nehmere Orden, die ihren Gottesdienst so zu sagen nur für sich halten und keine Gemeinde um sich zu sammeln suchen, bauten sich wohl- räumige, weisse Kirchen, in welchen nur der Marmorboden und die Ausstattung der Altäre den Reichthum verrathen. So in Rom S. Gre-a gorio (Camaldulenser), SS. Giovanni e Paolo (ehemals Jesuaten) etc. Die Carthäuser dagegen scheinen für ihre noch grössere Abschliessung einen Ersatz in der vollen Pracht der Kirchen zu suchen. Die Je- suiten endlich sind für die bunte Überladung der ganzen Decora- tion sprichwörtlich geworden. Es ist nicht zu läugnen, dass manche ihrer Kirchen hierin wahre Extreme sind und dass der Pater Pozzo ihrem Orden angehörte. Nur darf man diess nicht so verstehen, als hätte es eine speciell jesuitische Kunst gegeben. Je nach den Bau- meistern (die nur geringsten Theiles vom Orden waren) sind ihre Kirchen sehr verschieden und selbst die buntesten sind mit einer con- sequenten Solidität verziert, welche andern Kirchen oft fehlt.
Das malerische Grundgefühl des Barockstyls, welches so viel Abwechselung in Haupt- und Nebenformen verlangte, als sich irgend mit der unentbehrlichen Bedingung aller Architektur (der mechanischen Wahrscheinlichkeit) vereinigen liess, musste in der Decoration sein volles Genüge und seinen Untergang finden. Das Übel ist nicht die Buntheit an sich, denn diese könnte ein strenge geschlossenes System bilden, sondern das Missverhältniss der einzelnen Decora- tionsweisen zu einander.
Schon in dem architektonischen Theil zeigt sich die Rastlosigkeit, welche kein Stückchen Wand mehr als blosse Wand existiren lässt. Was neben den Altären übrig bleibt, wird zu Nischen verarbeitet, deren Grösse und Gestalt zu der umgebenden Pilasterordnung -- sei es die des Hauptschiffes oder die der Capellen -- in gar keinem rationellen, nothwendigen Verhältniss steht. Wesshalb denn auch grössere und kleinere abwechseln. Oft klemmen zwei Pilaster eine obere und eine untere Nische in ihre Mitte ein; es genügt, die Pfeiler des Schiffes von S. Peter mit einem Pfeiler Palladio's, z. B. im Re-b dentore zu Venedig zu vergleichen, um zu sehen, wie eine Nische als blosser Lückenbüsser und wie anders sie als ernsthaftes Motiv wirkt. (Wobei wir die höchst bizarre Einfassung mancher Nischen nicht ein- mal in Betracht ziehen.)
Beleuchtung. Decoration. Jesuitenstyl.
nehmere Orden, die ihren Gottesdienst so zu sagen nur für sich halten und keine Gemeinde um sich zu sammeln suchen, bauten sich wohl- räumige, weisse Kirchen, in welchen nur der Marmorboden und die Ausstattung der Altäre den Reichthum verrathen. So in Rom S. Gre-a gorio (Camaldulenser), SS. Giovanni e Paolo (ehemals Jesuaten) etc. Die Carthäuser dagegen scheinen für ihre noch grössere Abschliessung einen Ersatz in der vollen Pracht der Kirchen zu suchen. Die Je- suiten endlich sind für die bunte Überladung der ganzen Decora- tion sprichwörtlich geworden. Es ist nicht zu läugnen, dass manche ihrer Kirchen hierin wahre Extreme sind und dass der Pater Pozzo ihrem Orden angehörte. Nur darf man diess nicht so verstehen, als hätte es eine speciell jesuitische Kunst gegeben. Je nach den Bau- meistern (die nur geringsten Theiles vom Orden waren) sind ihre Kirchen sehr verschieden und selbst die buntesten sind mit einer con- sequenten Solidität verziert, welche andern Kirchen oft fehlt.
