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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
einen individuellen, gewöhnlichen Vertreter wählen und einheit-
lich instruieren).

Bedeutsamer ist die Anwendung dieser Vertretungsform auf
die verschiedenen Betätigungen eines (dauernden) Rechtsverhält-
nisses. Man kann sich wohl denken, daß die Miteigentümer eines
Grundstückes sich wie erwähnt organisieren zur Ausübung aller
ihrer Befugnisse als Eigentümer, mit der Wirkung, daß sie einzeln
nicht mehr darüber verfügen noch es gerichtlich vertreten können,
sondern nur noch durch eine gemeinsame und den Einzelnen
ausschließende Vertretung, wie etwa den durch gemeinschaftliche
übereinstimmende Entschließung aller Beteiligter oder eines von
ihnen bestellten Vertreters1. Das ist im Grundriß die Struktur
des Gesamteigentums (oder des Gesamthandsverhältnisses über-
haupt); in diesem Sinn sagt Art. 652 des SchwZGB, das Recht
eines jeden gehe auf die ganze Sache2.

Allein als bleibende Ordnung wird diese Vertretungsform nicht
genügen. Nicht nur sind auch andere als rechtsgeschäftliche
Entschließungen zu treffen, nämlich über die Verwaltung und
Nutzung des Grundstückes; auch die rechtsgeschäftlichen Ent-
schließungen, z. B. die Verpachtung, Verpfändung, Veräußerung,

1 Eine Verpflichtung zu gesamter Hand liegt vor, wenn mehrere
Schuldner nur zusammen belangt werden können; eine solche Gesamt-
verpflichtung hat aber nur Sinn, wenn die Verpflichteten auch gesamthaft
über aktive Rechte verfügen können und diese Aktiva auch irgendwie als
Mittel zur Erfüllung der gesamthaften Schulden gebunden sind, wenn sie
also haften für diese Schulden und Vollstreckung für Sonderschulden an
diesen Aktiven nicht möglich ist. Soll aber ein gemeinsames Aktivum für
gemeinsame Schulden ausschließlich haften, so darf darüber auch nur zu
bestimmtem Zwecke verfügt werden, was zur juristischen Person führt.
Vgl. SchwZGB 342, Abs. 2. Gierke, Deutsches Privatrecht I 669, 673,
nimmt Gesamthandsverhältnisse auch für einzelne Verbindlichkeiten an.
2 Ob diese Gesamthand ein Rechtssubjekt ist, ist nicht die praktisch
wichtige Frage, sondern wie sie, die Mehreren, gemeinschaftlich handeln;
vgl. Binder a. a. O. 85; gleichwie das Problem der juristischen Person
überhaupt nicht lautet, was diese (noch unbekannte) Person sei, sondern
in was die Form gemeinschaftlicher Betätigung subjektiver Rechte, die
wir Juristische Person nennen, bestehe. Auch das ist nicht wesentlich, ob
die Vermögensverwaltung eine Verwaltung der Mitglieder sei oder der
Gemeinschaft, sofern es nur eine einheitliche Verwaltung des Ganzen
ist. Vgl. Sohm, Die deutsche Genossenschaft (1889) 28.

III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
einen individuellen, gewöhnlichen Vertreter wählen und einheit-
lich instruieren).

Bedeutsamer ist die Anwendung dieser Vertretungsform auf
die verschiedenen Betätigungen eines (dauernden) Rechtsverhält-
nisses. Man kann sich wohl denken, daß die Miteigentümer eines
Grundstückes sich wie erwähnt organisieren zur Ausübung aller
ihrer Befugnisse als Eigentümer, mit der Wirkung, daß sie einzeln
nicht mehr darüber verfügen noch es gerichtlich vertreten können,
sondern nur noch durch eine gemeinsame und den Einzelnen
ausschließende Vertretung, wie etwa den durch gemeinschaftliche
übereinstimmende Entschließung aller Beteiligter oder eines von
ihnen bestellten Vertreters1. Das ist im Grundriß die Struktur
des Gesamteigentums (oder des Gesamthandsverhältnisses über-
haupt); in diesem Sinn sagt Art. 652 des SchwZGB, das Recht
eines jeden gehe auf die ganze Sache2.

