des Baues ausmachten, diese freilich von so gigantischem Maassstab und in solcher Ausdehnung, auch wohl in so malerisch verwilderter Umgebung, dass in Ermanglung eines künstlerischen Eindruckes ein phantastischer zurückbleibt, den man mit nichts vertauschen noch ver- gleichen möchte.
Sobald das Auge mit dem römischen Bausinn einigermassen ver- traut ist, wird es auch in dieser scheinbaren Formlosigkeit die Spu- ren ehemaligen Lebens verfolgen können. Diese zeigen sich haupt- sächlich in der reichen Verschiedenartigkeit der Wandflächen, also in der Ausweitung derselben zu gewaltigen Nischen mit Halbkuppeln (welche noch hie und da Reste ihrer Cassetten aufweisen), und in der Anordnung grosser Kuppelräume. Diese sind hier entweder so von dem übrigen Bau eingefasst, dass sie für das Auge nirgends mit ge- radlinigen Massen unharmonisch zusammenstossen oder sie sind nicht rund, sondern polygon, etwa achteckig gebildet und gewähren dann nicht nur jeden wünschbaren Übergang zu den geradlinigen Formen, sondern auch einen völlig harmonischen Anschluss für die Nischen im Innern. So sind die beiden beim Pantheon hervorgehobenen Unvoll- kommenheiten (S. 19 u. 20) beseitigt. Dass übrigens diese Abwechselung der Wandflächen ein ganz bewusstes, emsig verfolgtes Princip war, beweisen auch die Aussenwerke, welche den Thermenhof zu umgeben pflegten; ihr Umfang ergiebt Halbkreise, halbe Ellipsen und auch ihre Binnenräume sind von der verschiedensten Gestalt. -- Vollkommen ungewiss bleibt die Gestalt der Thermenfassaden; wir wissen nur so viel, dass das architektonische Gefühl der Römer auf den Fassaden- bau überhaupt bei weitem nicht das unverhältnissmässige Gewicht legte, welches ihm die neuere Zeit beimisst. (Eine Ausnahme machen natür- lich die Tempel.) An den Caracallathermen soll "eine Säulenhalle" den Haupteingang gebildet haben, und an S. Lorenzo in Mailand stehta noch eine solche.
Von den zahlreichen Thermenbauten Roms erwähnen wir nur die- jenigen, deren Reste einigermassen kenntlich sind.
Die Thermen Agrippa's, hinter dem Pantheon, gehören beib ihrer gänzlichen Zerstückelung und Verdeckung durch die Häuser der nächsten Gassen nicht unter diese Zahl. Von den Thermen seiner Söhne Cajus und Lucius, der Enkel August's durch die Julia, istc
Kaiserthermen.
des Baues ausmachten, diese freilich von so gigantischem Maassstab und in solcher Ausdehnung, auch wohl in so malerisch verwilderter Umgebung, dass in Ermanglung eines künstlerischen Eindruckes ein phantastischer zurückbleibt, den man mit nichts vertauschen noch ver- gleichen möchte.
Sobald das Auge mit dem römischen Bausinn einigermassen ver- traut ist, wird es auch in dieser scheinbaren Formlosigkeit die Spu- ren ehemaligen Lebens verfolgen können. Diese zeigen sich haupt- sächlich in der reichen Verschiedenartigkeit der Wandflächen, also in der Ausweitung derselben zu gewaltigen Nischen mit Halbkuppeln (welche noch hie und da Reste ihrer Cassetten aufweisen), und in der Anordnung grosser Kuppelräume. Diese sind hier entweder so von dem übrigen Bau eingefasst, dass sie für das Auge nirgends mit ge- radlinigen Massen unharmonisch zusammenstossen oder sie sind nicht rund, sondern polygon, etwa achteckig gebildet und gewähren dann nicht nur jeden wünschbaren Übergang zu den geradlinigen Formen, sondern auch einen völlig harmonischen Anschluss für die Nischen im Innern. So sind die beiden beim Pantheon hervorgehobenen Unvoll- kommenheiten (S. 19 u. 20) beseitigt. Dass übrigens diese Abwechselung der Wandflächen ein ganz bewusstes, emsig verfolgtes Princip war, beweisen auch die Aussenwerke, welche den Thermenhof zu umgeben pflegten; ihr Umfang ergiebt Halbkreise, halbe Ellipsen und auch ihre Binnenräume sind von der verschiedensten Gestalt. — Vollkommen ungewiss bleibt die Gestalt der Thermenfassaden; wir wissen nur so viel, dass das architektonische Gefühl der Römer auf den Fassaden- bau überhaupt bei weitem nicht das unverhältnissmässige Gewicht legte, welches ihm die neuere Zeit beimisst. (Eine Ausnahme machen natür- lich die Tempel.) An den Caracallathermen soll „eine Säulenhalle“ den Haupteingang gebildet haben, und an S. Lorenzo in Mailand stehta noch eine solche.
