über welchem sich bisweilen einige Zierrathen zeigen. Auch ihr Ge- bälk fällt mehr oder weniger der Willkür anheim.
Von römisch-ionischer Ordnung besitzen wir noch ein gutes und frühes, aber sehr durch Verwitterung und moderne Verkleisterung aentstelltes Beispiel, den sog. Tempel der Fortuna virilis zu Rom. Die Voluten, seitwärts mit Blattwerk verziert, haben allerdings schon ziemlich todte, unelastische Spiralen; dafür zeigt der Fries noch an- muthige Laubgewinde und das Kranzgesimse seine Löwenköpfe. bDer kleine Sibyllentempel in Tivoli hat noch seine viersäulige cVorhalle. -- Der schon erwähnte Tempel Vespasians, am Auf- gang zum Forum, ist bei einer höchst nachlässigen Restauration des III. oder IV. Jahrhunderts mit jenen oben (S. 8. Anm.) geschilderten ionischen Bastardcapitälen versehen worden. Seine Granitsäulen, schon früher nie cannelirt, wurden in ungehöriger Aufeinanderfolge der Stücke zusammengeflickt. Von den Bauten in Pompeji ist wenigstens die dinnere Säulenstellung des Jupitertempels leidlich ionisch; sonst herrscht dort die Bastardordnung fast ausschliesslich vor.
Die schönern römisch-ionischen Tempel leben fast nur noch in je- nen Sammlungen verschleppter Fragmente fort. Man wird wohl nirgends mehr eine solche Auswahl guter ionischer Capitäle beisammen finden, ewie über den Säulen von S. Maria in Trastevere; einzelne haben noch einen fast griechischen Schwung, andere sind durch reiche Zierrathen, ja durch Figuren, welche aus den Voluten und an der Deckplatte herausquellen, interessant. Ob die Menge verschiedener antiker Con- solen, welche am Gebälke derselben Kirche angebracht sind, von den- selben Gebäuden herrühren, ist begreiflicher Weise nicht zu ermitteln. (Ein schönes römisch-ionisches Capitäl u. a. im grossen Saal des Pa- flazzo Farnese. Zu den besten Bastardcapitälen dieser Ordnung mit gvier Eckvoluten gehören diejenigen in S. Maria in Cosmedin, an der Wand links.)
Weit das Vorherrschende im ganzen römischen Tempelbau, ja im Bauwesen überhaupt, ist die korinthische Ordnung. So selten ihre Formen in vollkommener Reinheit auftreten, so oft wird man da-
Architektur. Römisch-ionische Tempel.
über welchem sich bisweilen einige Zierrathen zeigen. Auch ihr Ge- bälk fällt mehr oder weniger der Willkür anheim.
Von römisch-ionischer Ordnung besitzen wir noch ein gutes und frühes, aber sehr durch Verwitterung und moderne Verkleisterung aentstelltes Beispiel, den sog. Tempel der Fortuna virilis zu Rom. Die Voluten, seitwärts mit Blattwerk verziert, haben allerdings schon ziemlich todte, unelastische Spiralen; dafür zeigt der Fries noch an- muthige Laubgewinde und das Kranzgesimse seine Löwenköpfe. bDer kleine Sibyllentempel in Tivoli hat noch seine viersäulige cVorhalle. — Der schon erwähnte Tempel Vespasians, am Auf- gang zum Forum, ist bei einer höchst nachlässigen Restauration des III. oder IV. Jahrhunderts mit jenen oben (S. 8. Anm.) geschilderten ionischen Bastardcapitälen versehen worden. Seine Granitsäulen, schon früher nie cannelirt, wurden in ungehöriger Aufeinanderfolge der Stücke zusammengeflickt. Von den Bauten in Pompeji ist wenigstens die dinnere Säulenstellung des Jupitertempels leidlich ionisch; sonst herrscht dort die Bastardordnung fast ausschliesslich vor.
Die schönern römisch-ionischen Tempel leben fast nur noch in je- nen Sammlungen verschleppter Fragmente fort. Man wird wohl nirgends mehr eine solche Auswahl guter ionischer Capitäle beisammen finden, ewie über den Säulen von S. Maria in Trastevere; einzelne haben noch einen fast griechischen Schwung, andere sind durch reiche Zierrathen, ja durch Figuren, welche aus den Voluten und an der Deckplatte herausquellen, interessant. Ob die Menge verschiedener antiker Con- solen, welche am Gebälke derselben Kirche angebracht sind, von den- selben Gebäuden herrühren, ist begreiflicher Weise nicht zu ermitteln. (Ein schönes römisch-ionisches Capitäl u. a. im grossen Saal des Pa- flazzo Farnese. Zu den besten Bastardcapitälen dieser Ordnung mit gvier Eckvoluten gehören diejenigen in S. Maria in Cosmedin, an der Wand links.)
Weit das Vorherrschende im ganzen römischen Tempelbau, ja im Bauwesen überhaupt, ist die korinthische Ordnung. So selten ihre Formen in vollkommener Reinheit auftreten, so oft wird man da-
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[16/0038]
Architektur. Römisch-ionische Tempel.
über welchem sich bisweilen einige Zierrathen zeigen. Auch ihr Ge-
bälk fällt mehr oder weniger der Willkür anheim.
Von römisch-ionischer Ordnung besitzen wir noch ein gutes
und frühes, aber sehr durch Verwitterung und moderne Verkleisterung
entstelltes Beispiel, den sog. Tempel der Fortuna virilis zu Rom.
Die Voluten, seitwärts mit Blattwerk verziert, haben allerdings schon
ziemlich todte, unelastische Spiralen; dafür zeigt der Fries noch an-
muthige Laubgewinde und das Kranzgesimse seine Löwenköpfe.
Der kleine Sibyllentempel in Tivoli hat noch seine viersäulige
Vorhalle. — Der schon erwähnte Tempel Vespasians, am Auf-
gang zum Forum, ist bei einer höchst nachlässigen Restauration des
III. oder IV. Jahrhunderts mit jenen oben (S. 8. Anm.) geschilderten
ionischen Bastardcapitälen versehen worden. Seine Granitsäulen, schon
früher nie cannelirt, wurden in ungehöriger Aufeinanderfolge der Stücke
zusammengeflickt. Von den Bauten in Pompeji ist wenigstens die
innere Säulenstellung des Jupitertempels leidlich ionisch; sonst herrscht
dort die Bastardordnung fast ausschliesslich vor.
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Die schönern römisch-ionischen Tempel leben fast nur noch in je-
nen Sammlungen verschleppter Fragmente fort. Man wird wohl nirgends
mehr eine solche Auswahl guter ionischer Capitäle beisammen finden,
wie über den Säulen von S. Maria in Trastevere; einzelne haben noch
einen fast griechischen Schwung, andere sind durch reiche Zierrathen,
ja durch Figuren, welche aus den Voluten und an der Deckplatte
herausquellen, interessant. Ob die Menge verschiedener antiker Con-
solen, welche am Gebälke derselben Kirche angebracht sind, von den-
selben Gebäuden herrühren, ist begreiflicher Weise nicht zu ermitteln.
(Ein schönes römisch-ionisches Capitäl u. a. im grossen Saal des Pa-
lazzo Farnese. Zu den besten Bastardcapitälen dieser Ordnung mit
vier Eckvoluten gehören diejenigen in S. Maria in Cosmedin, an der
Wand links.)
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Weit das Vorherrschende im ganzen römischen Tempelbau, ja im
Bauwesen überhaupt, ist die korinthische Ordnung. So selten ihre
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/38>, abgerufen am 04.12.2024.
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