wenigstens die nicht zu verderbende Raumschönheit eines so gestal- ateten Innern. An dem besten derartigen Bau des vorigen Jahrhun- derts, an dem herrlichen Dom von Brescia, von welchem noch weiter die Rede sein wird, ist jener Hauptvortheil, die Herrschaft der Kuppel über das ganze Äussere, ohne Noth Preis gegeben, und zwar bloss zu Gunsten jener ungeheuern vorgesetzten Fassade (S. 374, b). Allerdings ist die Kuppel das späteste, allein sie war von jeher beab- sichtigt. Von den Armen des griechischen Kreuzes ist hier der hin- terste (Chor) beträchtlich verlängert. (Ferrara, vgl. S. 211, d und e.)
Für einzelne besonders angebaute Prachtcapellen wurde das griechische Kreuz die beinahe allein übliche Form, nur dass die Kup- pel sehr die Hauptsache ausmacht, und die vier Arme mit ihren Tonnengewölben ihr nur als Stützbogen dienen. Capellen wie diejenigen bSixtus V und Pauls V in S. Maria maggiore zu Rom wurden schon durch ihre Pracht mustergültige Vorbilder; ein wahrhaft schöner Bau cist aber die eben so reiche, nur weniger bunte Cap. Corsini im La- teran. (Die Cap. Corsini im Carmine zu Florenz, 1675 von Silvani erbaut, gehört ebenfalls zu den bessern dieser Art.) Die ausgeschweif- ten Grundpläne borrominesker Capellen, die meist auf Ellipsen zu- rückzuführen sind, zeigen erst den wahren Werth des griechischen Kreuzes.
Allein der Gottesdienst war so sehr an Langbauten und auch an deren Verbindung mit Kuppeln über der Kreuzung gewöhnt, dass eine Art von mittlerem Ausweg für längere Zeit zur Regel wurde. Es ist hier wieder an Vignola und an seine Kirche del Gesu in Rom zu erinnern (S. 343, e). Wenn schon einer der nächsten Schüler Michel- gangelo's, Giacomo della Porta, beim Bau von S. Maria a' monti sich diesem Vorbild im Ganzen anschloss, wenn dann Maderna's vor- deres Langhaus von S. Peter mit einer (trotz der Nebenschiffe) ana- logen Anlage das natürliche Muster für hunderte von Kirchen noth- wendig werden musste, so kann die grosse Verbreitung dieses Systemes nicht mehr befremden.
Das Innere der Barockkirchen wird, wie schon vorläufig ange- deutet, vorzugsweise 1) ein Weitbau und 2) ein Hochbau.
Der Barockstyl.
wenigstens die nicht zu verderbende Raumschönheit eines so gestal- ateten Innern. An dem besten derartigen Bau des vorigen Jahrhun- derts, an dem herrlichen Dom von Brescia, von welchem noch weiter die Rede sein wird, ist jener Hauptvortheil, die Herrschaft der Kuppel über das ganze Äussere, ohne Noth Preis gegeben, und zwar bloss zu Gunsten jener ungeheuern vorgesetzten Fassade (S. 374, b). Allerdings ist die Kuppel das späteste, allein sie war von jeher beab- sichtigt. Von den Armen des griechischen Kreuzes ist hier der hin- terste (Chor) beträchtlich verlängert. (Ferrara, vgl. S. 211, d und e.)
Für einzelne besonders angebaute Prachtcapellen wurde das griechische Kreuz die beinahe allein übliche Form, nur dass die Kup- pel sehr die Hauptsache ausmacht, und die vier Arme mit ihren Tonnengewölben ihr nur als Stützbogen dienen. Capellen wie diejenigen bSixtus V und Pauls V in S. Maria maggiore zu Rom wurden schon durch ihre Pracht mustergültige Vorbilder; ein wahrhaft schöner Bau cist aber die eben so reiche, nur weniger bunte Cap. Corsini im La- teran. (Die Cap. Corsini im Carmine zu Florenz, 1675 von Silvani erbaut, gehört ebenfalls zu den bessern dieser Art.) Die ausgeschweif- ten Grundpläne borrominesker Capellen, die meist auf Ellipsen zu- rückzuführen sind, zeigen erst den wahren Werth des griechischen Kreuzes.
