Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Lombardi.
Lombardi" oder die "Art der L." im Allgemeinen zu erkennen pflegt,
wäre ein gewagtes Unternehmen. Als allgemeines Schulgut sind der
Betrachtung besonders werth:

An der Scuola di S. Marco die obern Statuen zwischen und übera
den Rundgiebeln.

Im Dogenpalast an dem Vorbau gegenüber der Riesentreppe: dieb
Figuren auf den Spitzthürmchen, zum Theil auf kugelförmigen
von hübschen Putten gehaltenen Untersätzen; diese am besten von
der Sala del collegio aus sichtbaren Statuen sind zum Theil sehr
geistvoll und lebendig, besonders die Prudentia mit dem Spiegel.

An S. Maria de' miracoli: die sämmtlichen Aussensculpturen;c
der Gottvater und die anbetenden Engel über und neben der halb-
runden Obermauer nur Decorationsarbeit, aber vorzüglich schön ge-
dacht; die Halbfiguren der Propheten und Heiligen in den Bogen-
füllungen der obern Pilasterordnung, ebenfalls trefflich ausdrucksvoll
und von meisterhafter Arbeit.

In der Capella Giustiniani zu S. Francesco della Vigna (linksd
neben dem Chor) verrathen von den Reliefhalbfiguren an den Wänden
die vier Evangelisten einen besonders geistvollen Künstler (Tul-
lio
L.?); die übrigen scheinen von demjenigen noch etwas befangenern,
aber ernsten und tüchtigen Meister, welcher die Halbfiguren der Pro-e
pheten an den Chorschranken der Frari verfertigte. (Der Altar nebst
Predella und Vorsatz, sowie der Relieffries mit der Geschichte Christi
sind zierliche, aber geringe Arbeiten.)

In den Frari könnten die Statuen der Apostel und Heiligen überf
den Chorschranken am ehesten ein Werk dieser Schule sein. Ausser-
dem wird derselben dort das Grab des Jacopo Marcello (+ 1484) ver-
muthungsweise zugeschrieben (im rechten Querschiff, rechts).

In S. Stefano enthält ausser der genannten Arbeit die Sacristeig
zwei halbe und zwei ganze Heiligenfiguren des Pietro; letztere für
ihn vorzüglich charakteristische Werke.

In S. Giovanni e Paolo ist das Dogengrab Mocenigo (+ 1476)h
rechts vom Portal, eine gemeinschaftliche Arbeit des Pietro, An-
tonio
und Tullio; ein Haupttypus der frühern Gräber dieser Art,
mit lauter Helden, die den Sarg tragen und in Seitennischen stehen,
mit Putten welche aus Engeln zu kriegerischen Pagen geworden sind,

Die Lombardi.
Lombardi“ oder die „Art der L.“ im Allgemeinen zu erkennen pflegt,
wäre ein gewagtes Unternehmen. Als allgemeines Schulgut sind der
Betrachtung besonders werth:

An der Scuola di S. Marco die obern Statuen zwischen und übera
den Rundgiebeln.

Im Dogenpalast an dem Vorbau gegenüber der Riesentreppe: dieb
Figuren auf den Spitzthürmchen, zum Theil auf kugelförmigen
von hübschen Putten gehaltenen Untersätzen; diese am besten von
der Sala del collegio aus sichtbaren Statuen sind zum Theil sehr
geistvoll und lebendig, besonders die Prudentia mit dem Spiegel.

An S. Maria de’ miracoli: die sämmtlichen Aussensculpturen;c
der Gottvater und die anbetenden Engel über und neben der halb-
runden Obermauer nur Decorationsarbeit, aber vorzüglich schön ge-
dacht; die Halbfiguren der Propheten und Heiligen in den Bogen-
füllungen der obern Pilasterordnung, ebenfalls trefflich ausdrucksvoll
und von meisterhafter Arbeit.

