bild seines religiösen Inhaltes wegen geschont und (freilich auch durch Übermalung) gerettet worden, während man die unscheinbar gewor- denen Malereien der ganzen übrigen Fassade der Übertünchung Preis gab. Und doch wäre gerade das Ganze dieser Decoration unentbehr- lich; mehr als irgendwo in Italien ist das Architektonische darauf berechnet, ja der Renaissancebau tritt aus keinem andern Grunde in Verona so mässig und einfach auf, als weil ihm die Malerei zur we- sentlichen Ergänzung diente.
Schon zur Zeit des gothischen Styles war es in diesen Gegenden zur Gewohnheit geworden, die Wandflächen mit regelmässig, teppich- artig wiederholten buntfarbigen Ornamenten zu bedecken und diese mit reichern, bewegtern Friesen und Bändern zu umziehen; das Mit- telalter konnte des Bunten viel vertragen, zumal da letzteres unter der Herrschaft eines gesetzmässigen Farbensinnes stand. Zur Zeit der Renais- sance dauerte ein ähnlicher Schmuck fort: nur tritt jetzt das Figürliche erst in sein volles Recht. Man begnügt sich nicht mehr mit dem ein- zelnen Bilde einer Madonna zwischen zwei Heiligen, sondern die ganze Fassade wird zum Gerüst für ruhige und bewegte, heilige und pro- fane, einfarbige und vielfarbige Darstellungen.
Und zwar sind es grossentheils Arbeiten von sehr tüchtigen, selbst hie und da von grossen Künstlern. Schon im XIV. Jahrhun- dert schuf z. B. ein Stefano da Zevio die Fresken einer thronenden aMadonna zwischen Heiligen und einer Geburt Christi an dem Hause N. 5303 1); noch ist genug davon erhalten, um die süsse Schönheit der Jungfrau, den Jubel der blumenbringenden Engel zu erkennen. Im folgenden Jahrhundert hat Andrea Mantegna selber diese Fassa- denmalerei nicht verschmäht und seine besten veronesischen Nachfolger fanden daran eine ganz wesentliche Beschäftigung; bis gegen Ende des XVI. Jahrhunderts folgen dann die veronesischen Schüler der Venezianer. Es erhellt hieraus schon, welchen Werth diese bemalten Fassaden auch in technischem Betracht haben müssen; mehrere der- selben enthalten von den bestcolorirten Fresken der damaligen Zeit.
1) Das jetzige Telegraphenamt. -- Ich bedaure, nur nach den Hausnummern citiren zu können, die in Verona wie in mehrern andern Städten Italiens auffallend und sträflich vernachlässigt, ja halbe Gassen entlang nicht mehr sichtbar sind.
Renaissance-Decoration. Fassadenmalerei.
bild seines religiösen Inhaltes wegen geschont und (freilich auch durch Übermalung) gerettet worden, während man die unscheinbar gewor- denen Malereien der ganzen übrigen Fassade der Übertünchung Preis gab. Und doch wäre gerade das Ganze dieser Decoration unentbehr- lich; mehr als irgendwo in Italien ist das Architektonische darauf berechnet, ja der Renaissancebau tritt aus keinem andern Grunde in Verona so mässig und einfach auf, als weil ihm die Malerei zur we- sentlichen Ergänzung diente.
Schon zur Zeit des gothischen Styles war es in diesen Gegenden zur Gewohnheit geworden, die Wandflächen mit regelmässig, teppich- artig wiederholten buntfarbigen Ornamenten zu bedecken und diese mit reichern, bewegtern Friesen und Bändern zu umziehen; das Mit- telalter konnte des Bunten viel vertragen, zumal da letzteres unter der Herrschaft eines gesetzmässigen Farbensinnes stand. Zur Zeit der Renais- sance dauerte ein ähnlicher Schmuck fort: nur tritt jetzt das Figürliche erst in sein volles Recht. Man begnügt sich nicht mehr mit dem ein- zelnen Bilde einer Madonna zwischen zwei Heiligen, sondern die ganze Fassade wird zum Gerüst für ruhige und bewegte, heilige und pro- fane, einfarbige und vielfarbige Darstellungen.
