Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite
Renaissance-Decoration. Stein und Metall.

Vicenza ist besonders reich an grossen und prächtigen Ein-
rahmungen der Altarbilder
durch Architekturen in Marmor
oder Terracotta. Da man hier und in Verona zur gothischen Zeit
und auch noch später den Seitenschiffen der Kirchen keine Fenster
oder nur ganz geringe runde Luken gab, so war ein genügender
aRaum für solche Decorationen vorhanden. Zunächst enthält S. Lo-
brenzo deren mehrere von Werthe; hauptsächlich aber S. Corona. Hier
ist der fünfte Altar links eines der prachtvollsten Phantasiewerke,
welche in dieser Gattung überhaupt vorhanden sind, und wenn nicht
die Überfülle den lombardischen, die bunten Marmorscheiben der Pi-
laster den venezianischen Charakter verriethen, so wäre er auch eines
der schönsten.


c

In Verona enthält S. Fermo mehrere gute, darunter eine Nach-
dahmung des Arco de' Gavi (Seite 36). -- Im Dom sind diese Taber-
nakel merkwürdiger Weise oben spitzbogig geschlossen, wahrschein-
lich um mit dem Bau in einiger Harmonie zu bleiben; übrigens meist
gering, mit Ausnahme desjenigen über dem Grab der heil. Agatha
(Schluss des rechten Seitenschiffes) vom Jahr 1508, welcher in den Ara-
besken seiner äussern Pilaster das Höchste an Delicatesse, Schwung
und Reichthum erreicht, aber in Verbindung mit derselben Überfülle,
welche so manche lombardische Decoration verderbt. (Das Figürliche
eüberdiess nicht vom Besten.) -- In S. Anastasia eine Reihe der reich-
sten und grössten; die innere Pilasterordnung durchgängig mit stren-
gern Arabesken in dunkelm Stein, die grössere äussere Ordnung mit
dem reichsten Rankenwerk in hellerm Marmor; einer der Besten der
dritte rechts; in anderer Weise architektonisch bedeutend derjenige
des rechten Querschiffes; zweie links (der erste und vierte) werden
bei Anlass der Sculptur vorkommen.


f

In Bergamo kann die Fassade der Capelle Coleoni an S. Ma-
ria maggiore (Seite 226, e) beinahe eher für ein grosses Decorations-
stück als für ein Bauwerk gelten. Es giebt reicher verzierte Fassa-
den, wie z. B. diejenige der Certosa von Pavia, bei welchen gleichwohl

Renaissance-Decoration. Stein und Metall.

Vicenza ist besonders reich an grossen und prächtigen Ein-
rahmungen der Altarbilder
durch Architekturen in Marmor
oder Terracotta. Da man hier und in Verona zur gothischen Zeit
und auch noch später den Seitenschiffen der Kirchen keine Fenster
oder nur ganz geringe runde Luken gab, so war ein genügender
aRaum für solche Decorationen vorhanden. Zunächst enthält S. Lo-
brenzo deren mehrere von Werthe; hauptsächlich aber S. Corona. Hier
ist der fünfte Altar links eines der prachtvollsten Phantasiewerke,
welche in dieser Gattung überhaupt vorhanden sind, und wenn nicht
die Überfülle den lombardischen, die bunten Marmorscheiben der Pi-
laster den venezianischen Charakter verriethen, so wäre er auch eines
der schönsten.


c

In Verona enthält S. Fermo mehrere gute, darunter eine Nach-
dahmung des Arco de’ Gavi (Seite 36). — Im Dom sind diese Taber-
nakel merkwürdiger Weise oben spitzbogig geschlossen, wahrschein-
lich um mit dem Bau in einiger Harmonie zu bleiben; übrigens meist
gering, mit Ausnahme desjenigen über dem Grab der heil. Agatha
(Schluss des rechten Seitenschiffes) vom Jahr 1508, welcher in den Ara-
besken seiner äussern Pilaster das Höchste an Delicatesse, Schwung
und Reichthum erreicht, aber in Verbindung mit derselben Überfülle,
welche so manche lombardische Decoration verderbt. (Das Figürliche
eüberdiess nicht vom Besten.) — In S. Anastasia eine Reihe der reich-
sten und grössten; die innere Pilasterordnung durchgängig mit stren-
gern Arabesken in dunkelm Stein, die grössere äussere Ordnung mit
dem reichsten Rankenwerk in hellerm Marmor; einer der Besten der
dritte rechts; in anderer Weise architektonisch bedeutend derjenige
des rechten Querschiffes; zweie links (der erste und vierte) werden
bei Anlass der Sculptur vorkommen.


f

In Bergamo kann die Fassade der Capelle Coleoni an S. Ma-
ria maggiore (Seite 226, e) beinahe eher für ein grosses Decorations-
stück als für ein Bauwerk gelten. Es giebt reicher verzierte Fassa-
den, wie z. B. diejenige der Certosa von Pavia, bei welchen gleichwohl

