Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite
Lucca. Arezzo. Perugia. Narni.

In Lucca ist der Palazzo pretorio ein schönes derbes Ge-a
bäude -- unten mit einer Säulenhalle, welche sich an den geschlos-
senen Theilen als Pilasterreihe mit Bogen fortsetzt. Wenn die obern
Fenster nicht unzweckmässig verzierte Einfassungen hätten, so wäre
man versucht, den Palast dem Cecco di Giorgio zuzuschreiben.


Noch eine kleine Nachlese auf den Strassen über Perugia und
über Siena nach Rom.

An das gothische Carmeliterkirchlein S. Maria bei Arezzo (vorb
Porta Romana eine Viertelstunde links) ist eine grosse Vorhalle im
florentinischen Styl angebaut, welche zum ganz Malerischen in dieser
Art gehört; sieben Bogen vorn, zwei auf jeder Seite und zwei rechts
und links an die Fassade anschliessend; das Kranzgesimse allerdings
etwas willkürlich gebildet mit einem vorspringenden steinernen Dach-
rand von lauter Rosetten; die Bogenfüllungen mit gemalten Verzie-
rungen ausgefüllt. (Laut Vasari von Benedetto da Majano.)

In Cortona einige sehr mässige Fassaden. Wichtiger scheint
das nahe Montepulciano durch die genannten Bauten. In Monte
Fiascone und in dem zierlichen Viterbo, sowie auch in Orvieto habe
ich bei flüchtigem Besuche keine bedeutendern Renaissancebauten be-
merkt1). Das oben genannte Pienza muss den Beschreibungen nach
all die eben genannten Städte in dieser Beziehung übertreffen.

In Perugia ist die Fassade der Confraternita von S. Bernar-c
dino (bei S. Francesco) als vorherrschend figurirtes Werk hier nur
vorläufig zu nennen. Von sehr schöner Frührenaissance (angeblich
von Agostino della Robbia und Polidoro di Stefano): Die stattliched
Porta S. Pietro. (Das Hauptgesimse fehlt.)

Am Dom von Narni, jener wunderlichen Basilica mit Flach-e
bögen, ist ein artiger Porticus vom Jahr 1497 angebracht. Viel präch-
tiger ist die Vorhalle am Dom von Spoleto: fünf Bogen auf Pfeilern,f
die mit schlanken Säulen bekleidet sind, an beiden Enden noch be-
sondere Kanzeln zum Vorzeigen von Reliquien und zur Predigt; Ge-

1) Die Kirche della Quercia in Viterbo soll nach der Zeichnung Bramante's er-*
baut sein.
Lucca. Arezzo. Perugia. Narni.

In Lucca ist der Palazzo pretorio ein schönes derbes Ge-a
bäude — unten mit einer Säulenhalle, welche sich an den geschlos-
senen Theilen als Pilasterreihe mit Bogen fortsetzt. Wenn die obern
Fenster nicht unzweckmässig verzierte Einfassungen hätten, so wäre
man versucht, den Palast dem Cecco di Giorgio zuzuschreiben.


Noch eine kleine Nachlese auf den Strassen über Perugia und
über Siena nach Rom.

An das gothische Carmeliterkirchlein S. Maria bei Arezzo (vorb
Porta Romana eine Viertelstunde links) ist eine grosse Vorhalle im
florentinischen Styl angebaut, welche zum ganz Malerischen in dieser
Art gehört; sieben Bogen vorn, zwei auf jeder Seite und zwei rechts
und links an die Fassade anschliessend; das Kranzgesimse allerdings
etwas willkürlich gebildet mit einem vorspringenden steinernen Dach-
rand von lauter Rosetten; die Bogenfüllungen mit gemalten Verzie-
rungen ausgefüllt. (Laut Vasari von Benedetto da Majano.)

In Cortona einige sehr mässige Fassaden. Wichtiger scheint
das nahe Montepulciano durch die genannten Bauten. In Monte
Fiascone und in dem zierlichen Viterbo, sowie auch in Orvieto habe
ich bei flüchtigem Besuche keine bedeutendern Renaissancebauten be-
merkt1). Das oben genannte Pienza muss den Beschreibungen nach
all die eben genannten Städte in dieser Beziehung übertreffen.

In Perugia ist die Fassade der Confraternita von S. Bernar-c
dino (bei S. Francesco) als vorherrschend figurirtes Werk hier nur
vorläufig zu nennen. Von sehr schöner Frührenaissance (angeblich
von Agostino della Robbia und Polidoro di Stefano): Die stattliched
Porta S. Pietro. (Das Hauptgesimse fehlt.)

Am Dom von Narni, jener wunderlichen Basilica mit Flach-e
bögen, ist ein artiger Porticus vom Jahr 1497 angebracht. Viel präch-
tiger ist die Vorhalle am Dom von Spoleto: fünf Bogen auf Pfeilern,f
die mit schlanken Säulen bekleidet sind, an beiden Enden noch be-
sondere Kanzeln zum Vorzeigen von Reliquien und zur Predigt; Ge-

