Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.II. Teil. Die staatliche Verfassung. oder mit andern Worten: daß diejenige Organisation, welche dieentscheidende Zuständigkeit in sich schließt, die staatliche ist1. Daß ein privater Verband nicht diese Stellung einnehmen Das ist leicht einzusehen im Verhältnis zu all den Organi- 1 Ähnlich viele ältere und neuere; vgl. Verdroß, Die Einheit des
rechtlichen Weltbildes auf Grundlage der Völkerrechtsgemeinschaft (1923) 16 ff.; damit stimmt es aber nicht überein, von einer Völkerrechtsverfassung zu sprechen. Vgl. unten III. Teil, 2. Abschn. II. Teil. Die staatliche Verfassung. oder mit andern Worten: daß diejenige Organisation, welche dieentscheidende Zuständigkeit in sich schließt, die staatliche ist1. Daß ein privater Verband nicht diese Stellung einnehmen Das ist leicht einzusehen im Verhältnis zu all den Organi- 1 Ähnlich viele ältere und neuere; vgl. Verdroß, Die Einheit des
rechtlichen Weltbildes auf Grundlage der Völkerrechtsgemeinschaft (1923) 16 ff.; damit stimmt es aber nicht überein, von einer Völkerrechtsverfassung zu sprechen. Vgl. unten III. Teil, 2. Abschn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0163" n="148"/><fw place="top" type="header">II. Teil. Die staatliche Verfassung.</fw><lb/> oder mit andern Worten: daß diejenige Organisation, welche die<lb/><hi rendition="#g">entscheidende</hi> Zuständigkeit in sich schließt, die staatliche ist<note place="foot" n="1">Ähnlich viele ältere und neuere; vgl. <hi rendition="#g">Verdroß,</hi> Die Einheit des<lb/> rechtlichen Weltbildes auf Grundlage der Völkerrechtsgemeinschaft (1923)<lb/> 16 ff.; damit stimmt es aber nicht überein, von einer Völkerrechts<hi rendition="#g">verfassung</hi><lb/> zu sprechen. Vgl. unten III. Teil, 2. Abschn.</note>.</p><lb/> <p>Daß ein privater Verband nicht diese Stellung einnehmen<lb/> kann, ergibt sich daraus, daß private Verbände überhaupt nur<lb/> eine bedingte, nämlich durch die objektive Rechtsordnung bedingte,<lb/> Verbindlichkeit haben. Die Verbände des objektiven Rechts aber<lb/> müssen entweder einem einheitlichen staatlichen Verbande unter-<lb/> geordnet sein oder selbst jeder einen Staat bilden. In jeder, durch<lb/><hi rendition="#g">eine</hi> objektive Rechtsordnung beherrschten Gemeinschaft muß<lb/> es <hi rendition="#g">eine</hi> Organisation geben, welche letztlich entscheidet darüber,<lb/> was im Grundsatz und in der Anwendung rechtens sein soll und<lb/> welche das als Recht Erkannte erzwingt.</p><lb/> <p>Das ist leicht einzusehen im Verhältnis zu all den Organi-<lb/> sationen, die wir als dem Staat untergeordnet betrachten, den<lb/> Kommunalverbänden und Anstalten. Ihre Unterordnung besteht<lb/> eben darin, daß sie, gleichgültig ob sie historisch die älteren sind<lb/> oder nicht, nach dem geltenden Verfassungsrecht nicht endgültig<lb/> über die Verbindlichkeit ihrer eigenen Anordnungen zu entscheiden<lb/> vermögen. Widersprechen sich die (generellen oder individuellen)<lb/> Anordnungen einer staatlichen und einer kommunalen, besonderen<lb/> Behörde, so gehen jene vor: der Rechtsgenosse hat sich an sie<lb/> zu halten. Es geht nicht an, daß in einer Gesamtgemeinschaft<lb/> eine besondere Instanz, mit sachlich oder personell beschränktem<lb/> Wirkungskreis, endgültig und abschließend über die Rechtmäßig-<lb/> keit ihrer Tätigkeit befinde; denn die eine sachliche beschränkte<lb/> Tätigkeit muß sich nach einem allgemeinen Plane den anderen<lb/> angliedern und die sachlich gleichartigen, aber personell getrennten<lb/> Gemeinschaften müssen auch untereinander in einem bestimmten<lb/> Verhältnis stehen; und diesen allgemeinen Plan, dieses bestimmte<lb/> Verhältnis zu wahren, kann nicht Aufgabe jeder dieser Sonder-<lb/> gemeinschaften sein, sondern nur einer über ihnen stehenden Ge-<lb/> meinschaft, deren Anordnungen für die unteren Gemeinschaften,<lb/> und zwar nicht nur für diese Gemeinschaften als solche, sondern<lb/> auch für ihre Mitglieder verbindlich sind; wenn anders sie alle<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [148/0163]
