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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Architektur von 1540 bis 1580.

Alle Treppen Bramante's und der Florentiner sind daneben steil
und schmal. Genua suchte fortan wie schon früher in den Vestibulen
und Treppen den Ersatz für die Kleinheit der Höfe; man unterbrach
willig jede vordere Verbindung der untern Stockwerke, um dieser
Partie auf jede Weise Nachdruck und Majestät zu geben; der per-
spectivische Durchblick zwischen den Säulen der Treppenhalle oder
des Hofes wurde selbst bei den engsten Dimensionen eine Hauptsache;
wo möglich kam hinten als Schlusspunkt eine Brunnennische zu stehen.
An der Strada nuova thaten einander die Besitzer den Gefallen, ge-
meinschaftliche Hauptaxen mit den je gegenüberliegenden Gebäuden
anzunehmen, sodass die Durchblicke durch die Portale sich verdoppeln.


Gleichzeitig etwa mit Castello war in Genua der Peruginer Ga-
leazzo Alessi
(1500--1572) aufgetreten, der in Rom mit Michel-
angelo in Verkehr gestanden hatte, seinem Wesen nach aber mit dem
nur wenig jüngern Vignola parallel erscheint. Sein Verdienst ist
demjenigen der meisten grossen Baumeister dieser Zeit analog: wenig
bekümmert um den organischen Specialwerth des Details, jeder Auf-
gabe durch Anordnung und Verhältnisse eine grosse Physiognomie
abgewonnen zu haben. Wo es darauf ankam, wo Raum und Mittel
(und guter Wille des Bauherrn) vorhanden waren, konnte er auch
im Detail reich und elegant sein, wie kein anderer Baumeister des
abeginnenden Barockstyls; der schöne Pal. Marini in Mailand, sowohl
Fassade als Hof, übt in den ausartenden Einzelformen noch den Zauber
der Frührenaissance1). Von seinen genuesischen Bauten im Ganzen
gilt diess weniger; er fügte sich in die wirklich vorhandenen und in
die bloss angenommenen Verhältnisse; auch sein Säulenbau ist kaum
edler als der der Andern. Allein er behandelte was er gab, gross-
artig und besonnen, und wo man ihm Licht und Raum gönnte, schuf
er Werke die in dieser Art kaum mehr ihres Gleichen haben.

b

Am Dom gehört ihm nur die einfache achteckige Kuppel und die
Pilasterstellung darunter (1567); die Chorverkleidung soll ihm der

1) *Die Kirche S. Vittore daselbst ist, wenn ich mich recht erinnere, innen mit
**neuerer Stucchirung versehen; die Fassade von S. Celso auffallend barock.
Architektur von 1540 bis 1580.

Alle Treppen Bramante’s und der Florentiner sind daneben steil
und schmal. Genua suchte fortan wie schon früher in den Vestibulen
und Treppen den Ersatz für die Kleinheit der Höfe; man unterbrach
willig jede vordere Verbindung der untern Stockwerke, um dieser
Partie auf jede Weise Nachdruck und Majestät zu geben; der per-
spectivische Durchblick zwischen den Säulen der Treppenhalle oder
des Hofes wurde selbst bei den engsten Dimensionen eine Hauptsache;
wo möglich kam hinten als Schlusspunkt eine Brunnennische zu stehen.
An der Strada nuova thaten einander die Besitzer den Gefallen, ge-
meinschaftliche Hauptaxen mit den je gegenüberliegenden Gebäuden
anzunehmen, sodass die Durchblicke durch die Portale sich verdoppeln.