Allein als bleibende Ordnung wird diese Vertretungsform nicht
genügen. Nicht nur sind auch andere als rechtsgeschäftliche
Entschließungen zu treffen, nämlich über die Verwaltung und
Nutzung des Grundstückes; auch die rechtsgeschäftlichen Ent-
schließungen, z. B. die Verpachtung, Verpfändung, Veräußerung,

1 Eine Verpflichtung zu gesamter Hand liegt vor, wenn mehrere
Schuldner nur zusammen belangt werden können; eine solche Gesamt-
verpflichtung hat aber nur Sinn, wenn die Verpflichteten auch gesamthaft
über aktive Rechte verfügen können und diese Aktiva auch irgendwie als
Mittel zur Erfüllung der gesamthaften Schulden gebunden sind, wenn sie
also haften für diese Schulden und Vollstreckung für Sonderschulden an
diesen Aktiven nicht möglich ist. Soll aber ein gemeinsames Aktivum für
gemeinsame Schulden ausschließlich haften, so darf darüber auch nur zu
bestimmtem Zwecke verfügt werden, was zur juristischen Person führt.
Vgl. SchwZGB 342, Abs. 2. Gierke, Deutsches Privatrecht I 669, 673,
nimmt Gesamthandsverhältnisse auch für einzelne Verbindlichkeiten an.
2 Ob diese Gesamthand ein Rechtssubjekt ist, ist nicht die praktisch
wichtige Frage, sondern wie sie, die Mehreren, gemeinschaftlich handeln;
vgl. Binder a. a. O. 85; gleichwie das Problem der juristischen Person
überhaupt nicht lautet, was diese (noch unbekannte) Person sei, sondern
in was die Form gemeinschaftlicher Betätigung subjektiver Rechte, die
wir Juristische Person nennen, bestehe. Auch das ist nicht wesentlich, ob
die Vermögensverwaltung eine Verwaltung der Mitglieder sei oder der
Gemeinschaft, sofern es nur eine einheitliche Verwaltung des Ganzen
ist. Vgl. Sohm, Die deutsche Genossenschaft (1889) 28.
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[318/0333] III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung. einen individuellen, gewöhnlichen Vertreter wählen und einheit- lich instruieren). Bedeutsamer ist die Anwendung dieser Vertretungsform auf die verschiedenen Betätigungen eines (dauernden) Rechtsverhält- nisses. Man kann sich wohl denken, daß die Miteigentümer eines Grundstückes sich wie erwähnt organisieren zur Ausübung aller ihrer Befugnisse als Eigentümer, mit der Wirkung, daß sie einzeln nicht mehr darüber verfügen noch es gerichtlich vertreten können, sondern nur noch durch eine gemeinsame und den Einzelnen ausschließende Vertretung, wie etwa den durch gemeinschaftliche übereinstimmende Entschließung aller Beteiligter oder eines von ihnen bestellten Vertreters 1. Das ist im Grundriß die Struktur des Gesamteigentums (oder des Gesamthandsverhältnisses über- haupt); in diesem Sinn sagt Art. 652 des SchwZGB, das Recht eines jeden gehe auf die ganze Sache 2. Allein als bleibende Ordnung wird diese Vertretungsform nicht genügen. Nicht nur sind auch andere als rechtsgeschäftliche Entschließungen zu treffen, nämlich über die Verwaltung und Nutzung des Grundstückes; auch die rechtsgeschäftlichen Ent- schließungen, z. B. die Verpachtung, Verpfändung, Veräußerung, 1 Eine Verpflichtung zu gesamter Hand liegt vor, wenn mehrere Schuldner nur zusammen belangt werden können; eine solche Gesamt- verpflichtung hat aber nur Sinn, wenn die Verpflichteten auch gesamthaft über aktive Rechte verfügen können und diese Aktiva auch irgendwie als Mittel zur Erfüllung der gesamthaften Schulden gebunden sind, wenn sie also haften für diese Schulden und Vollstreckung für Sonderschulden an diesen Aktiven nicht möglich ist. Soll aber ein gemeinsames Aktivum für gemeinsame Schulden ausschließlich haften, so darf darüber auch nur zu bestimmtem Zwecke verfügt werden, was zur juristischen Person führt. Vgl. SchwZGB 342, Abs. 2. Gierke, Deutsches Privatrecht I 669, 673, nimmt Gesamthandsverhältnisse auch für einzelne Verbindlichkeiten an. 2 Ob diese Gesamthand ein Rechtssubjekt ist, ist nicht die praktisch wichtige Frage, sondern wie sie, die Mehreren, gemeinschaftlich handeln; vgl. Binder a. a. O. 85; gleichwie das Problem der juristischen Person überhaupt nicht lautet, was diese (noch unbekannte) Person sei, sondern in was die Form gemeinschaftlicher Betätigung subjektiver Rechte, die wir Juristische Person nennen, bestehe. Auch das ist nicht wesentlich, ob die Vermögensverwaltung eine Verwaltung der Mitglieder sei oder der Gemeinschaft, sofern es nur eine einheitliche Verwaltung des Ganzen ist. Vgl. Sohm, Die deutsche Genossenschaft (1889) 28.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/333>, abgerufen am 24.11.2024.