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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

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Die Robbia.

Sehr zahlreich sind sodann die Lunetten über Kirchen- und
Klosterportalen, welche bisweilen den besten Schmuck des Gebäudes
ausmachen. Von ganz kleinem Massstab bis zur Lebensgrösse fort-
schreitend, geben sie wohl das Bedeutendste von Einzelbildung, dessen
die Schule fähig war. Es sind die halben oder ganzen Figuren der
Madonna mit zwei oder mehrern Seitenheiligen, oder mit zwei an-
betenden Engeln, auch einzelne Ortsheilige mit Engeln u. A. m. --
eine sich immer wiederholende und in diesen Formen nie ermüdende
Gattung. Die Madonna ist bisweilen von einer Hoheit, die Heiligen
von einem tiefinnigen Ernst, die Engel von einer reizenden Holdselig-
keit, welche die meisten übrigen Sculpturen der Zeit in Vergessenheit
bringen können. Im Detail ist die Gewandung durchgängig das Ge-
ringere; die Bildung des Nackten dagegen, zumal der Hände, oft sehr
vorzüglich, freilich durch eine Haltung und Bewegung beseelt, welche
viel nachlässigere Arbeiten unvergänglich machen würde. -- Ausser
Stande, sie dem Styl nach zu ordnen, nennen wir nur die wichtigern
Lunetten:

Ognissanti in Florenz: Krönung Mariä.a

S. Lucia de' Magnoli: die Heilige mit zwei Engeln.b

Badia, Cap. in der Kirche links vom Eingang: eine ehemal. Thür-c
lunette, Mad. mit zwei Heiligen, aus den allerletzten Zeiten der Schule
(von einem gew. Baglioni?) und so schön als das Frühere.

Certosa, dritter Hof: S. Lorenz mit zwei Engeln.d

Innocenti, Eingang vom Hof in die Kirche: Verkündigung, mite
einem Halbkreis von Cherubim, eines der edelsten Hauptwerke.

Kirche Montalvo a Ripoli, Via della Scala: Mad. mit zwei Hei-f
ligen, ebenfalls von höchstem Werthe. (Im stets verschlossenen Innern
sollen noch zwei gute farbige Robbia sein.)

Dom: die Lunetten beider Sacristeithüren von Luca selbst, dieg
Himmelfahrt (1446) und die (viel bessere) Auferstehung; beide zeigen
ihn von der schwächern, nämlich von der dramatischen Seite.

S. Pierino (beim Mercato vecchio): Mad. mit zwei Engeln, sehrh
früh und von reiner Schönheit.

den Robbia zu vergleichen, vielmehr als gleichgültig decorirender Fries rings
um den Hof gelegt, der übrigens sammt Umgang immer ein sehenswerthes
Prachtstück bleibt.
B. Cicerone. 38
Die Robbia.

Sehr zahlreich sind sodann die Lunetten über Kirchen- und
Klosterportalen, welche bisweilen den besten Schmuck des Gebäudes
ausmachen. Von ganz kleinem Massstab bis zur Lebensgrösse fort-
schreitend, geben sie wohl das Bedeutendste von Einzelbildung, dessen
die Schule fähig war. Es sind die halben oder ganzen Figuren der
Madonna mit zwei oder mehrern Seitenheiligen, oder mit zwei an-
betenden Engeln, auch einzelne Ortsheilige mit Engeln u. A. m. —
eine sich immer wiederholende und in diesen Formen nie ermüdende
Gattung. Die Madonna ist bisweilen von einer Hoheit, die Heiligen
von einem tiefinnigen Ernst, die Engel von einer reizenden Holdselig-
keit, welche die meisten übrigen Sculpturen der Zeit in Vergessenheit
bringen können. Im Detail ist die Gewandung durchgängig das Ge-
ringere; die Bildung des Nackten dagegen, zumal der Hände, oft sehr
vorzüglich, freilich durch eine Haltung und Bewegung beseelt, welche
viel nachlässigere Arbeiten unvergänglich machen würde. — Ausser
Stande, sie dem Styl nach zu ordnen, nennen wir nur die wichtigern
Lunetten:

Ognissanti in Florenz: Krönung Mariä.a

S. Lucia de’ Magnoli: die Heilige mit zwei Engeln.b

Badia, Cap. in der Kirche links vom Eingang: eine ehemal. Thür-c
lunette, Mad. mit zwei Heiligen, aus den allerletzten Zeiten der Schule
(von einem gew. Baglioni?) und so schön als das Frühere.

