ist, oder genauer: weil die ganze praktische Bedeutung der Frage sich darin erschöpft, ob ein entsprechender objektiver Rechtssatz bestehe und welches Organ, welche amtliche Instanz zuständig und damit gegebenfalls verpflichtet sei, die Anordnung zu treffen.
Wenn z. B. feststeht, daß der Friedensrichter Polizeibußen bis Fr. 10 endgültig aussprechen kann, weiß man alles, was praktisch erheblich ist, und es bleibt ohne jeden praktischen Sinn1, beizu- fügen: der Staat sei dazu berechtigt oder verpflichtet. Was man mit dieser Redensart sagen will, ist nur, daß, wie die anderen Staatsorgane, so auch der Friedensrichter, nicht kraft eines per- sönlichen Rechtstitel, in Ausübung seines Rechts, Recht spreche (wie etwa ein Gerichtsherr im Patrimonialstaat), sonder kraft desselben einheitlichen Rechtstitels, der alle Staatsorgane habili- tiert, kraft der staatlichen Rechtsordnung und letztlich der Ver- fassung. Das ist in einem negativen Ziel richtig und bedeutsam: was der Richter hier ausübt, sind nicht seine Rechte, über die er verfügen könnte, sondern Gebote des objektiven Rechtes. Aber ebensowenig sind es "Rechte" des Staates, nämlich Befugnisse, die er wie ein privater Berechtigter ausüben oder nicht ausüben kann; es sind, wir wiederholen es, Gebote des objektiven Rechtes, in dessen Dienst der Staat überhaupt steht. Wenn man diese Befugnisse "dem Staate" zuschreibt, besagt man richtig, daß sie nicht den einzelnen Beamten zustehen auf Grund verschiedener patrimonialer Rechtstitel, als subjektive Rechte, daß sie vielmehr auf einen Rechtstitel zurückgehen und Bestandteil eines Planes sind; aber dieser Rechtstitel ist das objektive Recht, die Rechts- ordnung selbst und der Staat ist nur die ebenfalls objektive Ein- richtung, die berufen ist, ihn geltend zu machen2.
Wenn feststeht, daß eine bestimmte Behörde nach der gelten- den Zuständigkeitsordnung bestimmte Anordnungen zu treffen hat, ist alles bestimmt, was praktische Bedeutung hat, also alles, wo- nach nach richtiger Methode überhaupt gefragt werden kann. Es läßt sich hier zwischen Rechten und Pflichten gar nicht unter- scheiden, weil die Behörde in allem, was sie tut, unpersönliche
1 Darum auch methodisch falsch. Vgl. Duguit, Traite de droit constitutionnel, 2. A., I (1921) 9; Jeze, Principes generaux du droit admi- nistratif, 3. A. (1925), 22.
2 Vgl. Carre de MalbergI 37.
III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
ist, oder genauer: weil die ganze praktische Bedeutung der Frage sich darin erschöpft, ob ein entsprechender objektiver Rechtssatz bestehe und welches Organ, welche amtliche Instanz zuständig und damit gegebenfalls verpflichtet sei, die Anordnung zu treffen.
Wenn z. B. feststeht, daß der Friedensrichter Polizeibußen bis Fr. 10 endgültig aussprechen kann, weiß man alles, was praktisch erheblich ist, und es bleibt ohne jeden praktischen Sinn1, beizu- fügen: der Staat sei dazu berechtigt oder verpflichtet. Was man mit dieser Redensart sagen will, ist nur, daß, wie die anderen Staatsorgane, so auch der Friedensrichter, nicht kraft eines per- sönlichen Rechtstitel, in Ausübung seines Rechts, Recht spreche (wie etwa ein Gerichtsherr im Patrimonialstaat), sonder kraft desselben einheitlichen Rechtstitels, der alle Staatsorgane habili- tiert, kraft der staatlichen Rechtsordnung und letztlich der Ver- fassung. Das ist in einem negativen Ziel richtig und bedeutsam: was der Richter hier ausübt, sind nicht seine Rechte, über die er verfügen könnte, sondern Gebote des objektiven Rechtes. Aber ebensowenig sind es „Rechte“ des Staates, nämlich Befugnisse, die er wie ein privater Berechtigter ausüben oder nicht ausüben kann; es sind, wir wiederholen es, Gebote des objektiven Rechtes, in dessen Dienst der Staat überhaupt steht. Wenn man diese Befugnisse „dem Staate“ zuschreibt, besagt man richtig, daß sie nicht den einzelnen Beamten zustehen auf Grund verschiedener patrimonialer Rechtstitel, als subjektive Rechte, daß sie vielmehr auf einen Rechtstitel zurückgehen und Bestandteil eines Planes sind; aber dieser Rechtstitel ist das objektive Recht, die Rechts- ordnung selbst und der Staat ist nur die ebenfalls objektive Ein- richtung, die berufen ist, ihn geltend zu machen2.
