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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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II. Teil. Die staatliche Verfassung.
jede gesellschaftliche Einrichtung kann daher nicht unter dem
Gesichtspunkt der Kausalität betrachtet werden, sondern der
Rationalität. Eine Einrichtung, die Rechtsnormen nicht nur
voraussetzt, sondern die in einem System rechtlicher Normierung
besteht, kann nicht durch Ursachen begreiflich gemacht, erklärt
werden, sondern nur durch Gründe; denn nur so läßt sich die
Verbindlichkeit der die Einrichtung ausmachenden Normen
einsehen. Der Staat und die sich ablösenden Formen des Staates
können daher, als Staaten, nicht nach naturwissenschaftlicher
Methode, genetisch, als naturgesetzmäßige Wirkungen früherer
Ursachen, sondern nur als begründete Anordnungen vernünftiger
Wesen (der Menschen) begriffen werden. Die Verbindlichkeit
einer Einrichtung (und daß sie verbindlich ist, ist der Kern und
das Wesen jeder rechtlichen Einrichtung) kann nie als die kausale
Wirkung früherer tatsächlicher Vorgänge erklärt werden; denn
aus Tatsachen erklären sich wiederum Tatsachen, aber nicht Po-
stulate, wie der Staat und die Rechtsordnung es sind1. Wir
fragen deshalb bewußtermaßen nicht, wie der Staat "entstehe",
welche "Kräfte" sich in ihm in irgendwelcher soziologischer Ge-
setzmäßigkeit "auswirken", und was das Eigenartige dieser "Er-
scheinung" oder dieser "Vorgänge" sei, sondern was in der ge-
samten Rechtsordnung, in einer gegebenen Rechtsordnung, die
Organisation im Rechtssinne ausmache.

Die zahlreichen, verschiedenen Normen, die das Recht eines
Landes ausmachen, bilden eine Rechtsordnung, insofern sie
einem leitenden Gedanken unterstellt, nach einem Plane an-
gelegt sind, insofern man sie als eine logische, einheitliche, plan-
mäßig angelegte Gesamtheit denken kann. Die vielen Einzelnormen
bilden, wie man etwa sagt, ein organisches Ganzes; und man kann
sogar, in einem weiteren Sinn, auch die solcher Ordnung unter-
stellten Menschen als eine Einheit, eine organische Gesamtheit

1 Es ist hier nicht weiter auszuführen, wie durch Soziologen und Philo-
sophen immer wieder gegen diese methodische Forderung gesündigt wird;
wir bemerken nur, daß wir ebendeshalb davon absehen, viele dieser Theorien,
welche glauben, ein "Gesetz" (nämlich ein Naturgesetz) der "Entwicklung"
der staatlichen Gemeinschaft in zeitlicher Abfolge aufzeigen zu können,
im einzelnen zu erörtern. Sie verkennen die wesentliche Eigenart ihres
Gegenstandes.

II. Teil. Die staatliche Verfassung.
jede gesellschaftliche Einrichtung kann daher nicht unter dem
Gesichtspunkt der Kausalität betrachtet werden, sondern der
Rationalität. Eine Einrichtung, die Rechtsnormen nicht nur
voraussetzt, sondern die in einem System rechtlicher Normierung
besteht, kann nicht durch Ursachen begreiflich gemacht, erklärt
werden, sondern nur durch Gründe; denn nur so läßt sich die
Verbindlichkeit der die Einrichtung ausmachenden Normen
einsehen. Der Staat und die sich ablösenden Formen des Staates
können daher, als Staaten, nicht nach naturwissenschaftlicher
Methode, genetisch, als naturgesetzmäßige Wirkungen früherer
Ursachen, sondern nur als begründete Anordnungen vernünftiger
Wesen (der Menschen) begriffen werden. Die Verbindlichkeit
einer Einrichtung (und daß sie verbindlich ist, ist der Kern und
das Wesen jeder rechtlichen Einrichtung) kann nie als die kausale
Wirkung früherer tatsächlicher Vorgänge erklärt werden; denn
aus Tatsachen erklären sich wiederum Tatsachen, aber nicht Po-
stulate, wie der Staat und die Rechtsordnung es sind1. Wir
fragen deshalb bewußtermaßen nicht, wie der Staat „entstehe“,
welche „Kräfte“ sich in ihm in irgendwelcher soziologischer Ge-
setzmäßigkeit „auswirken“, und was das Eigenartige dieser „Er-
scheinung“ oder dieser „Vorgänge“ sei, sondern was in der ge-
samten Rechtsordnung, in einer gegebenen Rechtsordnung, die
Organisation im Rechtssinne ausmache.