In der Capella Giustiniani zu S. Francesco della Vigna (linksd
neben dem Chor) verrathen von den Reliefhalbfiguren an den Wänden
die vier Evangelisten einen besonders geistvollen Künstler (Tul-
lio
L.?); die übrigen scheinen von demjenigen noch etwas befangenern,
aber ernsten und tüchtigen Meister, welcher die Halbfiguren der Pro-e
pheten an den Chorschranken der Frari verfertigte. (Der Altar nebst
Predella und Vorsatz, sowie der Relieffries mit der Geschichte Christi
sind zierliche, aber geringe Arbeiten.)

In den Frari könnten die Statuen der Apostel und Heiligen überf
den Chorschranken am ehesten ein Werk dieser Schule sein. Ausser-
dem wird derselben dort das Grab des Jacopo Marcello († 1484) ver-
muthungsweise zugeschrieben (im rechten Querschiff, rechts).

In S. Stefano enthält ausser der genannten Arbeit die Sacristeig
zwei halbe und zwei ganze Heiligenfiguren des Pietro; letztere für
ihn vorzüglich charakteristische Werke.

In S. Giovanni e Paolo ist das Dogengrab Mocenigo († 1476)h
rechts vom Portal, eine gemeinschaftliche Arbeit des Pietro, An-
tonio
und Tullio; ein Haupttypus der frühern Gräber dieser Art,
mit lauter Helden, die den Sarg tragen und in Seitennischen stehen,
mit Putten welche aus Engeln zu kriegerischen Pagen geworden sind,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0645" n="623"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Lombardi.</hi></fw><lb/>
Lombardi&#x201C; oder die &#x201E;Art der L.&#x201C; im Allgemeinen zu erkennen pflegt,<lb/>
wäre ein gewagtes Unternehmen. Als allgemeines Schulgut sind der<lb/>
Betrachtung besonders werth:</p><lb/>
        <p>An der Scuola di S. Marco die obern Statuen zwischen und über<note place="right">a</note><lb/>
den Rundgiebeln.</p><lb/>
        <p>Im Dogenpalast an dem Vorbau gegenüber der Riesentreppe: die<note place="right">b</note><lb/><hi rendition="#g">Figuren auf den Spitzthürmchen</hi>, zum Theil auf kugelförmigen<lb/>
von hübschen Putten gehaltenen Untersätzen; diese am besten von<lb/>
der Sala del collegio aus sichtbaren Statuen sind zum Theil sehr<lb/>
geistvoll und lebendig, besonders die Prudentia mit dem Spiegel.</p><lb/>
        <p>An S. Maria de&#x2019; miracoli: die sämmtlichen Aussensculpturen;<note place="right">c</note><lb/>
der Gottvater und die anbetenden Engel über und neben der halb-<lb/>
runden Obermauer nur Decorationsarbeit, aber vorzüglich schön ge-<lb/>
dacht; die Halbfiguren der Propheten und Heiligen in den Bogen-<lb/>
füllungen der obern Pilasterordnung, ebenfalls trefflich ausdrucksvoll<lb/>
und von meisterhafter Arbeit.</p><lb/>
        <p>In der Capella Giustiniani zu S. Francesco della Vigna (links<note place="right">d</note><lb/>
neben dem Chor) verrathen von den Reliefhalbfiguren an den Wänden<lb/>
die <hi rendition="#g">vier Evangelisten</hi> einen besonders geistvollen Künstler (<hi rendition="#g">Tul-<lb/>
lio</hi> L.?); die übrigen scheinen von demjenigen noch etwas befangenern,<lb/>
aber ernsten und tüchtigen Meister, welcher die Halbfiguren der Pro-<note place="right">e</note><lb/>
pheten an den Chorschranken der Frari verfertigte. (Der Altar nebst<lb/>
Predella und Vorsatz, sowie der Relieffries mit der Geschichte Christi<lb/>
sind zierliche, aber geringe Arbeiten.)</p><lb/>
        <p>In den Frari könnten die Statuen der Apostel und Heiligen über<note place="right">f</note><lb/>