1) Die Kirche della Quercia in Viterbo soll nach der Zeichnung Bramante’s er-*
baut sein.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0213" n="191"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Lucca. Arezzo. Perugia. Narni.</hi> </fw><lb/>
        <p>In <hi rendition="#g">Lucca</hi> ist der <hi rendition="#g">Palazzo pretorio</hi> ein schönes derbes Ge-<note place="right">a</note><lb/>
bäude &#x2014; unten mit einer Säulenhalle, welche sich an den geschlos-<lb/>
senen Theilen als Pilasterreihe mit Bogen fortsetzt. Wenn die obern<lb/>
Fenster nicht unzweckmässig verzierte Einfassungen hätten, so wäre<lb/>
man versucht, den Palast dem Cecco di Giorgio zuzuschreiben.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Noch eine kleine Nachlese auf den Strassen über Perugia und<lb/>
über Siena nach Rom.</p><lb/>
        <p>An das gothische Carmeliterkirchlein S. <hi rendition="#g">Maria</hi> bei <hi rendition="#g">Arezzo</hi> (vor<note place="right">b</note><lb/>
Porta Romana eine Viertelstunde links) ist eine grosse Vorhalle im<lb/>
florentinischen Styl angebaut, welche zum ganz Malerischen in dieser<lb/>
Art gehört; sieben Bogen vorn, zwei auf jeder Seite und zwei rechts<lb/>
und links an die Fassade anschliessend; das Kranzgesimse allerdings<lb/>
etwas willkürlich gebildet mit einem vorspringenden steinernen Dach-<lb/>
rand von lauter Rosetten; die Bogenfüllungen mit gemalten Verzie-<lb/>
rungen ausgefüllt. (Laut Vasari von <hi rendition="#g">Benedetto da Majano</hi>.)</p><lb/>
        <p>In <hi rendition="#g">Cortona</hi> einige sehr mässige Fassaden. Wichtiger scheint<lb/>
das nahe <hi rendition="#g">Montepulciano</hi> durch die genannten Bauten. In Monte<lb/>
Fiascone und in dem zierlichen Viterbo, sowie auch in Orvieto habe<lb/>
ich bei flüchtigem Besuche keine bedeutendern Renaissancebauten be-<lb/>
merkt<note place="foot" n="1)">Die Kirche della Quercia in Viterbo soll nach der Zeichnung Bramante&#x2019;s er-<note place="right">*</note><lb/>
baut sein.</note>. Das oben genannte <hi rendition="#g">Pienza</hi> muss den Beschreibungen nach<lb/>
all die eben genannten Städte in dieser Beziehung übertreffen.</p><lb/>
        <p>In <hi rendition="#g">Perugia</hi> ist die Fassade der Confraternita von S. <hi rendition="#g">Bernar-</hi><note place="right">c</note><lb/><hi rendition="#g">dino</hi> (bei S. Francesco) als vorherrschend figurirtes Werk hier nur<lb/>
vorläufig zu nennen. Von sehr schöner Frührenaissance (angeblich<lb/>
von Agostino della Robbia und Polidoro di Stefano): Die stattliche<note place="right">d</note><lb/><hi rendition="#g">Porta S. Pietro</hi>. (Das Hauptgesimse fehlt.)</p><lb/>
        <p>Am Dom von <hi rendition="#g">Narni</hi>, jener wunderlichen Basilica mit Flach-<note place="right">e</note><lb/>
bögen, ist ein artiger Porticus vom Jahr 1497 angebracht. Viel präch-<lb/>
tiger ist die Vorhalle am Dom von <hi rendition="#g">Spoleto</hi>: fünf Bogen auf Pfeilern,<note place="right">f</note><lb/>
die mit schlanken Säulen bekleidet sind, an beiden Enden noch be-<lb/>
sondere Kanzeln zum Vorzeigen von Reliquien und zur Predigt; Ge-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[191/0213] Lucca. Arezzo. Perugia. Narni. In Lucca ist der Palazzo pretorio ein schönes derbes Ge- bäude — unten mit einer Säulenhalle, welche sich an den geschlos- senen Theilen als Pilasterreihe mit Bogen fortsetzt. Wenn die obern Fenster nicht unzweckmässig verzierte Einfassungen hätten, so wäre man versucht, den Palast dem Cecco di Giorgio zuzuschreiben. a Noch eine kleine Nachlese auf den Strassen über Perugia und über Siena nach Rom. An das gothische Carmeliterkirchlein S. Maria bei Arezzo (vor Porta Romana eine Viertelstunde links) ist eine grosse Vorhalle im florentinischen Styl angebaut, welche zum ganz Malerischen in dieser Art gehört; sieben Bogen vorn, zwei auf jeder Seite und zwei rechts und links an die Fassade anschliessend; das Kranzgesimse allerdings etwas willkürlich gebildet mit einem vorspringenden steinernen Dach- rand von lauter Rosetten; die Bogenfüllungen mit gemalten Verzie- rungen ausgefüllt. (Laut Vasari von Benedetto da Majano.) b In Cortona einige sehr mässige Fassaden. Wichtiger scheint das nahe Montepulciano durch die genannten Bauten. In Monte Fiascone und in dem zierlichen Viterbo, sowie auch in Orvieto habe ich bei flüchtigem Besuche keine bedeutendern Renaissancebauten be- merkt 1). Das oben genannte Pienza muss den Beschreibungen nach all die eben genannten Städte in dieser Beziehung übertreffen. In Perugia ist die Fassade der Confraternita von S. Bernar- dino (bei S. Francesco) als vorherrschend figurirtes Werk hier nur vorläufig zu nennen. Von sehr schöner Frührenaissance (angeblich von Agostino della Robbia und Polidoro di Stefano): Die stattliche Porta S. Pietro. (Das Hauptgesimse fehlt.) c d Am Dom von Narni, jener wunderlichen Basilica mit Flach- bögen, ist ein artiger Porticus vom Jahr 1497 angebracht. Viel präch- tiger ist die Vorhalle am Dom von Spoleto: fünf Bogen auf Pfeilern, die mit schlanken Säulen bekleidet sind, an beiden Enden noch be- sondere Kanzeln zum Vorzeigen von Reliquien und zur Predigt; Ge- e f 1) Die Kirche della Quercia in Viterbo soll nach der Zeichnung Bramante’s er- baut sein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/213
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/213>, abgerufen am 04.12.2024.