Das malerische Grundgefühl des Barockstyls, welches so viel Abwechselung in Haupt- und Nebenformen verlangte, als sich irgend mit der unentbehrlichen Bedingung aller Architektur (der mechanischen Wahrscheinlichkeit) vereinigen liess, musste in der Decoration sein volles Genüge und seinen Untergang finden. Das Übel ist nicht die Buntheit an sich, denn diese könnte ein strenge geschlossenes System bilden, sondern das Missverhältniss der einzelnen Decora- tionsweisen zu einander.
Schon in dem architektonischen Theil zeigt sich die Rastlosigkeit, welche kein Stückchen Wand mehr als blosse Wand existiren lässt. Was neben den Altären übrig bleibt, wird zu Nischen verarbeitet, deren Grösse und Gestalt zu der umgebenden Pilasterordnung — sei es die des Hauptschiffes oder die der Capellen — in gar keinem rationellen, nothwendigen Verhältniss steht. Wesshalb denn auch grössere und kleinere abwechseln. Oft klemmen zwei Pilaster eine obere und eine untere Nische in ihre Mitte ein; es genügt, die Pfeiler des Schiffes von S. Peter mit einem Pfeiler Palladio’s, z. B. im Re-b dentore zu Venedig zu vergleichen, um zu sehen, wie eine Nische als blosser Lückenbüsser und wie anders sie als ernsthaftes Motiv wirkt. (Wobei wir die höchst bizarre Einfassung mancher Nischen nicht ein- mal in Betracht ziehen.)
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Beleuchtung. Decoration. Jesuitenstyl.
nehmere Orden, die ihren Gottesdienst so zu sagen nur für sich halten
und keine Gemeinde um sich zu sammeln suchen, bauten sich wohl-
räumige, weisse Kirchen, in welchen nur der Marmorboden und die
Ausstattung der Altäre den Reichthum verrathen. So in Rom S. Gre-
gorio (Camaldulenser), SS. Giovanni e Paolo (ehemals Jesuaten) etc.
Die Carthäuser dagegen scheinen für ihre noch grössere Abschliessung
einen Ersatz in der vollen Pracht der Kirchen zu suchen. Die Je-
suiten endlich sind für die bunte Überladung der ganzen Decora-
tion sprichwörtlich geworden. Es ist nicht zu läugnen, dass manche
ihrer Kirchen hierin wahre Extreme sind und dass der Pater Pozzo
ihrem Orden angehörte. Nur darf man diess nicht so verstehen, als
hätte es eine speciell jesuitische Kunst gegeben. Je nach den Bau-
meistern (die nur geringsten Theiles vom Orden waren) sind ihre
Kirchen sehr verschieden und selbst die buntesten sind mit einer con-
sequenten Solidität verziert, welche andern Kirchen oft fehlt.
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Das malerische Grundgefühl des Barockstyls, welches so viel
Abwechselung in Haupt- und Nebenformen verlangte, als sich irgend
mit der unentbehrlichen Bedingung aller Architektur (der mechanischen
Wahrscheinlichkeit) vereinigen liess, musste in der Decoration sein
volles Genüge und seinen Untergang finden. Das Übel ist nicht die
Buntheit an sich, denn diese könnte ein strenge geschlossenes System
bilden, sondern das Missverhältniss der einzelnen Decora-
tionsweisen zu einander.
Schon in dem architektonischen Theil zeigt sich die Rastlosigkeit,
welche kein Stückchen Wand mehr als blosse Wand existiren lässt.
Was neben den Altären übrig bleibt, wird zu Nischen verarbeitet,
deren Grösse und Gestalt zu der umgebenden Pilasterordnung — sei
es die des Hauptschiffes oder die der Capellen — in gar keinem
rationellen, nothwendigen Verhältniss steht. Wesshalb denn auch
grössere und kleinere abwechseln. Oft klemmen zwei Pilaster eine
obere und eine untere Nische in ihre Mitte ein; es genügt, die Pfeiler
des Schiffes von S. Peter mit einem Pfeiler Palladio’s, z. B. im Re-
dentore zu Venedig zu vergleichen, um zu sehen, wie eine Nische als
blosser Lückenbüsser und wie anders sie als ernsthaftes Motiv wirkt.
(Wobei wir die höchst bizarre Einfassung mancher Nischen nicht ein-
mal in Betracht ziehen.)
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/405>, abgerufen am 05.12.2024.
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