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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Hochrenaissance. San Gallo.
asich ähnlich. -- Die beiden kleinen Kirchlein auf den Inseln des Bol-
sener Sees kenne ich nicht aus der Nähe.

Endlich werden diesem Meister eine Anzahl von Schloss- und
bFestungsbauten zugeschrieben. Wenn das majestätische Hafen-
castell von Civita vecchia wirklich von ihm ist (man traut es ge-
wöhnlich dem Michelangelo zu), so würde er in der Kunst, mit we-
nigen Formen gross zu wirken, einer der ersten gewesen sein. Er
übertraf hier noch die seinem Oheim, dem ältern Antonio zugeschriebene
cVeste von Civita castellana. Das Castell von Perugia kam vor seiner
theilweisen Zerstörung (1849) diesen beiden im Styl nicht gleich. Die
dFestungsmauern von Nepi sind wenigstens in ihrem seculären Verfall
höchst malerisch; die Bauten in Castro kenne ich nicht. (Das Castell
von Palo auf der Strasse nach Civita vecchia soll von Bramante sein.)

Von dem als Archäolog in zweideutigem Ruf stehenden Pirro
eLigorio (starb 1580) ist die um 1560 erbaute Villa Pia im grossen
vaticanischen Garten. Mit der passenden vegetabilischen Umgebung
wäre sie der schönste Nachmittagsaufenthalt den die neuere Baukunst
geschaffen hat; kein Sommerhaus wie die Farnesina und Villa Ma-
dama, sondern nur ein päpstliches Gartenhaus nebst Vorpavillon, zwei
kleinen getrennten Eingangshallen, kühlenden Brunnen und einem köst-
lich unsymmetrisch angebauten Thurm mit Loggia, Alles terrassen-
förmig abgestuft. Hier tritt denn auch die reiche plastische Fassaden-
verzierung, als scheinbarer Ausdruck ländlicher Zwanglosigkeit in ihr
bestes Recht.


In Florenz hat gerade der kurze Moment der höchsten Blüthe
keine Denkmäler ersten Ranges zurückgelassen. Doch ist derselbe
(abgesehen von den beiden rafaelischen Palästen) durch einen höchst
ansprechenden Künstler in kleinern Bauten vertreten, durch Baccio
d'Agnolo
(1460--1543). Er übernahm die Palastarchitektur ungefähr
da, wo sie Cronaca gelassen; das Äussere überschreitet fast nie die
Formen, welche dieser am Pal. Guadagni entwickelt hatte und ist
meist weniger bedeutend. In den Höfen ist das bisherige florentini-
sche Princip mit der einfachsten Eleganz durchgeführt; selbst die
reichern Säulenordnungen scheinen Baccio zu bunt und er beschränkt

Hochrenaissance. San Gallo.
asich ähnlich. — Die beiden kleinen Kirchlein auf den Inseln des Bol-
sener Sees kenne ich nicht aus der Nähe.

Endlich werden diesem Meister eine Anzahl von Schloss- und
bFestungsbauten zugeschrieben. Wenn das majestätische Hafen-
castell von Civita vecchia wirklich von ihm ist (man traut es ge-
wöhnlich dem Michelangelo zu), so würde er in der Kunst, mit we-
nigen Formen gross zu wirken, einer der ersten gewesen sein. Er
übertraf hier noch die seinem Oheim, dem ältern Antonio zugeschriebene
cVeste von Cività castellana. Das Castell von Perugia kam vor seiner
theilweisen Zerstörung (1849) diesen beiden im Styl nicht gleich. Die
dFestungsmauern von Nepi sind wenigstens in ihrem seculären Verfall
höchst malerisch; die Bauten in Castro kenne ich nicht. (Das Castell
von Palo auf der Strasse nach Cività vecchia soll von Bramante sein.)

