausmacht, beträchtlich nach. Man fühlt, dass die grossen<lb/>
Fragen über Raum, Verhältnisse und Gliederung nicht hier entschie-<lb/>
den werden, wo man sich noch mit der alten lombardischen Unform<lb/>
der in ganzer Breite emporsteigenden Fassaden begnügt und auch im<lb/>
Innern die Schiffe kaum in der Höhe unterscheidet, wo der Säulen-<lb/>
bündel in gedankenloser Weise beibehalten oder mit besonders schwe-<lb/>
ren Rundsäulen vertauscht wird, wo endlich das Detail schon des<lb/>
wechselnden Stoffes wegen beständig im Ausdruck schwankt. Neben<lb/>
dem Stein kommt nämlich in Oberitalien der Backstein, oft in sehr<lb/>
reicher Form und schönen, geschickten Motiven, zur häufigen Anwen-<lb/>
dung; — der Architekt wird eine Menge vortrefflicher Einzelideen darin<lb/>
ausgedrückt finden, — aber der Steinbau wurde darob an seinen eige-<lb/>
nen Formen irre.</p><lb/><p>Vom <hirendition="#g">Dom</hi> zu <hirendition="#g">Mailand</hi>, welcher theils Ergebniss, theils Vor-<lb/>
bild dieser Bauentwickelung ist, war oben schon die Rede.</p><lb/><p>Der <hirendition="#g">Dom</hi> von <hirendition="#g">Monza</hi>, im XIV. Jahrhundert so wie er jetzt ist,<noteplace="right">g</note><lb/>
von Marco di Campione neu erbaut, fünfschiffig, wiederholt in seiner<lb/>
Marmorfassade lauter Ziermotive, welche eigentlich dem Backsteinbau<lb/></p></div></body></text></TEI>
[151/0173]
Herzogthum Mailand.
etwa aussen im Kleinen den Chorbau von S. Giovanni e Paolo, nur
mit bloss je einer Capelle zu beiden Seiten des Chores. Die einzige
schöne Fassade findet sich an S. Maria dell’ Orto; — einfach gut in Back-
stein: diejenige von S. Stefano. Die Liebhaberei für rundtheilige und
wunderlich ausgeschwungene Mauerabschlüsse, welche sogar den er-
habenen einfachen Giebel der Frari nachträglich nicht verschonte, hat
an S. Apollinare, S. Giovanni in Bragora und anderwärts ihr Genüge
gefunden. — Im Carmine (1348) sind vom alten Bau nur noch die 24
Säulen und die Chorabschlüsse kenntlich. — S. Giacomo dall’ Orio,
wunderlich durcheinander gebaut.
a
b
c
d
e
Die Decken bestanden wohl ehemals durchgängig aus jenen eigen-
thümlich und nicht unschön construirten Holzgewölben, deren eines
(erneuert) noch in S. Stefano vorhanden ist. (Vorige Seite, c.)
f
Die gothischen Kirchen des alten Herzogthums Mailand,
zum Theil von grossem decorativem Reichthum, stehen den toscani-
schen und manchen der ebengenannten in all dem, was die Seele der
Architektur ausmacht, beträchtlich nach. Man fühlt, dass die grossen
Fragen über Raum, Verhältnisse und Gliederung nicht hier entschie-
den werden, wo man sich noch mit der alten lombardischen Unform
der in ganzer Breite emporsteigenden Fassaden begnügt und auch im
Innern die Schiffe kaum in der Höhe unterscheidet, wo der Säulen-
bündel in gedankenloser Weise beibehalten oder mit besonders schwe-
ren Rundsäulen vertauscht wird, wo endlich das Detail schon des
wechselnden Stoffes wegen beständig im Ausdruck schwankt. Neben
dem Stein kommt nämlich in Oberitalien der Backstein, oft in sehr
reicher Form und schönen, geschickten Motiven, zur häufigen Anwen-
dung; — der Architekt wird eine Menge vortrefflicher Einzelideen darin
ausgedrückt finden, — aber der Steinbau wurde darob an seinen eige-
nen Formen irre.
Vom Dom zu Mailand, welcher theils Ergebniss, theils Vor-
bild dieser Bauentwickelung ist, war oben schon die Rede.
Der Dom von Monza, im XIV. Jahrhundert so wie er jetzt ist,
von Marco di Campione neu erbaut, fünfschiffig, wiederholt in seiner
Marmorfassade lauter Ziermotive, welche eigentlich dem Backsteinbau
g
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/173>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.