den Chorschranken am ehesten ein Werk dieser Schule sein. Ausser-<lb/>
dem wird derselben dort das Grab des Jacopo Marcello (&#x2020; 1484) ver-<lb/>
muthungsweise zugeschrieben (im rechten Querschiff, rechts).</p><lb/>
        <p>In S. Stefano enthält ausser der genannten Arbeit die Sacristei<note place="right">g</note><lb/>
zwei halbe und zwei ganze Heiligenfiguren des Pietro; letztere für<lb/>
ihn vorzüglich charakteristische Werke.</p><lb/>
        <p>In S. Giovanni e Paolo ist das Dogengrab Mocenigo (&#x2020; 1476)<note place="right">h</note><lb/>
rechts vom Portal, eine gemeinschaftliche Arbeit des <hi rendition="#g">Pietro, An-<lb/>
tonio</hi> und <hi rendition="#g">Tullio</hi>; ein Haupttypus der frühern Gräber dieser Art,<lb/>
mit lauter Helden, die den Sarg tragen und in Seitennischen stehen,<lb/>
mit Putten welche aus Engeln zu kriegerischen Pagen geworden sind,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[623/0645] Die Lombardi. Lombardi“ oder die „Art der L.“ im Allgemeinen zu erkennen pflegt, wäre ein gewagtes Unternehmen. Als allgemeines Schulgut sind der Betrachtung besonders werth: An der Scuola di S. Marco die obern Statuen zwischen und über den Rundgiebeln. a Im Dogenpalast an dem Vorbau gegenüber der Riesentreppe: die Figuren auf den Spitzthürmchen, zum Theil auf kugelförmigen von hübschen Putten gehaltenen Untersätzen; diese am besten von der Sala del collegio aus sichtbaren Statuen sind zum Theil sehr geistvoll und lebendig, besonders die Prudentia mit dem Spiegel. b An S. Maria de’ miracoli: die sämmtlichen Aussensculpturen; der Gottvater und die anbetenden Engel über und neben der halb- runden Obermauer nur Decorationsarbeit, aber vorzüglich schön ge- dacht; die Halbfiguren der Propheten und Heiligen in den Bogen- füllungen der obern Pilasterordnung, ebenfalls trefflich ausdrucksvoll und von meisterhafter Arbeit. c In der Capella Giustiniani zu S. Francesco della Vigna (links neben dem Chor) verrathen von den Reliefhalbfiguren an den Wänden die vier Evangelisten einen besonders geistvollen Künstler (Tul- lio L.?); die übrigen scheinen von demjenigen noch etwas befangenern, aber ernsten und tüchtigen Meister, welcher die Halbfiguren der Pro- pheten an den Chorschranken der Frari verfertigte. (Der Altar nebst Predella und Vorsatz, sowie der Relieffries mit der Geschichte Christi sind zierliche, aber geringe Arbeiten.) d e In den Frari könnten die Statuen der Apostel und Heiligen über den Chorschranken am ehesten ein Werk dieser Schule sein. Ausser- dem wird derselben dort das Grab des Jacopo Marcello († 1484) ver- muthungsweise zugeschrieben (im rechten Querschiff, rechts). f In S. Stefano enthält ausser der genannten Arbeit die Sacristei zwei halbe und zwei ganze Heiligenfiguren des Pietro; letztere für ihn vorzüglich charakteristische Werke. g In S. Giovanni e Paolo ist das Dogengrab Mocenigo († 1476) rechts vom Portal, eine gemeinschaftliche Arbeit des Pietro, An- tonio und Tullio; ein Haupttypus der frühern Gräber dieser Art, mit lauter Helden, die den Sarg tragen und in Seitennischen stehen, mit Putten welche aus Engeln zu kriegerischen Pagen geworden sind, h

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/645
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/645>, abgerufen am 17.07.2024.