Aber dies Alles wurde überboten durch die Scuola di S. Rocco, begonnen 1517 nach einem Entwurf des Pietro Lombardo (?), aus- geführt durch eine Reihe von Architekten bis auf Sansovino herab. Hier handelt es sich nicht mehr allein um decorirte Pilaster; blumen- geschmückte Säulen treten sammt ihren Gebälken in zwei Stockwerken vor; pomphafte Fenster, ein reichfigurirter Oberfries, eine Jncrustation mit farbigen Steinen vollenden den Eindruck mährchenhafter Pracht; auch die übrigen Seiten des ganz frei stehenden Gebäudes sind reich ausgestattet; im Innern ist die ganze untere Halle, das reichere Ab- bild derjenigen in der Scuola di S. Marco, sowie die Treppe noch baus dieser Zeit. (Die nahe Kirche S. Rocco erhielt ihre Fassade später nach dem Vorbilde derjenigen der Scuola.) Einem Eindruck von diesem Range gegenüber ist es vielleicht vergebliche Mühe, auf den Mangel aller wahren Verhältnisse aufmerksam zu machen. Das Formenspiel, mit welchem der Blick abgefertigt wird, ist ein zu an- genehmes.
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Einfacher und kleiner: die Scuola bei S. Spirito; -- von Jac. Sansovino (s. unten): Scuola di S. Giorgio de' Schiavoni; -- von dessen Schüler Aless. Vittoria: Scuola di S. Girolamo. -- Noch die späte Ba- rockzeit sucht sich in Gebäuden dieser Art der Pracht jener erstge- nannten auch äusserlich zu nähern: Scuola di S. Teodoro; -- Scuola del Carmine etc.
Vor den Palästen mögen einige andere Profanbauten erwähnt werden, welche ebenfalls für die Baugesinnung des damaligen Vene- digs bezeichnend sind.
Wie die Frührenaissance überhaupt auch in ihren Kriegsbauten einen heitern Eindruck erstrebt, so ist diess auch hier bei der Pforte ddes Arsenals (1460) der Fall. Merkwürdig sind an diesem Zier- gebäude die noch fast byzantinisch gebildeten Blätter an den Capitälen. -- Gegen Ende des XV. Jahrhunderts erbaute Bartolommeo Buono eaus Bergamo die "alten Procurazien" am Marcusplatz als Amts- wohnung für die Procuratoren von S. Marco und als grossen Inbe- griff einer Menge von Bureaux. Die innere Einrichtung ist jetzt nir- gends mehr zu erkennen, immer aber wird dieses Gebäude verglichen mit dem Ernst der in ähnlichem Zweck etwa 80 Jahre später erbau-
Frührenaissance. Venedig. Scuole etc.
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Aber dies Alles wurde überboten durch die Scuola di S. Rocco, begonnen 1517 nach einem Entwurf des Pietro Lombardo (?), aus- geführt durch eine Reihe von Architekten bis auf Sansovino herab. Hier handelt es sich nicht mehr allein um decorirte Pilaster; blumen- geschmückte Säulen treten sammt ihren Gebälken in zwei Stockwerken vor; pomphafte Fenster, ein reichfigurirter Oberfries, eine Jncrustation mit farbigen Steinen vollenden den Eindruck mährchenhafter Pracht; auch die übrigen Seiten des ganz frei stehenden Gebäudes sind reich ausgestattet; im Innern ist die ganze untere Halle, das reichere Ab- bild derjenigen in der Scuola di S. Marco, sowie die Treppe noch baus dieser Zeit. (Die nahe Kirche S. Rocco erhielt ihre Fassade später nach dem Vorbilde derjenigen der Scuola.) Einem Eindruck von diesem Range gegenüber ist es vielleicht vergebliche Mühe, auf den Mangel aller wahren Verhältnisse aufmerksam zu machen. Das Formenspiel, mit welchem der Blick abgefertigt wird, ist ein zu an- genehmes.