Die zahlreichen, verschiedenen Normen, die das Recht eines
Landes ausmachen, bilden eine Rechtsordnung, insofern sie
einem leitenden Gedanken unterstellt, nach einem Plane an-
gelegt sind, insofern man sie als eine logische, einheitliche, plan-
mäßig angelegte Gesamtheit denken kann. Die vielen Einzelnormen
bilden, wie man etwa sagt, ein organisches Ganzes; und man kann
sogar, in einem weiteren Sinn, auch die solcher Ordnung unter-
stellten Menschen als eine Einheit, eine organische Gesamtheit

1 Es ist hier nicht weiter auszuführen, wie durch Soziologen und Philo-
sophen immer wieder gegen diese methodische Forderung gesündigt wird;
wir bemerken nur, daß wir ebendeshalb davon absehen, viele dieser Theorien,
welche glauben, ein „Gesetz“ (nämlich ein Naturgesetz) der „Entwicklung“
der staatlichen Gemeinschaft in zeitlicher Abfolge aufzeigen zu können,
im einzelnen zu erörtern. Sie verkennen die wesentliche Eigenart ihres
Gegenstandes.
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[122/0137] II. Teil. Die staatliche Verfassung. jede gesellschaftliche Einrichtung kann daher nicht unter dem Gesichtspunkt der Kausalität betrachtet werden, sondern der Rationalität. Eine Einrichtung, die Rechtsnormen nicht nur voraussetzt, sondern die in einem System rechtlicher Normierung besteht, kann nicht durch Ursachen begreiflich gemacht, erklärt werden, sondern nur durch Gründe; denn nur so läßt sich die Verbindlichkeit der die Einrichtung ausmachenden Normen einsehen. Der Staat und die sich ablösenden Formen des Staates können daher, als Staaten, nicht nach naturwissenschaftlicher Methode, genetisch, als naturgesetzmäßige Wirkungen früherer Ursachen, sondern nur als begründete Anordnungen vernünftiger Wesen (der Menschen) begriffen werden. Die Verbindlichkeit einer Einrichtung (und daß sie verbindlich ist, ist der Kern und das Wesen jeder rechtlichen Einrichtung) kann nie als die kausale Wirkung früherer tatsächlicher Vorgänge erklärt werden; denn aus Tatsachen erklären sich wiederum Tatsachen, aber nicht Po- stulate, wie der Staat und die Rechtsordnung es sind 1. Wir fragen deshalb bewußtermaßen nicht, wie der Staat „entstehe“, welche „Kräfte“ sich in ihm in irgendwelcher soziologischer Ge- setzmäßigkeit „auswirken“, und was das Eigenartige dieser „Er- scheinung“ oder dieser „Vorgänge“ sei, sondern was in der ge- samten Rechtsordnung, in einer gegebenen Rechtsordnung, die Organisation im Rechtssinne ausmache. Die zahlreichen, verschiedenen Normen, die das Recht eines Landes ausmachen, bilden eine Rechtsordnung, insofern sie einem leitenden Gedanken unterstellt, nach einem Plane an- gelegt sind, insofern man sie als eine logische, einheitliche, plan- mäßig angelegte Gesamtheit denken kann. Die vielen Einzelnormen bilden, wie man etwa sagt, ein organisches Ganzes; und man kann sogar, in einem weiteren Sinn, auch die solcher Ordnung unter- stellten Menschen als eine Einheit, eine organische Gesamtheit 1 Es ist hier nicht weiter auszuführen, wie durch Soziologen und Philo- sophen immer wieder gegen diese methodische Forderung gesündigt wird; wir bemerken nur, daß wir ebendeshalb davon absehen, viele dieser Theorien, welche glauben, ein „Gesetz“ (nämlich ein Naturgesetz) der „Entwicklung“ der staatlichen Gemeinschaft in zeitlicher Abfolge aufzeigen zu können, im einzelnen zu erörtern. Sie verkennen die wesentliche Eigenart ihres Gegenstandes.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/137>, abgerufen am 21.11.2024.