Zeit übrig haben, dürfen eher Fiesole selbst als dieses Gebäude über- gehen.) Es ist ein unregelmässig schönes, dem Bergabhang folgendes Aggregat von Einzelbauten; ein reizender oblonger Hof, die untere Halle gewölbt, die obere (unvermauert) flach gedeckt; gegen Süden hinaus nach dem Garten eine Halle, deren oberes Stockwerk besonders schöne Consolen über den Säulen hat; die übrigen Räume unten sämmtlich gewölbt mit Wandcapitälen oder Consolen; -- nur einfach entwickelt und ohne die Verfeinerung der letzten Zeiten des XV. Jahr- hunderts aber rein und schön erscheint das Decorative, wie z. B. die Kanzel im Refectorium und der Brunnen in dessen Vorsaal; -- die Aussenmauern durchgängig glatt und nur mit den nothwendigsten Gliederungen versehen. -- Die Kirche, an deren Fassade ein Stücka des ältern Baues im Styl von S. Miniato beibehalten ist, bildet ein einschiffiges Kreuz mit Tonnengewölben, über der Kreuzung selbst mit einem Kuppelsegment; Alles ist mit absichtlichster Einfachheit behandelt; die Nebencapellen öffnen sich als besondere Räume mit besondern Pforten gegen das Langschiff; das Äussere ist glatt mit wenigen Wandstreifen und sparsamen Consolen; die ganze Kirche einzig schön in ihrer Art. (Vgl. S. 86, c. 110, c.)
Endlich entwarf und begann Brunellesco den Palazzo Pittib (fortgeführt von L. Fancelli, der Hof von Ammanato, die Vorbauten aus neuer Zeit; das Innere durchgängig später eingetheilt als die Fassade). Vor allen Profangebäuden der Erde, auch viel grössern, hat dieser Palast den höchsten bis jetzt erreichten Eindruck des Er- habenen voraus. Seine Lage auf einem ansteigenden Erdreich und seine wirklich grossen Dimensionen begünstigen diese Wirkung, im wesentlichen aber beruht sie auf dem Verhältniss der mit weniger Abwechselung sich wiederholenden Formen zu diesen Dimensionen. Man frägt sich, wer denn der weltverachtende Gewaltmensch sei, der mit solchen Mitteln versehen, allem bloss Hübschen und Gefälligen so aus dem Wege gehen mochte? -- Die einzige grosse Abwechselung, nämlich die Beschränkung des obersten Stockwerkes auf die Mitte, wirkt allein schon colossal und giebt das Gefühl, als hätten beim Vertheilen dieser Massen übermenschliche Wesen die Rechnung ge- führt. (Man vergleiche z. B. die beträchtlich grössere Fassade desc Palastes von Caserta zwischen Capua und Neapel, von Vanvitelli.)
B. Cicerone. 12
Badia von Fiesole. Pal. Pitti.
Zeit übrig haben, dürfen eher Fiesole selbst als dieses Gebäude über- gehen.) Es ist ein unregelmässig schönes, dem Bergabhang folgendes Aggregat von Einzelbauten; ein reizender oblonger Hof, die untere Halle gewölbt, die obere (unvermauert) flach gedeckt; gegen Süden hinaus nach dem Garten eine Halle, deren oberes Stockwerk besonders schöne Consolen über den Säulen hat; die übrigen Räume unten sämmtlich gewölbt mit Wandcapitälen oder Consolen; — nur einfach entwickelt und ohne die Verfeinerung der letzten Zeiten des XV. Jahr- hunderts aber rein und schön erscheint das Decorative, wie z. B. die Kanzel im Refectorium und der Brunnen in dessen Vorsaal; — die Aussenmauern durchgängig glatt und nur mit den nothwendigsten Gliederungen versehen. — Die Kirche, an deren Fassade ein Stücka des ältern Baues im Styl von S. Miniato beibehalten ist, bildet ein einschiffiges Kreuz mit Tonnengewölben, über der Kreuzung selbst mit einem Kuppelsegment; Alles ist mit absichtlichster Einfachheit behandelt; die Nebencapellen öffnen sich als besondere Räume mit besondern Pforten gegen das Langschiff; das Äussere ist glatt mit wenigen Wandstreifen und sparsamen Consolen; die ganze Kirche einzig schön in ihrer Art. (Vgl. S. 86, c. 110, c.)