Allein der Gottesdienst war so sehr an Langbauten und auch an deren Verbindung mit Kuppeln über der Kreuzung gewöhnt, dass eine Art von mittlerem Ausweg für längere Zeit zur Regel wurde. Es ist hier wieder an Vignola und an seine Kirche del Gesù in Rom zu erinnern (S. 343, e). Wenn schon einer der nächsten Schüler Michel- gangelo’s, Giacomo della Porta, beim Bau von S. Maria a’ monti sich diesem Vorbild im Ganzen anschloss, wenn dann Maderna’s vor- deres Langhaus von S. Peter mit einer (trotz der Nebenschiffe) ana- logen Anlage das natürliche Muster für hunderte von Kirchen noth- wendig werden musste, so kann die grosse Verbreitung dieses Systemes nicht mehr befremden.
Das Innere der Barockkirchen wird, wie schon vorläufig ange- deutet, vorzugsweise 1) ein Weitbau und 2) ein Hochbau.
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Der Barockstyl.
wenigstens die nicht zu verderbende Raumschönheit eines so gestal-
teten Innern. An dem besten derartigen Bau des vorigen Jahrhun-
derts, an dem herrlichen Dom von Brescia, von welchem noch
weiter die Rede sein wird, ist jener Hauptvortheil, die Herrschaft der
Kuppel über das ganze Äussere, ohne Noth Preis gegeben, und zwar
bloss zu Gunsten jener ungeheuern vorgesetzten Fassade (S. 374, b).
Allerdings ist die Kuppel das späteste, allein sie war von jeher beab-
sichtigt. Von den Armen des griechischen Kreuzes ist hier der hin-
terste (Chor) beträchtlich verlängert. (Ferrara, vgl. S. 211, d und e.)
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Für einzelne besonders angebaute Prachtcapellen wurde das
griechische Kreuz die beinahe allein übliche Form, nur dass die Kup-
pel sehr die Hauptsache ausmacht, und die vier Arme mit ihren
Tonnengewölben ihr nur als Stützbogen dienen. Capellen wie diejenigen
Sixtus V und Pauls V in S. Maria maggiore zu Rom wurden schon
durch ihre Pracht mustergültige Vorbilder; ein wahrhaft schöner Bau
ist aber die eben so reiche, nur weniger bunte Cap. Corsini im La-
teran. (Die Cap. Corsini im Carmine zu Florenz, 1675 von Silvani
erbaut, gehört ebenfalls zu den bessern dieser Art.) Die ausgeschweif-
ten Grundpläne borrominesker Capellen, die meist auf Ellipsen zu-
rückzuführen sind, zeigen erst den wahren Werth des griechischen
Kreuzes.
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Allein der Gottesdienst war so sehr an Langbauten und auch an
deren Verbindung mit Kuppeln über der Kreuzung gewöhnt, dass eine
Art von mittlerem Ausweg für längere Zeit zur Regel wurde. Es ist
hier wieder an Vignola und an seine Kirche del Gesù in Rom zu
erinnern (S. 343, e). Wenn schon einer der nächsten Schüler Michel-
angelo’s, Giacomo della Porta, beim Bau von S. Maria a’ monti
sich diesem Vorbild im Ganzen anschloss, wenn dann Maderna’s vor-
deres Langhaus von S. Peter mit einer (trotz der Nebenschiffe) ana-
logen Anlage das natürliche Muster für hunderte von Kirchen noth-
wendig werden musste, so kann die grosse Verbreitung dieses Systemes
nicht mehr befremden.
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Das Innere der Barockkirchen wird, wie schon vorläufig ange-
deutet, vorzugsweise 1) ein Weitbau und 2) ein Hochbau.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/400>, abgerufen am 05.12.2024.
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