Von den zahlreichen Thermenbauten Roms erwähnen wir nur die- jenigen, deren Reste einigermassen kenntlich sind.
Die Thermen Agrippa’s, hinter dem Pantheon, gehören beib ihrer gänzlichen Zerstückelung und Verdeckung durch die Häuser der nächsten Gassen nicht unter diese Zahl. Von den Thermen seiner Söhne Cajus und Lucius, der Enkel August’s durch die Julia, istc
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[47/0069]
Kaiserthermen.
des Baues ausmachten, diese freilich von so gigantischem Maassstab
und in solcher Ausdehnung, auch wohl in so malerisch verwilderter
Umgebung, dass in Ermanglung eines künstlerischen Eindruckes ein
phantastischer zurückbleibt, den man mit nichts vertauschen noch ver-
gleichen möchte.
Sobald das Auge mit dem römischen Bausinn einigermassen ver-
traut ist, wird es auch in dieser scheinbaren Formlosigkeit die Spu-
ren ehemaligen Lebens verfolgen können. Diese zeigen sich haupt-
sächlich in der reichen Verschiedenartigkeit der Wandflächen, also in
der Ausweitung derselben zu gewaltigen Nischen mit Halbkuppeln
(welche noch hie und da Reste ihrer Cassetten aufweisen), und in der
Anordnung grosser Kuppelräume. Diese sind hier entweder so von
dem übrigen Bau eingefasst, dass sie für das Auge nirgends mit ge-
radlinigen Massen unharmonisch zusammenstossen oder sie sind nicht
rund, sondern polygon, etwa achteckig gebildet und gewähren dann
nicht nur jeden wünschbaren Übergang zu den geradlinigen Formen,
sondern auch einen völlig harmonischen Anschluss für die Nischen im
Innern. So sind die beiden beim Pantheon hervorgehobenen Unvoll-
kommenheiten (S. 19 u. 20) beseitigt. Dass übrigens diese Abwechselung
der Wandflächen ein ganz bewusstes, emsig verfolgtes Princip war,
beweisen auch die Aussenwerke, welche den Thermenhof zu umgeben
pflegten; ihr Umfang ergiebt Halbkreise, halbe Ellipsen und auch ihre
Binnenräume sind von der verschiedensten Gestalt. — Vollkommen
ungewiss bleibt die Gestalt der Thermenfassaden; wir wissen nur so
viel, dass das architektonische Gefühl der Römer auf den Fassaden-
bau überhaupt bei weitem nicht das unverhältnissmässige Gewicht legte,
welches ihm die neuere Zeit beimisst. (Eine Ausnahme machen natür-
lich die Tempel.) An den Caracallathermen soll „eine Säulenhalle“
den Haupteingang gebildet haben, und an S. Lorenzo in Mailand steht
noch eine solche.
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Von den zahlreichen Thermenbauten Roms erwähnen wir nur die-
jenigen, deren Reste einigermassen kenntlich sind.
Die Thermen Agrippa’s, hinter dem Pantheon, gehören bei
ihrer gänzlichen Zerstückelung und Verdeckung durch die Häuser der
nächsten Gassen nicht unter diese Zahl. Von den Thermen seiner
Söhne Cajus und Lucius, der Enkel August’s durch die Julia, ist
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Burckhardt, Jacob: Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens. Basel, 1855, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_cicerone_1855/69>, abgerufen am 04.12.2024.
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