Endlich entwarf und begann Brunellesco den Palazzo Pittib (fortgeführt von L. Fancelli, der Hof von Ammanato, die Vorbauten aus neuer Zeit; das Innere durchgängig später eingetheilt als die Fassade). Vor allen Profangebäuden der Erde, auch viel grössern, hat dieser Palast den höchsten bis jetzt erreichten Eindruck des Er- habenen voraus. Seine Lage auf einem ansteigenden Erdreich und seine wirklich grossen Dimensionen begünstigen diese Wirkung, im wesentlichen aber beruht sie auf dem Verhältniss der mit weniger Abwechselung sich wiederholenden Formen zu diesen Dimensionen. Man frägt sich, wer denn der weltverachtende Gewaltmensch sei, der mit solchen Mitteln versehen, allem bloss Hübschen und Gefälligen so aus dem Wege gehen mochte? — Die einzige grosse Abwechselung, nämlich die Beschränkung des obersten Stockwerkes auf die Mitte, wirkt allein schon colossal und giebt das Gefühl, als hätten beim Vertheilen dieser Massen übermenschliche Wesen die Rechnung ge- führt. (Man vergleiche z. B. die beträchtlich grössere Fassade desc Palastes von Caserta zwischen Capua und Neapel, von Vanvitelli.)
B. Cicerone. 12
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0199"n="177"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Badia von Fiesole. Pal. Pitti.</hi></fw><lb/>
Zeit übrig haben, dürfen eher Fiesole selbst als dieses Gebäude über-<lb/>
gehen.) Es ist ein unregelmässig schönes, dem Bergabhang folgendes<lb/>
Aggregat von Einzelbauten; ein reizender oblonger Hof, die untere<lb/>
Halle gewölbt, die obere (unvermauert) flach gedeckt; gegen Süden<lb/>
hinaus nach dem Garten eine Halle, deren oberes Stockwerk besonders<lb/>
schöne Consolen über den Säulen hat; die übrigen Räume unten<lb/>
sämmtlich gewölbt mit Wandcapitälen oder Consolen; — nur einfach<lb/>
entwickelt und ohne die Verfeinerung der letzten Zeiten des XV. Jahr-<lb/>
hunderts aber rein und schön erscheint das Decorative, wie z. B. die<lb/>
Kanzel im Refectorium und der Brunnen in dessen Vorsaal; — die<lb/>
Aussenmauern durchgängig glatt und nur mit den nothwendigsten<lb/>
Gliederungen versehen. — Die Kirche, an deren Fassade ein Stück<noteplace="right">a</note><lb/>
des ältern Baues im Styl von S. Miniato beibehalten ist, bildet ein<lb/>
einschiffiges Kreuz mit Tonnengewölben, über der Kreuzung selbst<lb/>
mit einem Kuppelsegment; Alles ist mit absichtlichster Einfachheit<lb/>
behandelt; die Nebencapellen öffnen sich als besondere Räume mit<lb/>
besondern Pforten gegen das Langschiff; das Äussere ist glatt mit<lb/>
wenigen Wandstreifen und sparsamen Consolen; die ganze Kirche<lb/>
einzig schön in ihrer Art. (Vgl. S. 86, c. 110, c.)</p><lb/><p>Endlich entwarf und begann Brunellesco den <hirendition="#g">Palazzo Pitti</hi><noteplace="right">b</note><lb/>
(fortgeführt von L. Fancelli, der Hof von Ammanato, die Vorbauten<lb/>
aus neuer Zeit; das Innere durchgängig später eingetheilt als die<lb/>
Fassade). Vor allen Profangebäuden der Erde, auch viel grössern,<lb/>
hat dieser Palast den höchsten bis jetzt erreichten Eindruck des Er-<lb/>
habenen voraus. Seine Lage auf einem ansteigenden Erdreich und<lb/>
seine wirklich grossen Dimensionen begünstigen diese Wirkung, im<lb/>
wesentlichen aber beruht sie auf dem Verhältniss der mit weniger<lb/>
Abwechselung sich wiederholenden Formen zu diesen Dimensionen.<lb/>
Man frägt sich, wer denn der weltverachtende Gewaltmensch sei, der<lb/>
mit solchen Mitteln versehen, allem bloss Hübschen und Gefälligen<lb/>
so aus dem Wege gehen mochte? — Die einzige grosse Abwechselung,<lb/>
nämlich die Beschränkung des obersten Stockwerkes auf die Mitte,<lb/>
wirkt allein schon colossal und giebt das Gefühl, als hätten beim<lb/>
Vertheilen dieser Massen übermenschliche Wesen die Rechnung ge-<lb/>
führt. (Man vergleiche z. B. die beträchtlich grössere Fassade des<noteplace="right">c</note><lb/>
Palastes von Caserta zwischen Capua und Neapel, von Vanvitelli.)</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#i">B. Cicerone.</hi> 12</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[177/0199]
Badia von Fiesole. Pal. Pitti.