Certosa, dritter Hof: S. Lorenz mit zwei Engeln.d

Innocenti, Eingang vom Hof in die Kirche: Verkündigung, mite
einem Halbkreis von Cherubim, eines der edelsten Hauptwerke.

Kirche Montalvo a Ripoli, Via della Scala: Mad. mit zwei Hei-f
ligen, ebenfalls von höchstem Werthe. (Im stets verschlossenen Innern
sollen noch zwei gute farbige Robbia sein.)

Dom: die Lunetten beider Sacristeithüren von Luca selbst, dieg
Himmelfahrt (1446) und die (viel bessere) Auferstehung; beide zeigen
ihn von der schwächern, nämlich von der dramatischen Seite.

S. Pierino (beim Mercato vecchio): Mad. mit zwei Engeln, sehrh
früh und von reiner Schönheit.

den Robbia zu vergleichen, vielmehr als gleichgültig decorirender Fries rings
um den Hof gelegt, der übrigens sammt Umgang immer ein sehenswerthes
Prachtstück bleibt.
B. Cicerone. 38
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[593/0615] Die Robbia. Sehr zahlreich sind sodann die Lunetten über Kirchen- und Klosterportalen, welche bisweilen den besten Schmuck des Gebäudes ausmachen. Von ganz kleinem Massstab bis zur Lebensgrösse fort- schreitend, geben sie wohl das Bedeutendste von Einzelbildung, dessen die Schule fähig war. Es sind die halben oder ganzen Figuren der Madonna mit zwei oder mehrern Seitenheiligen, oder mit zwei an- betenden Engeln, auch einzelne Ortsheilige mit Engeln u. A. m. — eine sich immer wiederholende und in diesen Formen nie ermüdende Gattung. Die Madonna ist bisweilen von einer Hoheit, die Heiligen von einem tiefinnigen Ernst, die Engel von einer reizenden Holdselig- keit, welche die meisten übrigen Sculpturen der Zeit in Vergessenheit bringen können. Im Detail ist die Gewandung durchgängig das Ge- ringere; die Bildung des Nackten dagegen, zumal der Hände, oft sehr vorzüglich, freilich durch eine Haltung und Bewegung beseelt, welche viel nachlässigere Arbeiten unvergänglich machen würde. — Ausser Stande, sie dem Styl nach zu ordnen, nennen wir nur die wichtigern Lunetten: Ognissanti in Florenz: Krönung Mariä. a S. Lucia de’ Magnoli: die Heilige mit zwei Engeln. b Badia, Cap. in der Kirche links vom Eingang: eine ehemal. Thür- lunette, Mad. mit zwei Heiligen, aus den allerletzten Zeiten der Schule (von einem gew. Baglioni?) und so schön als das Frühere. c Certosa, dritter Hof: S. Lorenz mit zwei Engeln. d Innocenti, Eingang vom Hof in die Kirche: Verkündigung, mit einem Halbkreis von Cherubim, eines der edelsten Hauptwerke. e Kirche Montalvo a Ripoli, Via della Scala: Mad. mit zwei Hei- ligen, ebenfalls von höchstem Werthe. (Im stets verschlossenen Innern sollen noch zwei gute farbige Robbia sein.) f Dom: die Lunetten beider Sacristeithüren von Luca selbst, die Himmelfahrt (1446) und die (viel bessere) Auferstehung; beide zeigen ihn von der schwächern, nämlich von der dramatischen Seite. g S. Pierino (beim Mercato vecchio): Mad. mit zwei Engeln, sehr früh und von reiner Schönheit. h 2) 2) den Robbia zu vergleichen, vielmehr als gleichgültig decorirender Fries rings um den Hof gelegt, der übrigens sammt Umgang immer ein sehenswerthes Prachtstück bleibt. B. Cicerone. 38

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/615>, abgerufen am 17.07.2024.