Und zwar sind es grossentheils Arbeiten von sehr tüchtigen, selbst hie und da von grossen Künstlern. Schon im XIV. Jahrhun- dert schuf z. B. ein Stefano da Zevio die Fresken einer thronenden aMadonna zwischen Heiligen und einer Geburt Christi an dem Hause N. 5303 1); noch ist genug davon erhalten, um die süsse Schönheit der Jungfrau, den Jubel der blumenbringenden Engel zu erkennen. Im folgenden Jahrhundert hat Andrea Mantegna selber diese Fassa- denmalerei nicht verschmäht und seine besten veronesischen Nachfolger fanden daran eine ganz wesentliche Beschäftigung; bis gegen Ende des XVI. Jahrhunderts folgen dann die veronesischen Schüler der Venezianer. Es erhellt hieraus schon, welchen Werth diese bemalten Fassaden auch in technischem Betracht haben müssen; mehrere der- selben enthalten von den bestcolorirten Fresken der damaligen Zeit.
1) Das jetzige Telegraphenamt. — Ich bedaure, nur nach den Hausnummern citiren zu können, die in Verona wie in mehrern andern Städten Italiens auffallend und sträflich vernachlässigt, ja halbe Gassen entlang nicht mehr sichtbar sind.
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Renaissance-Decoration. Fassadenmalerei.
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Übermalung) gerettet worden, während man die unscheinbar gewor-
denen Malereien der ganzen übrigen Fassade der Übertünchung Preis
gab. Und doch wäre gerade das Ganze dieser Decoration unentbehr-
lich; mehr als irgendwo in Italien ist das Architektonische darauf
berechnet, ja der Renaissancebau tritt aus keinem andern Grunde in
Verona so mässig und einfach auf, als weil ihm die Malerei zur we-
sentlichen Ergänzung diente.
Schon zur Zeit des gothischen Styles war es in diesen Gegenden
zur Gewohnheit geworden, die Wandflächen mit regelmässig, teppich-
artig wiederholten buntfarbigen Ornamenten zu bedecken und diese
mit reichern, bewegtern Friesen und Bändern zu umziehen; das Mit-
telalter konnte des Bunten viel vertragen, zumal da letzteres unter der
Herrschaft eines gesetzmässigen Farbensinnes stand. Zur Zeit der Renais-
sance dauerte ein ähnlicher Schmuck fort: nur tritt jetzt das Figürliche
erst in sein volles Recht. Man begnügt sich nicht mehr mit dem ein-
zelnen Bilde einer Madonna zwischen zwei Heiligen, sondern die ganze
Fassade wird zum Gerüst für ruhige und bewegte, heilige und pro-
fane, einfarbige und vielfarbige Darstellungen.
Und zwar sind es grossentheils Arbeiten von sehr tüchtigen,
selbst hie und da von grossen Künstlern. Schon im XIV. Jahrhun-
dert schuf z. B. ein Stefano da Zevio die Fresken einer thronenden
Madonna zwischen Heiligen und einer Geburt Christi an dem Hause
N. 5303 1); noch ist genug davon erhalten, um die süsse Schönheit
der Jungfrau, den Jubel der blumenbringenden Engel zu erkennen.
Im folgenden Jahrhundert hat Andrea Mantegna selber diese Fassa-
denmalerei nicht verschmäht und seine besten veronesischen Nachfolger
fanden daran eine ganz wesentliche Beschäftigung; bis gegen Ende
des XVI. Jahrhunderts folgen dann die veronesischen Schüler der
Venezianer. Es erhellt hieraus schon, welchen Werth diese bemalten
Fassaden auch in technischem Betracht haben müssen; mehrere der-
selben enthalten von den bestcolorirten Fresken der damaligen Zeit.
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1) Das jetzige Telegraphenamt. — Ich bedaure, nur nach den Hausnummern
citiren zu können, die in Verona wie in mehrern andern Städten Italiens
auffallend und sträflich vernachlässigt, ja halbe Gassen entlang nicht mehr
sichtbar sind.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/318>, abgerufen am 05.12.2024.
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