Von dem als Archäolog in zweideutigem Ruf stehenden Pirro
eLigorio (starb 1580) ist die um 1560 erbaute Villa Pia im grossen
vaticanischen Garten. Mit der passenden vegetabilischen Umgebung
wäre sie der schönste Nachmittagsaufenthalt den die neuere Baukunst
geschaffen hat; kein Sommerhaus wie die Farnesina und Villa Ma-
dama, sondern nur ein päpstliches Gartenhaus nebst Vorpavillon, zwei
kleinen getrennten Eingangshallen, kühlenden Brunnen und einem köst-
lich unsymmetrisch angebauten Thurm mit Loggia, Alles terrassen-
förmig abgestuft. Hier tritt denn auch die reiche plastische Fassaden-
verzierung, als scheinbarer Ausdruck ländlicher Zwanglosigkeit in ihr
bestes Recht.


In Florenz hat gerade der kurze Moment der höchsten Blüthe
keine Denkmäler ersten Ranges zurückgelassen. Doch ist derselbe
(abgesehen von den beiden rafaelischen Palästen) durch einen höchst
ansprechenden Künstler in kleinern Bauten vertreten, durch Baccio
d’Agnolo
(1460—1543). Er übernahm die Palastarchitektur ungefähr
da, wo sie Cronaca gelassen; das Äussere überschreitet fast nie die
Formen, welche dieser am Pal. Guadagni entwickelt hatte und ist
meist weniger bedeutend. In den Höfen ist das bisherige florentini-
sche Princip mit der einfachsten Eleganz durchgeführt; selbst die
reichern Säulenordnungen scheinen Baccio zu bunt und er beschränkt

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[316/0338] Hochrenaissance. San Gallo. sich ähnlich. — Die beiden kleinen Kirchlein auf den Inseln des Bol- sener Sees kenne ich nicht aus der Nähe. a Endlich werden diesem Meister eine Anzahl von Schloss- und Festungsbauten zugeschrieben. Wenn das majestätische Hafen- castell von Civita vecchia wirklich von ihm ist (man traut es ge- wöhnlich dem Michelangelo zu), so würde er in der Kunst, mit we- nigen Formen gross zu wirken, einer der ersten gewesen sein. Er übertraf hier noch die seinem Oheim, dem ältern Antonio zugeschriebene Veste von Cività castellana. Das Castell von Perugia kam vor seiner theilweisen Zerstörung (1849) diesen beiden im Styl nicht gleich. Die Festungsmauern von Nepi sind wenigstens in ihrem seculären Verfall höchst malerisch; die Bauten in Castro kenne ich nicht. (Das Castell von Palo auf der Strasse nach Cività vecchia soll von Bramante sein.) b c d Von dem als Archäolog in zweideutigem Ruf stehenden Pirro Ligorio (starb 1580) ist die um 1560 erbaute Villa Pia im grossen vaticanischen Garten. Mit der passenden vegetabilischen Umgebung wäre sie der schönste Nachmittagsaufenthalt den die neuere Baukunst geschaffen hat; kein Sommerhaus wie die Farnesina und Villa Ma- dama, sondern nur ein päpstliches Gartenhaus nebst Vorpavillon, zwei kleinen getrennten Eingangshallen, kühlenden Brunnen und einem köst- lich unsymmetrisch angebauten Thurm mit Loggia, Alles terrassen- förmig abgestuft. Hier tritt denn auch die reiche plastische Fassaden- verzierung, als scheinbarer Ausdruck ländlicher Zwanglosigkeit in ihr bestes Recht. e In Florenz hat gerade der kurze Moment der höchsten Blüthe keine Denkmäler ersten Ranges zurückgelassen. Doch ist derselbe (abgesehen von den beiden rafaelischen Palästen) durch einen höchst ansprechenden Künstler in kleinern Bauten vertreten, durch Baccio d’Agnolo (1460—1543). Er übernahm die Palastarchitektur ungefähr da, wo sie Cronaca gelassen; das Äussere überschreitet fast nie die Formen, welche dieser am Pal. Guadagni entwickelt hatte und ist meist weniger bedeutend. In den Höfen ist das bisherige florentini- sche Princip mit der einfachsten Eleganz durchgeführt; selbst die reichern Säulenordnungen scheinen Baccio zu bunt und er beschränkt

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/338>, abgerufen am 05.12.2024.