Im Relief verlangte der Tempelstyl die möglichste Symmetrie selbst in der Bewegung und eine gleiche Entfernung gleichbedeuten- der Figuren von einander. -- Unter den schönern Arbeiten dieser Art asind zu nennen: ein Altar mit bacchischen Figuren und ein (vielleicht doch uraltes?) Relief der drei Grazien im Museo Chiaramonti (Vati- bcan); -- ein viereckiger Zwölfgötteraltar im sog. Kaffehaus der Villa Albani; -- eine Platte mit vier Göttern im Zimmer der Reliefs ebenda; Apolls Erscheinung beim Tempel zu Delphi, über der Thür des Haupt- csaales ebenda; -- ein runder Zwölfgötteraltar in der obern Galerie des capitolinischen Museums; u. A. m.
Wie will man aber beweisen, dass diese Arbeiten nicht wirklich uralt, sondern blosse Nachbildungen in einem veralteten Style sind? Es dauerte in der That lange, bis die Archäologie in dieser Sache klar sah. Jetzt kann sich jedes fähige Auge überzeugen, dass die betreffenden Bildhauer eben doch nicht allen Reizmitteln der Kunst ihrer Zeit entsagen mochten, dass sie die Härte der alten Musculatur, den sonderbaren Ausdruck der Köpfe wesentlich milderten und dass auf diese Weise ein sehr merklicher Widerspruch zwischen der alter- thümlichen Auffassung und der weichen Ausführung in das Werk hineinkam. Bisweilen wird es dem Beschauer noch leichter gemacht, dwenn z. B. eines der erwähnten Reliefs (im Hauptsaal der Villa Al- bani und anderswo), welches Apolls Trankopfer nach dem Siege im Kitharspiel darstellt, einen korinthischen Tempel zum Hintergrunde hat. Hier springt der Anachronismus in die Augen, weil Jedermann weiss, dass diese Säulenordnung ungleich spätern Ursprunges ist als dieser Sculpturstyl zu sein vorgiebt.
In den Typen der Götter herrscht nun hier, wie sich von selber versteht, eine ältere Art. Die männlichen Gestalten erscheinen in der Regel bejahrt, selbst Hermes und Dionysos bärtig; die Bekleidung ist im Ganzen vollständiger und anders anschliessend; mancher einzelne Schmuck macht sich geltend, dessen die vollendete Kunst entbehren konnte. Das Nähere muss hier übergangen werden.
Lange Zeit nannte man diesen Styl mit Unrecht den etruski- schen. Allerdings kam er in den Fundorten Etruriens, das über-
Antike Sculptur. Tempelstyl.
Im Relief verlangte der Tempelstyl die möglichste Symmetrie selbst in der Bewegung und eine gleiche Entfernung gleichbedeuten- der Figuren von einander. — Unter den schönern Arbeiten dieser Art asind zu nennen: ein Altar mit bacchischen Figuren und ein (vielleicht doch uraltes?) Relief der drei Grazien im Museo Chiaramonti (Vati- bcan); — ein viereckiger Zwölfgötteraltar im sog. Kaffehaus der Villa Albani; — eine Platte mit vier Göttern im Zimmer der Reliefs ebenda; Apolls Erscheinung beim Tempel zu Delphi, über der Thür des Haupt- csaales ebenda; — ein runder Zwölfgötteraltar in der obern Galerie des capitolinischen Museums; u. A. m.