II. Teil. Die staatliche Verfassung.
oder mit andern Worten: daß diejenige Organisation, welche die
entscheidende Zuständigkeit in sich schließt, die staatliche ist 1.
Daß ein privater Verband nicht diese Stellung einnehmen
kann, ergibt sich daraus, daß private Verbände überhaupt nur
eine bedingte, nämlich durch die objektive Rechtsordnung bedingte,
Verbindlichkeit haben. Die Verbände des objektiven Rechts aber
müssen entweder einem einheitlichen staatlichen Verbande unter-
geordnet sein oder selbst jeder einen Staat bilden. In jeder, durch
eine objektive Rechtsordnung beherrschten Gemeinschaft muß
es eine Organisation geben, welche letztlich entscheidet darüber,
was im Grundsatz und in der Anwendung rechtens sein soll und
welche das als Recht Erkannte erzwingt.
Das ist leicht einzusehen im Verhältnis zu all den Organi-
sationen, die wir als dem Staat untergeordnet betrachten, den
Kommunalverbänden und Anstalten. Ihre Unterordnung besteht
eben darin, daß sie, gleichgültig ob sie historisch die älteren sind
oder nicht, nach dem geltenden Verfassungsrecht nicht endgültig
über die Verbindlichkeit ihrer eigenen Anordnungen zu entscheiden
vermögen. Widersprechen sich die (generellen oder individuellen)
Anordnungen einer staatlichen und einer kommunalen, besonderen
Behörde, so gehen jene vor: der Rechtsgenosse hat sich an sie
zu halten. Es geht nicht an, daß in einer Gesamtgemeinschaft
eine besondere Instanz, mit sachlich oder personell beschränktem
Wirkungskreis, endgültig und abschließend über die Rechtmäßig-
keit ihrer Tätigkeit befinde; denn die eine sachliche beschränkte
Tätigkeit muß sich nach einem allgemeinen Plane den anderen
angliedern und die sachlich gleichartigen, aber personell getrennten
Gemeinschaften müssen auch untereinander in einem bestimmten
Verhältnis stehen; und diesen allgemeinen Plan, dieses bestimmte
Verhältnis zu wahren, kann nicht Aufgabe jeder dieser Sonder-
gemeinschaften sein, sondern nur einer über ihnen stehenden Ge-
meinschaft, deren Anordnungen für die unteren Gemeinschaften,
und zwar nicht nur für diese Gemeinschaften als solche, sondern
auch für ihre Mitglieder verbindlich sind; wenn anders sie alle
1 Ähnlich viele ältere und neuere; vgl. Verdroß, Die Einheit des
rechtlichen Weltbildes auf Grundlage der Völkerrechtsgemeinschaft (1923)
16 ff.; damit stimmt es aber nicht überein, von einer Völkerrechtsverfassung
zu sprechen. Vgl. unten III. Teil, 2. Abschn.
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