Säulen halb oder ganz zertrümmert sind; allein schon der Gedanke an das ehemalige Zusammenwirken der Tempel und ihrer Höfe mit Hallen und Wandnischen ergiebt einen grossen künstlerischen Genuss. (Tem-a pel der Venus, des Mercur oder Romulus, der Isis.) Man kann sichb genau überzeugen, aus welcher Entfernung der Baumeister seinen Tem- pel betrachtet wissen wollte, und wie wenig ihm der perspectivi- sche Reiz, der sich ja hier in so vielen Privathäusern auf einer an- dern Stufe wiederholt, etwas Gleichgültiges war. (Von dem hübschen Fortunentempel, welcher ohne Hof an einer Strassenecke frei heraus-c ragt, ist leider die Vorhalle ganz verschwunden.) Allerdings zeigt sich nur weniges von Stein und fast nichts von Marmor, aber das Ziegelwerk 1) ist fast durchgängig trefflich und der dick darauf getragene Mörtel und Stucco von einer Art, welche den Neid aller jetzigen Techniker erre- gen mag. Die Formen zeigen wohl oft, wie z. B. am Isistempel, eined barocke Ausartung, doch mehr die untergeordneten als die wesentlichen. Was die Hallen der Tempelhöfe (und der zum Verkehr bestimmten Räume überhaupt) betrifft, so vergesse man nicht, dass hier das Be- dürfniss weitere Zwischenräume zwischen den Säulen verlangte als man an der Säulenhalle des Tempels selbst gut heissen würde, und dass hier wahrsheinlich schon die Griechen selbst mit dem vernünftigen Bei- spiel vorangegangen waren. Sich zum Sklaven einmal geheiligter Bau- verhältnisse zu machen, sieht ihnen am allerwenigsten ähnlich.
Von Rundtempeln mit umgebender korinthischer Säulenhalle sind uns durch eine Gunst des Geschickes zwei verhältnissmässig gut erhaltene übrig geblieben, in welchen diese überaus reizende Bauform noch ihren ganzen Zauber ausspricht. Aus guter, vielleicht hadriani- scher Zeit stammt der Vestatempel zu Tivoli, welcher nicht nure die meisten seiner cannelirten Säulen, sondern auch die schöne Decke des Umganges mit ihren Cassetten und das Meiste des Gebälkes sammt
1) Das so hübsch aussehende "Opus reticulatum", welches hier und an andern Römerbauten überall vorkömmt -- schräg über einander liegende quadrati- sche Backsteinenden -- war nicht bestimmt gesehen zu werden, sondern den Mörtel zu tragen.
Tempel zu Pompeji. Rundtempel.
Säulen halb oder ganz zertrümmert sind; allein schon der Gedanke an das ehemalige Zusammenwirken der Tempel und ihrer Höfe mit Hallen und Wandnischen ergiebt einen grossen künstlerischen Genuss. (Tem-a pel der Venus, des Mercur oder Romulus, der Isis.) Man kann sichb genau überzeugen, aus welcher Entfernung der Baumeister seinen Tem- pel betrachtet wissen wollte, und wie wenig ihm der perspectivi- sche Reiz, der sich ja hier in so vielen Privathäusern auf einer an- dern Stufe wiederholt, etwas Gleichgültiges war. (Von dem hübschen Fortunentempel, welcher ohne Hof an einer Strassenecke frei heraus-c ragt, ist leider die Vorhalle ganz verschwunden.) Allerdings zeigt sich nur weniges von Stein und fast nichts von Marmor, aber das Ziegelwerk 1) ist fast durchgängig trefflich und der dick darauf getragene Mörtel und Stucco von einer Art, welche den Neid aller jetzigen Techniker erre- gen mag. Die Formen zeigen wohl oft, wie z. B. am Isistempel, eined barocke Ausartung, doch mehr die untergeordneten als die wesentlichen. Was die Hallen der Tempelhöfe (und der zum Verkehr bestimmten Räume überhaupt) betrifft, so vergesse man nicht, dass hier das Be- dürfniss weitere Zwischenräume zwischen den Säulen verlangte als man an der Säulenhalle des Tempels selbst gut heissen würde, und dass hier wahrsheinlich schon die Griechen selbst mit dem vernünftigen Bei- spiel vorangegangen waren. Sich zum Sklaven einmal geheiligter Bau- verhältnisse zu machen, sieht ihnen am allerwenigsten ähnlich.