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0278" n="256"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Renaissance-Decoration. Stein und Metall.</hi> </fw><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Vicenza</hi> ist besonders reich an grossen und prächtigen <hi rendition="#g">Ein-<lb/>
rahmungen der Altarbilder</hi> durch Architekturen in Marmor<lb/>
oder Terracotta. Da man hier und in Verona zur gothischen Zeit<lb/>
und auch noch später den Seitenschiffen der Kirchen keine Fenster<lb/>
oder nur ganz geringe runde Luken gab, so war ein genügender<lb/><note place="left">a</note>Raum für solche Decorationen vorhanden. Zunächst enthält S. Lo-<lb/><note place="left">b</note>renzo deren mehrere von Werthe; hauptsächlich aber S. Corona. Hier<lb/>
ist der fünfte Altar links eines der prachtvollsten Phantasiewerke,<lb/>
welche in dieser Gattung überhaupt vorhanden sind, und wenn nicht<lb/>
die Überfülle den lombardischen, die bunten Marmorscheiben der Pi-<lb/>
laster den venezianischen Charakter verriethen, so wäre er auch eines<lb/>
der schönsten.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <note place="left">c</note>
        <p>In <hi rendition="#g">Verona</hi> enthält S. Fermo mehrere gute, darunter eine Nach-<lb/><note place="left">d</note>ahmung des Arco de&#x2019; Gavi (Seite 36). &#x2014; Im Dom sind diese Taber-<lb/>
nakel merkwürdiger Weise oben spitzbogig geschlossen, wahrschein-<lb/>
lich um mit dem Bau in einiger Harmonie zu bleiben; übrigens meist<lb/>
gering, mit Ausnahme desjenigen über dem Grab der heil. Agatha<lb/>
(Schluss des rechten Seitenschiffes) vom Jahr 1508, welcher in den Ara-<lb/>
besken seiner äussern Pilaster das Höchste an Delicatesse, Schwung<lb/>
und Reichthum erreicht, aber in Verbindung mit derselben Überfülle,<lb/>
welche so manche lombardische Decoration verderbt. (Das Figürliche<lb/><note place="left">e</note>überdiess nicht vom Besten.) &#x2014; In S. Anastasia eine Reihe der reich-<lb/>
sten und grössten; die innere Pilasterordnung durchgängig mit stren-<lb/>
gern Arabesken in dunkelm Stein, die grössere äussere Ordnung mit<lb/>
dem reichsten Rankenwerk in hellerm Marmor; einer der Besten der<lb/>
dritte rechts; in anderer Weise architektonisch bedeutend derjenige<lb/>
des rechten Querschiffes; zweie links (der erste und vierte) werden<lb/>
bei Anlass der Sculptur vorkommen.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <note place="left">f</note>
        <p>In <hi rendition="#g">Bergamo</hi> kann die Fassade der Capelle Coleoni an S. Ma-<lb/>
ria maggiore (Seite 226, e) beinahe eher für ein grosses Decorations-<lb/>
stück als für ein Bauwerk gelten. Es giebt reicher verzierte Fassa-<lb/>
den, wie z. B. diejenige der Certosa von Pavia, bei welchen gleichwohl<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0278] Renaissance-Decoration. Stein und Metall. Vicenza ist besonders reich an grossen und prächtigen Ein- rahmungen der Altarbilder durch Architekturen in Marmor oder Terracotta. Da man hier und in Verona zur gothischen Zeit und auch noch später den Seitenschiffen der Kirchen keine Fenster oder nur ganz geringe runde Luken gab, so war ein genügender Raum für solche Decorationen vorhanden. Zunächst enthält S. Lo- renzo deren mehrere von Werthe; hauptsächlich aber S. Corona. Hier ist der fünfte Altar links eines der prachtvollsten Phantasiewerke, welche in dieser Gattung überhaupt vorhanden sind, und wenn nicht die Überfülle den lombardischen, die bunten Marmorscheiben der Pi- laster den venezianischen Charakter verriethen, so wäre er auch eines der schönsten. a b In Verona enthält S. Fermo mehrere gute, darunter eine Nach- ahmung des Arco de’ Gavi (Seite 36). — Im Dom sind diese Taber- nakel merkwürdiger Weise oben spitzbogig geschlossen, wahrschein- lich um mit dem Bau in einiger Harmonie zu bleiben; übrigens meist gering, mit Ausnahme desjenigen über dem Grab der heil. Agatha (Schluss des rechten Seitenschiffes) vom Jahr 1508, welcher in den Ara- besken seiner äussern Pilaster das Höchste an Delicatesse, Schwung und Reichthum erreicht, aber in Verbindung mit derselben Überfülle, welche so manche lombardische Decoration verderbt. (Das Figürliche überdiess nicht vom Besten.) — In S. Anastasia eine Reihe der reich- sten und grössten; die innere Pilasterordnung durchgängig mit stren- gern Arabesken in dunkelm Stein, die grössere äussere Ordnung mit dem reichsten Rankenwerk in hellerm Marmor; einer der Besten der dritte rechts; in anderer Weise architektonisch bedeutend derjenige des rechten Querschiffes; zweie links (der erste und vierte) werden bei Anlass der Sculptur vorkommen. d e In Bergamo kann die Fassade der Capelle Coleoni an S. Ma- ria maggiore (Seite 226, e) beinahe eher für ein grosses Decorations- stück als für ein Bauwerk gelten. Es giebt reicher verzierte Fassa- den, wie z. B. diejenige der Certosa von Pavia, bei welchen gleichwohl

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/278
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/278>, abgerufen am 05.12.2024.