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Einfacher und kleiner: die Scuola bei S. Spirito; — von Jac. Sansovino (s. unten): Scuola di S. Giorgio de’ Schiavoni; — von dessen Schüler Aless. Vittoria: Scuola di S. Girolamo. — Noch die späte Ba- rockzeit sucht sich in Gebäuden dieser Art der Pracht jener erstge- nannten auch äusserlich zu nähern: Scuola di S. Teodoro; — Scuola del Carmine etc.
Vor den Palästen mögen einige andere Profanbauten erwähnt werden, welche ebenfalls für die Baugesinnung des damaligen Vene- digs bezeichnend sind.
Wie die Frührenaissance überhaupt auch in ihren Kriegsbauten einen heitern Eindruck erstrebt, so ist diess auch hier bei der Pforte ddes Arsenals (1460) der Fall. Merkwürdig sind an diesem Zier- gebäude die noch fast byzantinisch gebildeten Blätter an den Capitälen. — Gegen Ende des XV. Jahrhunderts erbaute Bartolommeo Buono eaus Bergamo die „alten Procurazien“ am Marcusplatz als Amts- wohnung für die Procuratoren von S. Marco und als grossen Inbe- griff einer Menge von Bureaux. Die innere Einrichtung ist jetzt nir- gends mehr zu erkennen, immer aber wird dieses Gebäude verglichen mit dem Ernst der in ähnlichem Zweck etwa 80 Jahre später erbau-
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Frührenaissance. Venedig. Scuole etc.
Aber dies Alles wurde überboten durch die Scuola di S. Rocco,
begonnen 1517 nach einem Entwurf des Pietro Lombardo (?), aus-
geführt durch eine Reihe von Architekten bis auf Sansovino herab.
Hier handelt es sich nicht mehr allein um decorirte Pilaster; blumen-
geschmückte Säulen treten sammt ihren Gebälken in zwei Stockwerken
vor; pomphafte Fenster, ein reichfigurirter Oberfries, eine Jncrustation
mit farbigen Steinen vollenden den Eindruck mährchenhafter Pracht;
auch die übrigen Seiten des ganz frei stehenden Gebäudes sind reich
ausgestattet; im Innern ist die ganze untere Halle, das reichere Ab-
bild derjenigen in der Scuola di S. Marco, sowie die Treppe noch
aus dieser Zeit. (Die nahe Kirche S. Rocco erhielt ihre Fassade
später nach dem Vorbilde derjenigen der Scuola.) Einem Eindruck
von diesem Range gegenüber ist es vielleicht vergebliche Mühe, auf
den Mangel aller wahren Verhältnisse aufmerksam zu machen. Das
Formenspiel, mit welchem der Blick abgefertigt wird, ist ein zu an-
genehmes.
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Einfacher und kleiner: die Scuola bei S. Spirito; — von Jac.
Sansovino (s. unten): Scuola di S. Giorgio de’ Schiavoni; — von dessen
Schüler Aless. Vittoria: Scuola di S. Girolamo. — Noch die späte Ba-
rockzeit sucht sich in Gebäuden dieser Art der Pracht jener erstge-
nannten auch äusserlich zu nähern: Scuola di S. Teodoro; — Scuola
del Carmine etc.
Vor den Palästen mögen einige andere Profanbauten erwähnt
werden, welche ebenfalls für die Baugesinnung des damaligen Vene-
digs bezeichnend sind.
Wie die Frührenaissance überhaupt auch in ihren Kriegsbauten
einen heitern Eindruck erstrebt, so ist diess auch hier bei der Pforte
des Arsenals (1460) der Fall. Merkwürdig sind an diesem Zier-
gebäude die noch fast byzantinisch gebildeten Blätter an den Capitälen.
— Gegen Ende des XV. Jahrhunderts erbaute Bartolommeo Buono
aus Bergamo die „alten Procurazien“ am Marcusplatz als Amts-
wohnung für die Procuratoren von S. Marco und als grossen Inbe-
griff einer Menge von Bureaux. Die innere Einrichtung ist jetzt nir-
gends mehr zu erkennen, immer aber wird dieses Gebäude verglichen
mit dem Ernst der in ähnlichem Zweck etwa 80 Jahre später erbau-
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/242>, abgerufen am 04.12.2024.
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