Von Rundtempeln mit umgebender korinthischer Säulenhalle sind uns durch eine Gunst des Geschickes zwei verhältnissmässig gut erhaltene übrig geblieben, in welchen diese überaus reizende Bauform noch ihren ganzen Zauber ausspricht. Aus guter, vielleicht hadriani- scher Zeit stammt der Vestatempel zu Tivoli, welcher nicht nure die meisten seiner cannelirten Säulen, sondern auch die schöne Decke des Umganges mit ihren Cassetten und das Meiste des Gebälkes sammt
1) Das so hübsch aussehende „Opus reticulatum“, welches hier und an andern Römerbauten überall vorkömmt — schräg über einander liegende quadrati- sche Backsteinenden — war nicht bestimmt gesehen zu werden, sondern den Mörtel zu tragen.
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Tempel zu Pompeji. Rundtempel.
Säulen halb oder ganz zertrümmert sind; allein schon der Gedanke an
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und Wandnischen ergiebt einen grossen künstlerischen Genuss. (Tem-
pel der Venus, des Mercur oder Romulus, der Isis.) Man kann sich
genau überzeugen, aus welcher Entfernung der Baumeister seinen Tem-
pel betrachtet wissen wollte, und wie wenig ihm der perspectivi-
sche Reiz, der sich ja hier in so vielen Privathäusern auf einer an-
dern Stufe wiederholt, etwas Gleichgültiges war. (Von dem hübschen
Fortunentempel, welcher ohne Hof an einer Strassenecke frei heraus-
ragt, ist leider die Vorhalle ganz verschwunden.) Allerdings zeigt sich
nur weniges von Stein und fast nichts von Marmor, aber das Ziegelwerk 1)
ist fast durchgängig trefflich und der dick darauf getragene Mörtel und
Stucco von einer Art, welche den Neid aller jetzigen Techniker erre-
gen mag. Die Formen zeigen wohl oft, wie z. B. am Isistempel, eine
barocke Ausartung, doch mehr die untergeordneten als die wesentlichen.
Was die Hallen der Tempelhöfe (und der zum Verkehr bestimmten
Räume überhaupt) betrifft, so vergesse man nicht, dass hier das Be-
dürfniss weitere Zwischenräume zwischen den Säulen verlangte als man
an der Säulenhalle des Tempels selbst gut heissen würde, und dass
hier wahrsheinlich schon die Griechen selbst mit dem vernünftigen Bei-
spiel vorangegangen waren. Sich zum Sklaven einmal geheiligter Bau-
verhältnisse zu machen, sieht ihnen am allerwenigsten ähnlich.
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Von Rundtempeln mit umgebender korinthischer Säulenhalle
sind uns durch eine Gunst des Geschickes zwei verhältnissmässig gut
erhaltene übrig geblieben, in welchen diese überaus reizende Bauform
noch ihren ganzen Zauber ausspricht. Aus guter, vielleicht hadriani-
scher Zeit stammt der Vestatempel zu Tivoli, welcher nicht nur
die meisten seiner cannelirten Säulen, sondern auch die schöne Decke
des Umganges mit ihren Cassetten und das Meiste des Gebälkes sammt
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1) Das so hübsch aussehende „Opus reticulatum“, welches hier und an andern
Römerbauten überall vorkömmt — schräg über einander liegende quadrati-
sche Backsteinenden — war nicht bestimmt gesehen zu werden, sondern den
Mörtel zu tragen.
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/47>, abgerufen am 04.12.2024.
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