Rustica soll hier das Ländliche ausdrücken.) -- Ob Porta del Popolo,a wenigstens die Aussenseite, dem Vignola mit grösserm Recht als dem Michelangelo zugeschrieben wird, bleibe dahingestellt. -- Bei Weitem das Wichtigste, was von Vignola vorhanden, ist das grosse ebenfalls farnesische Schloss Caprarola, dreissig Miglien von Rom, aussenb fünfeckig, innen mit rundem Hof, alle Gemächer mit historischen Fresken ausgemalt von den Zuccheri. Ehemals ein Wallfahrtsort für alle Künstler und Kunstfreunde, jetzt kaum je von Solchen besucht, die ihr Leben in Rom zubringen. Auch der Verfasser hat das Ge- bäude auf der Strasse von Rom nach Viterbo aus weiter Ferne an- sehen müssen.
Von Vignola's Kirchenbauten ist das kleine Oratorium S. Andreac an der Strasse nach Pontemolle die bekannteste; quadratischer Unter- bau mit Pilastern, runder Oberbau mit niedriger Kuppel. Als land- schaftlicher Gegenstand seit der Geburtstunde der modernen Land- schaft überaus beliebt, hätte das kleine Gebäude selbst die Kritik eines Milizia entwaffnen dürfen. -- Die Kirche Madonna degli Angelid in der Ebene unterhalb Assisi zeigt noch den grossartigen Grundriss Vignola's, Gewölbe und Kuppel aber sind neuer. -- Endlich ist der Gesu in Rom (1568) ein höchst einflussreiches Gebäude geworden;e hier zuerst war möglichste Höhe und Weite eines gewölbten Haupt- schiffes und Beschränkung der Nebenschiffe auf abgeschlossene Capellen in derjenigen Art und Weise durchgeführt, welche nachher der ganze Barockstyl adoptirte. Frühere einschiffige Kirchen mit Capellenreihen, deren wir eine Menge angeführt haben, gewähren im Verhältniss den Capellen eine viel grössere Tiefe und dafür dem Hauptschiff eine ge- ringere Breite. Die nächste bedeutende Wirkung äusserte der Gesu auf Maderna's schon erwähnten Ausbau von S. Peter (Seite 337).
Giorgio Vasari (1572--1574), unschätzbar als Kunstschrift- steller, vielseitig und gewandt wie irgend ein Künstler seiner Zeit, scheint sich am Meisten in der Malerei zugetraut zu haben. Unser Urtheil und unser Gefühl sind aber seinen Gemälden fast durchgängig abhold, während von seinen Gebäuden wenigstens zweie zu den besten seiner Zeit gehören.
Vignola und Vasari.
Rustica soll hier das Ländliche ausdrücken.) — Ob Porta del Popolo,a wenigstens die Aussenseite, dem Vignola mit grösserm Recht als dem Michelangelo zugeschrieben wird, bleibe dahingestellt. — Bei Weitem das Wichtigste, was von Vignola vorhanden, ist das grosse ebenfalls farnesische Schloss Caprarola, dreissig Miglien von Rom, aussenb fünfeckig, innen mit rundem Hof, alle Gemächer mit historischen Fresken ausgemalt von den Zuccheri. Ehemals ein Wallfahrtsort für alle Künstler und Kunstfreunde, jetzt kaum je von Solchen besucht, die ihr Leben in Rom zubringen. Auch der Verfasser hat das Ge- bäude auf der Strasse von Rom nach Viterbo aus weiter Ferne an- sehen müssen.
