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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Florenz.

Die Rücken der Chorstühle in S. Maria novella, eine (frühe) Ar-a
beit des Baccio d'Agnolo (s. unten) beschliessen das XV. Jahr-
hundert in dieser Gattung glanzvoll, mit einer Reihenfolge der reinsten
und vorzüglichsten Arabesken. (Auch die aufgesetzten Pilaster Intar-
sia. -- Die Stühle selbst später nach einer Zeichnung des Vasari er-
neuert). -- Jedenfalls erst XVI. Jahrhundert: der mit weiss und Goldb
bemalte Orgellettner in S. M. Maddalena de' Pazzi. -- Aus der Mitte
dieses Jahrhunderts stammt wohl die Thür, welche jetzt in den Uffi-c
zien (Gang der toskanischen Sculptur) angebracht ist; lauter starkes,
im neuen Sinn antikisirendes Reliefornament, aber noch von schöner
Bildung 1). -- Noch das Stuhlwerk in der Hauptkirche der Certosad
und die vom Jahr 1590 datirte Thür offenbaren einen gewissen Wider-
stand gegen den andringenden Barockstyl. -- Von den Arbeiten des
XVII. Jahrhunderts zeigen z. B. die Beichtstühle und Thüren in S. Mic-e
chele e Gaetano diesen Styl zwar siegreich, aber besonders tüchtig
und ernst gehandhabt.

Ferner ist Florenz der classische Ort für Bilderrahmen; hier
erfährt man am vollständigsten, wie die grossen Maler (und auch die
Bildhauer) des XV. Jahrhunderts ihre Werke eingefasst wissen wollen.
Das Kunstwerk steht in einem mehr oder weniger architektonischen
Sacellum von einer Staffel, zwei Pilastern und einem oft reich bekrön-
ten Obergesimse, die Pilaster mit Reliefarabesken insgemein Gold auf
Blau, das Gesimse mit ganz vergoldeten; bei Nischen für Sculpturen
kommt noch sonstiger baulicher Schmuck hinzu. Der grösste Schatz
dieser Art sind die Rahmen der meisten Altargemälde im Querschifff
und Hinterbau von S. Spirito; hier allein kann man inne werden,
wesshalb ein Sandro, ein Filippino in glatten oder wenig verzierten
goldenen Hohlrahmen keinen ganz vollständigen Eindruck macht, in-
dem nur diese Prachteinfassung das überreiche Leben des Bildes schön
ausklingen lässt 2). Andere vorzügliche Rahmen u. a. in S. M. Mad-

1) Die Decoration der Bibl. Laurenziana siehe unten bei Anlass der Bauten
Michel-Angelo's.
2) Noch deutlicher wird ein ähnliches Verhältniss zugestanden in den Marmor-
rahmen einiger altvenezianischen Altarbilder, wo der Rahmen die perspecti-
visch berechnete Fortsetzung der im Bilde dargestellten Architektur ist; man
sieht von der Nische hinter dem Marienthron her die beiden (gemalten) Bo-
Florenz.

Die Rücken der Chorstühle in S. Maria novella, eine (frühe) Ar-a
beit des Baccio d’Agnolo (s. unten) beschliessen das XV. Jahr-
hundert in dieser Gattung glanzvoll, mit einer Reihenfolge der reinsten
und vorzüglichsten Arabesken. (Auch die aufgesetzten Pilaster Intar-
sia. — Die Stühle selbst später nach einer Zeichnung des Vasari er-
neuert). — Jedenfalls erst XVI. Jahrhundert: der mit weiss und Goldb
bemalte Orgellettner in S. M. Maddalena de’ Pazzi. — Aus der Mitte
dieses Jahrhunderts stammt wohl die Thür, welche jetzt in den Uffi-c
zien (Gang der toskanischen Sculptur) angebracht ist; lauter starkes,
im neuen Sinn antikisirendes Reliefornament, aber noch von schöner
Bildung 1). — Noch das Stuhlwerk in der Hauptkirche der Certosad
und die vom Jahr 1590 datirte Thür offenbaren einen gewissen Wider-
stand gegen den andringenden Barockstyl. — Von den Arbeiten des
XVII. Jahrhunderts zeigen z. B. die Beichtstühle und Thüren in S. Mic-e
chele e Gaetano diesen Styl zwar siegreich, aber besonders tüchtig
und ernst gehandhabt.