Wenn feststeht, daß eine bestimmte Behörde nach der gelten- den Zuständigkeitsordnung bestimmte Anordnungen zu treffen hat, ist alles bestimmt, was praktische Bedeutung hat, also alles, wo- nach nach richtiger Methode überhaupt gefragt werden kann. Es läßt sich hier zwischen Rechten und Pflichten gar nicht unter- scheiden, weil die Behörde in allem, was sie tut, unpersönliche
1 Darum auch methodisch falsch. Vgl. Duguit, Traitè de droit constitutionnel, 2. A., I (1921) 9; Jèze, Principes généraux du droit admi- nistratif, 3. A. (1925), 22.
2 Vgl. Carré de MalbergI 37.
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[338/0353]
III. Teil. Die rechtsgeschäftliche Verfassung.
ist, oder genauer: weil die ganze praktische Bedeutung der Frage
sich darin erschöpft, ob ein entsprechender objektiver Rechtssatz
bestehe und welches Organ, welche amtliche Instanz zuständig
und damit gegebenfalls verpflichtet sei, die Anordnung zu treffen.
Wenn z. B. feststeht, daß der Friedensrichter Polizeibußen
bis Fr. 10 endgültig aussprechen kann, weiß man alles, was praktisch
erheblich ist, und es bleibt ohne jeden praktischen Sinn 1, beizu-
fügen: der Staat sei dazu berechtigt oder verpflichtet. Was man
mit dieser Redensart sagen will, ist nur, daß, wie die anderen
Staatsorgane, so auch der Friedensrichter, nicht kraft eines per-
sönlichen Rechtstitel, in Ausübung seines Rechts, Recht spreche
(wie etwa ein Gerichtsherr im Patrimonialstaat), sonder kraft
desselben einheitlichen Rechtstitels, der alle Staatsorgane habili-
tiert, kraft der staatlichen Rechtsordnung und letztlich der Ver-
fassung. Das ist in einem negativen Ziel richtig und bedeutsam:
was der Richter hier ausübt, sind nicht seine Rechte, über die er
verfügen könnte, sondern Gebote des objektiven Rechtes. Aber
ebensowenig sind es „Rechte“ des Staates, nämlich Befugnisse,
die er wie ein privater Berechtigter ausüben oder nicht ausüben
kann; es sind, wir wiederholen es, Gebote des objektiven Rechtes,
in dessen Dienst der Staat überhaupt steht. Wenn man diese
Befugnisse „dem Staate“ zuschreibt, besagt man richtig, daß sie
nicht den einzelnen Beamten zustehen auf Grund verschiedener
patrimonialer Rechtstitel, als subjektive Rechte, daß sie vielmehr
auf einen Rechtstitel zurückgehen und Bestandteil eines Planes
sind; aber dieser Rechtstitel ist das objektive Recht, die Rechts-
ordnung selbst und der Staat ist nur die ebenfalls objektive Ein-
richtung, die berufen ist, ihn geltend zu machen 2.
Wenn feststeht, daß eine bestimmte Behörde nach der gelten-
den Zuständigkeitsordnung bestimmte Anordnungen zu treffen hat,
ist alles bestimmt, was praktische Bedeutung hat, also alles, wo-
nach nach richtiger Methode überhaupt gefragt werden kann. Es
läßt sich hier zwischen Rechten und Pflichten gar nicht unter-
scheiden, weil die Behörde in allem, was sie tut, unpersönliche
1 Darum auch methodisch falsch. Vgl. Duguit, Traitè de droit
constitutionnel, 2. A., I (1921) 9; Jèze, Principes généraux du droit admi-
nistratif, 3. A. (1925), 22.
2 Vgl. Carré de MalbergI 37.
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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/353>, abgerufen am 16.07.2024.
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