Von Vignola’s Kirchenbauten ist das kleine Oratorium S. Andreac an der Strasse nach Pontemolle die bekannteste; quadratischer Unter- bau mit Pilastern, runder Oberbau mit niedriger Kuppel. Als land- schaftlicher Gegenstand seit der Geburtstunde der modernen Land- schaft überaus beliebt, hätte das kleine Gebäude selbst die Kritik eines Milizia entwaffnen dürfen. — Die Kirche Madonna degli Angelid in der Ebene unterhalb Assisi zeigt noch den grossartigen Grundriss Vignola’s, Gewölbe und Kuppel aber sind neuer. — Endlich ist der Gesù in Rom (1568) ein höchst einflussreiches Gebäude geworden;e hier zuerst war möglichste Höhe und Weite eines gewölbten Haupt- schiffes und Beschränkung der Nebenschiffe auf abgeschlossene Capellen in derjenigen Art und Weise durchgeführt, welche nachher der ganze Barockstyl adoptirte. Frühere einschiffige Kirchen mit Capellenreihen, deren wir eine Menge angeführt haben, gewähren im Verhältniss den Capellen eine viel grössere Tiefe und dafür dem Hauptschiff eine ge- ringere Breite. Die nächste bedeutende Wirkung äusserte der Gesù auf Maderna’s schon erwähnten Ausbau von S. Peter (Seite 337).
Giorgio Vasari (1572—1574), unschätzbar als Kunstschrift- steller, vielseitig und gewandt wie irgend ein Künstler seiner Zeit, scheint sich am Meisten in der Malerei zugetraut zu haben. Unser Urtheil und unser Gefühl sind aber seinen Gemälden fast durchgängig abhold, während von seinen Gebäuden wenigstens zweie zu den besten seiner Zeit gehören.
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[343/0365]
Vignola und Vasari.
Rustica soll hier das Ländliche ausdrücken.) — Ob Porta del Popolo,
wenigstens die Aussenseite, dem Vignola mit grösserm Recht als dem
Michelangelo zugeschrieben wird, bleibe dahingestellt. — Bei Weitem
das Wichtigste, was von Vignola vorhanden, ist das grosse ebenfalls
farnesische Schloss Caprarola, dreissig Miglien von Rom, aussen
fünfeckig, innen mit rundem Hof, alle Gemächer mit historischen
Fresken ausgemalt von den Zuccheri. Ehemals ein Wallfahrtsort für
alle Künstler und Kunstfreunde, jetzt kaum je von Solchen besucht,
die ihr Leben in Rom zubringen. Auch der Verfasser hat das Ge-
bäude auf der Strasse von Rom nach Viterbo aus weiter Ferne an-
sehen müssen.
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Von Vignola’s Kirchenbauten ist das kleine Oratorium S. Andrea
an der Strasse nach Pontemolle die bekannteste; quadratischer Unter-
bau mit Pilastern, runder Oberbau mit niedriger Kuppel. Als land-
schaftlicher Gegenstand seit der Geburtstunde der modernen Land-
schaft überaus beliebt, hätte das kleine Gebäude selbst die Kritik
eines Milizia entwaffnen dürfen. — Die Kirche Madonna degli Angeli
in der Ebene unterhalb Assisi zeigt noch den grossartigen Grundriss
Vignola’s, Gewölbe und Kuppel aber sind neuer. — Endlich ist der
Gesù in Rom (1568) ein höchst einflussreiches Gebäude geworden;
hier zuerst war möglichste Höhe und Weite eines gewölbten Haupt-
schiffes und Beschränkung der Nebenschiffe auf abgeschlossene Capellen
in derjenigen Art und Weise durchgeführt, welche nachher der ganze
Barockstyl adoptirte. Frühere einschiffige Kirchen mit Capellenreihen,
deren wir eine Menge angeführt haben, gewähren im Verhältniss den
Capellen eine viel grössere Tiefe und dafür dem Hauptschiff eine ge-
ringere Breite. Die nächste bedeutende Wirkung äusserte der Gesù auf
Maderna’s schon erwähnten Ausbau von S. Peter (Seite 337).
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Giorgio Vasari (1572—1574), unschätzbar als Kunstschrift-
steller, vielseitig und gewandt wie irgend ein Künstler seiner Zeit,
scheint sich am Meisten in der Malerei zugetraut zu haben. Unser
Urtheil und unser Gefühl sind aber seinen Gemälden fast durchgängig
abhold, während von seinen Gebäuden wenigstens zweie zu den besten
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/365>, abgerufen am 05.12.2024.
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