Zeit übrig haben, dürfen eher Fiesole selbst als dieses Gebäude über-
gehen.) Es ist ein unregelmässig schönes, dem Bergabhang folgendes
Aggregat von Einzelbauten; ein reizender oblonger Hof, die untere
Halle gewölbt, die obere (unvermauert) flach gedeckt; gegen Süden
hinaus nach dem Garten eine Halle, deren oberes Stockwerk besonders
schöne Consolen über den Säulen hat; die übrigen Räume unten
sämmtlich gewölbt mit Wandcapitälen oder Consolen; — nur einfach
entwickelt und ohne die Verfeinerung der letzten Zeiten des XV. Jahr-
hunderts aber rein und schön erscheint das Decorative, wie z. B. die
Kanzel im Refectorium und der Brunnen in dessen Vorsaal; — die
Aussenmauern durchgängig glatt und nur mit den nothwendigsten
Gliederungen versehen. — Die Kirche, an deren Fassade ein Stück
des ältern Baues im Styl von S. Miniato beibehalten ist, bildet ein
einschiffiges Kreuz mit Tonnengewölben, über der Kreuzung selbst
mit einem Kuppelsegment; Alles ist mit absichtlichster Einfachheit
behandelt; die Nebencapellen öffnen sich als besondere Räume mit
besondern Pforten gegen das Langschiff; das Äussere ist glatt mit
wenigen Wandstreifen und sparsamen Consolen; die ganze Kirche
einzig schön in ihrer Art. (Vgl. S. 86, c. 110, c.)
a
Endlich entwarf und begann Brunellesco den Palazzo Pitti
(fortgeführt von L. Fancelli, der Hof von Ammanato, die Vorbauten
aus neuer Zeit; das Innere durchgängig später eingetheilt als die
Fassade). Vor allen Profangebäuden der Erde, auch viel grössern,
hat dieser Palast den höchsten bis jetzt erreichten Eindruck des Er-
habenen voraus. Seine Lage auf einem ansteigenden Erdreich und
seine wirklich grossen Dimensionen begünstigen diese Wirkung, im
wesentlichen aber beruht sie auf dem Verhältniss der mit weniger
Abwechselung sich wiederholenden Formen zu diesen Dimensionen.
Man frägt sich, wer denn der weltverachtende Gewaltmensch sei, der
mit solchen Mitteln versehen, allem bloss Hübschen und Gefälligen
so aus dem Wege gehen mochte? — Die einzige grosse Abwechselung,
nämlich die Beschränkung des obersten Stockwerkes auf die Mitte,
wirkt allein schon colossal und giebt das Gefühl, als hätten beim
Vertheilen dieser Massen übermenschliche Wesen die Rechnung ge-
führt. (Man vergleiche z. B. die beträchtlich grössere Fassade des
Palastes von Caserta zwischen Capua und Neapel, von Vanvitelli.)
b
c
B. Cicerone. 12
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/199>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.