Wie will man aber beweisen, dass diese Arbeiten nicht wirklich uralt, sondern blosse Nachbildungen in einem veralteten Style sind? Es dauerte in der That lange, bis die Archäologie in dieser Sache klar sah. Jetzt kann sich jedes fähige Auge überzeugen, dass die betreffenden Bildhauer eben doch nicht allen Reizmitteln der Kunst ihrer Zeit entsagen mochten, dass sie die Härte der alten Musculatur, den sonderbaren Ausdruck der Köpfe wesentlich milderten und dass auf diese Weise ein sehr merklicher Widerspruch zwischen der alter- thümlichen Auffassung und der weichen Ausführung in das Werk hineinkam. Bisweilen wird es dem Beschauer noch leichter gemacht, dwenn z. B. eines der erwähnten Reliefs (im Hauptsaal der Villa Al- bani und anderswo), welches Apolls Trankopfer nach dem Siege im Kitharspiel darstellt, einen korinthischen Tempel zum Hintergrunde hat. Hier springt der Anachronismus in die Augen, weil Jedermann weiss, dass diese Säulenordnung ungleich spätern Ursprunges ist als dieser Sculpturstyl zu sein vorgiebt.
In den Typen der Götter herrscht nun hier, wie sich von selber versteht, eine ältere Art. Die männlichen Gestalten erscheinen in der Regel bejahrt, selbst Hermes und Dionysos bärtig; die Bekleidung ist im Ganzen vollständiger und anders anschliessend; mancher einzelne Schmuck macht sich geltend, dessen die vollendete Kunst entbehren konnte. Das Nähere muss hier übergangen werden.
Lange Zeit nannte man diesen Styl mit Unrecht den etruski- schen. Allerdings kam er in den Fundorten Etruriens, das über-
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Antike Sculptur. Tempelstyl.
Im Relief verlangte der Tempelstyl die möglichste Symmetrie
selbst in der Bewegung und eine gleiche Entfernung gleichbedeuten-
der Figuren von einander. — Unter den schönern Arbeiten dieser Art
sind zu nennen: ein Altar mit bacchischen Figuren und ein (vielleicht
doch uraltes?) Relief der drei Grazien im Museo Chiaramonti (Vati-
can); — ein viereckiger Zwölfgötteraltar im sog. Kaffehaus der Villa
Albani; — eine Platte mit vier Göttern im Zimmer der Reliefs ebenda;
Apolls Erscheinung beim Tempel zu Delphi, über der Thür des Haupt-
saales ebenda; — ein runder Zwölfgötteraltar in der obern Galerie
des capitolinischen Museums; u. A. m.
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Wie will man aber beweisen, dass diese Arbeiten nicht wirklich
uralt, sondern blosse Nachbildungen in einem veralteten Style sind?
Es dauerte in der That lange, bis die Archäologie in dieser Sache
klar sah. Jetzt kann sich jedes fähige Auge überzeugen, dass die
betreffenden Bildhauer eben doch nicht allen Reizmitteln der Kunst
ihrer Zeit entsagen mochten, dass sie die Härte der alten Musculatur,
den sonderbaren Ausdruck der Köpfe wesentlich milderten und dass
auf diese Weise ein sehr merklicher Widerspruch zwischen der alter-
thümlichen Auffassung und der weichen Ausführung in das Werk
hineinkam. Bisweilen wird es dem Beschauer noch leichter gemacht,
wenn z. B. eines der erwähnten Reliefs (im Hauptsaal der Villa Al-
bani und anderswo), welches Apolls Trankopfer nach dem Siege im
Kitharspiel darstellt, einen korinthischen Tempel zum Hintergrunde
hat. Hier springt der Anachronismus in die Augen, weil Jedermann
weiss, dass diese Säulenordnung ungleich spätern Ursprunges ist als
dieser Sculpturstyl zu sein vorgiebt.
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In den Typen der Götter herrscht nun hier, wie sich von selber
versteht, eine ältere Art. Die männlichen Gestalten erscheinen in der
Regel bejahrt, selbst Hermes und Dionysos bärtig; die Bekleidung ist
im Ganzen vollständiger und anders anschliessend; mancher einzelne
Schmuck macht sich geltend, dessen die vollendete Kunst entbehren
konnte. Das Nähere muss hier übergangen werden.
Lange Zeit nannte man diesen Styl mit Unrecht den etruski-
schen. Allerdings kam er in den Fundorten Etruriens, das über-
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 416. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/438>, abgerufen am 05.12.2024.
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