Ferner ist Florenz der classische Ort für Bilderrahmen; hier
erfährt man am vollständigsten, wie die grossen Maler (und auch die
Bildhauer) des XV. Jahrhunderts ihre Werke eingefasst wissen wollen.
Das Kunstwerk steht in einem mehr oder weniger architektonischen
Sacellum von einer Staffel, zwei Pilastern und einem oft reich bekrön-
ten Obergesimse, die Pilaster mit Reliefarabesken insgemein Gold auf
Blau, das Gesimse mit ganz vergoldeten; bei Nischen für Sculpturen
kommt noch sonstiger baulicher Schmuck hinzu. Der grösste Schatz
dieser Art sind die Rahmen der meisten Altargemälde im Querschifff
und Hinterbau von S. Spirito; hier allein kann man inne werden,
wesshalb ein Sandro, ein Filippino in glatten oder wenig verzierten
goldenen Hohlrahmen keinen ganz vollständigen Eindruck macht, in-
dem nur diese Prachteinfassung das überreiche Leben des Bildes schön
ausklingen lässt 2). Andere vorzügliche Rahmen u. a. in S. M. Mad-

1) Die Decoration der Bibl. Laurenziana siehe unten bei Anlass der Bauten
Michel-Angelo’s.
2) Noch deutlicher wird ein ähnliches Verhältniss zugestanden in den Marmor-
rahmen einiger altvenezianischen Altarbilder, wo der Rahmen die perspecti-
visch berechnete Fortsetzung der im Bilde dargestellten Architektur ist; man
sieht von der Nische hinter dem Marienthron her die beiden (gemalten) Bo-
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[261/0283] Florenz. Die Rücken der Chorstühle in S. Maria novella, eine (frühe) Ar- beit des Baccio d’Agnolo (s. unten) beschliessen das XV. Jahr- hundert in dieser Gattung glanzvoll, mit einer Reihenfolge der reinsten und vorzüglichsten Arabesken. (Auch die aufgesetzten Pilaster Intar- sia. — Die Stühle selbst später nach einer Zeichnung des Vasari er- neuert). — Jedenfalls erst XVI. Jahrhundert: der mit weiss und Gold bemalte Orgellettner in S. M. Maddalena de’ Pazzi. — Aus der Mitte dieses Jahrhunderts stammt wohl die Thür, welche jetzt in den Uffi- zien (Gang der toskanischen Sculptur) angebracht ist; lauter starkes, im neuen Sinn antikisirendes Reliefornament, aber noch von schöner Bildung 1). — Noch das Stuhlwerk in der Hauptkirche der Certosa und die vom Jahr 1590 datirte Thür offenbaren einen gewissen Wider- stand gegen den andringenden Barockstyl. — Von den Arbeiten des XVII. Jahrhunderts zeigen z. B. die Beichtstühle und Thüren in S. Mic- chele e Gaetano diesen Styl zwar siegreich, aber besonders tüchtig und ernst gehandhabt. a b c d e Ferner ist Florenz der classische Ort für Bilderrahmen; hier erfährt man am vollständigsten, wie die grossen Maler (und auch die Bildhauer) des XV. Jahrhunderts ihre Werke eingefasst wissen wollen. Das Kunstwerk steht in einem mehr oder weniger architektonischen Sacellum von einer Staffel, zwei Pilastern und einem oft reich bekrön- ten Obergesimse, die Pilaster mit Reliefarabesken insgemein Gold auf Blau, das Gesimse mit ganz vergoldeten; bei Nischen für Sculpturen kommt noch sonstiger baulicher Schmuck hinzu. Der grösste Schatz dieser Art sind die Rahmen der meisten Altargemälde im Querschiff und Hinterbau von S. Spirito; hier allein kann man inne werden, wesshalb ein Sandro, ein Filippino in glatten oder wenig verzierten goldenen Hohlrahmen keinen ganz vollständigen Eindruck macht, in- dem nur diese Prachteinfassung das überreiche Leben des Bildes schön ausklingen lässt 2). Andere vorzügliche Rahmen u. a. in S. M. Mad- f 1) Die Decoration der Bibl. Laurenziana siehe unten bei Anlass der Bauten Michel-Angelo’s. 2) Noch deutlicher wird ein ähnliches Verhältniss zugestanden in den Marmor- rahmen einiger altvenezianischen Altarbilder, wo der Rahmen die perspecti- visch berechnete Fortsetzung der im Bilde dargestellten Architektur ist; man sieht von der Nische hinter dem Marienthron her die beiden (gemalten) Bo-

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/283>, abgerufen am 05.12.2024.