Gleichzeitig etwa mit Castello war in Genua der Peruginer Ga-
leazzo Alessi
(1500—1572) aufgetreten, der in Rom mit Michel-
angelo in Verkehr gestanden hatte, seinem Wesen nach aber mit dem
nur wenig jüngern Vignola parallel erscheint. Sein Verdienst ist
demjenigen der meisten grossen Baumeister dieser Zeit analog: wenig
bekümmert um den organischen Specialwerth des Details, jeder Auf-
gabe durch Anordnung und Verhältnisse eine grosse Physiognomie
abgewonnen zu haben. Wo es darauf ankam, wo Raum und Mittel
(und guter Wille des Bauherrn) vorhanden waren, konnte er auch
im Detail reich und elegant sein, wie kein anderer Baumeister des
abeginnenden Barockstyls; der schöne Pal. Marini in Mailand, sowohl
Fassade als Hof, übt in den ausartenden Einzelformen noch den Zauber
der Frührenaissance1). Von seinen genuesischen Bauten im Ganzen
gilt diess weniger; er fügte sich in die wirklich vorhandenen und in
die bloss angenommenen Verhältnisse; auch sein Säulenbau ist kaum
edler als der der Andern. Allein er behandelte was er gab, gross-
artig und besonnen, und wo man ihm Licht und Raum gönnte, schuf
er Werke die in dieser Art kaum mehr ihres Gleichen haben.

b

Am Dom gehört ihm nur die einfache achteckige Kuppel und die
Pilasterstellung darunter (1567); die Chorverkleidung soll ihm der

1) *Die Kirche S. Vittore daselbst ist, wenn ich mich recht erinnere, innen mit
**neuerer Stucchirung versehen; die Fassade von S. Celso auffallend barock.
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[350/0372] Architektur von 1540 bis 1580. Alle Treppen Bramante’s und der Florentiner sind daneben steil und schmal. Genua suchte fortan wie schon früher in den Vestibulen und Treppen den Ersatz für die Kleinheit der Höfe; man unterbrach willig jede vordere Verbindung der untern Stockwerke, um dieser Partie auf jede Weise Nachdruck und Majestät zu geben; der per- spectivische Durchblick zwischen den Säulen der Treppenhalle oder des Hofes wurde selbst bei den engsten Dimensionen eine Hauptsache; wo möglich kam hinten als Schlusspunkt eine Brunnennische zu stehen. An der Strada nuova thaten einander die Besitzer den Gefallen, ge- meinschaftliche Hauptaxen mit den je gegenüberliegenden Gebäuden anzunehmen, sodass die Durchblicke durch die Portale sich verdoppeln. Gleichzeitig etwa mit Castello war in Genua der Peruginer Ga- leazzo Alessi (1500—1572) aufgetreten, der in Rom mit Michel- angelo in Verkehr gestanden hatte, seinem Wesen nach aber mit dem nur wenig jüngern Vignola parallel erscheint. Sein Verdienst ist demjenigen der meisten grossen Baumeister dieser Zeit analog: wenig bekümmert um den organischen Specialwerth des Details, jeder Auf- gabe durch Anordnung und Verhältnisse eine grosse Physiognomie abgewonnen zu haben. Wo es darauf ankam, wo Raum und Mittel (und guter Wille des Bauherrn) vorhanden waren, konnte er auch im Detail reich und elegant sein, wie kein anderer Baumeister des beginnenden Barockstyls; der schöne Pal. Marini in Mailand, sowohl Fassade als Hof, übt in den ausartenden Einzelformen noch den Zauber der Frührenaissance 1). Von seinen genuesischen Bauten im Ganzen gilt diess weniger; er fügte sich in die wirklich vorhandenen und in die bloss angenommenen Verhältnisse; auch sein Säulenbau ist kaum edler als der der Andern. Allein er behandelte was er gab, gross- artig und besonnen, und wo man ihm Licht und Raum gönnte, schuf er Werke die in dieser Art kaum mehr ihres Gleichen haben. a Am Dom gehört ihm nur die einfache achteckige Kuppel und die Pilasterstellung darunter (1567); die Chorverkleidung soll ihm der 1) Die Kirche S. Vittore daselbst ist, wenn ich mich recht erinnere, innen mit neuerer Stucchirung versehen; die Fassade von S. Celso auffallend barock.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/372>, abgerufen am 05.12.2024.