nung) bestimmen. Es genügt, daß eine Körperschaft dem Begriffe des Staates entspreche, damit sie Subjekt des Völkerrechtes sei; das allein, daß sie Staat sei, kann das Völkerrecht sicher voraus- setzen, weil es gerade unter diesen Gemeinschaften ein Völkerrecht geben muß und es nur unter ihnen eines geben kann. Aber wenn er Staat ist, muß es ihn auch hinnehmen wie er ist.
Welche Normen sich als die richtigen erweisen, läßt sich aber im Völkerrecht, wie im Landesrecht, nur im Hinblick auf bestimmte Voraussetzungen ausmachen. Zu diesen Voraussetzungen richtiger Entscheidung gehört die tatsächliche Beschaffenheit von Land und Leuten der Staaten, welche zusammen die zu ordnende Völker- gemeinschaft bilden und ihr gegenseitiges (geographisches und psychologisches) Verhältnis. Ohne Kenntnis dieser Tatsachen könnten die für diese Völkergemeinschaft zutreffenden Normen nicht gefunden werden. Der internationale Gesetzgeber (wenn es einen gäbe) müßte sich, bevor er sich an die Arbeit machte, unter- richten über die Bedürfnisse und Hilfsmittel jedes Landes, über die Fähigkeiten und Anlagen der Bevölkerung, die geographische Lage und die Mittel des Verkehrs. Die internationale Zusammen- arbeit kann nur sachgemäß geordnet werden, wenn man von be- stimmten, der Wirklichkeit entsprechenden Annahmen ausgeht. Richtiges Recht kann auch hier nur im Hinblick auf bestimmte tatsächliche Voraussetzungen gefunden werden. Es gibt kein Völkerrecht, das überhaupt richtig wäre, so wenig wie irgend ein anderes Recht.
Diese tatsächlichen Voraussetzungen müßten, um richtig ein- gestellt zu werden, vom (angenommenen) Gesetzgeber bewertet, eingeschätzt werden, nicht nur die natürlichen Hilfsmittel und die geographische Lage des Landes, sondern auch die Fähigkeiten und Charakteranlagen des Volkes; er müßte also auch den Wert jedes Volkes einschätzen. Kann das aber das Völkerrecht? Wir fragen nicht, ob es einen objektiven Maßstab dieser Bewertung überhaupt gebe und ob jemand erhaben genug sei, ihn unparteiisch anzuwenden; was wir bezweifeln ist vielmehr, ob das Völkerrecht diese Frage aufwerfen könne, die doch sicher aufgeworfen werden muß, wenn man begründeterweise eine internationale Ordnung erörtern will (denn die Staaten, deren Beziehungen rechtlicher Re- gelung bedürfen, sind Individualitäten, wie oben S. 360 ff. erwähnt,
Das Völkerrecht.
nung) bestimmen. Es genügt, daß eine Körperschaft dem Begriffe des Staates entspreche, damit sie Subjekt des Völkerrechtes sei; das allein, daß sie Staat sei, kann das Völkerrecht sicher voraus- setzen, weil es gerade unter diesen Gemeinschaften ein Völkerrecht geben muß und es nur unter ihnen eines geben kann. Aber wenn er Staat ist, muß es ihn auch hinnehmen wie er ist.
Welche Normen sich als die richtigen erweisen, läßt sich aber im Völkerrecht, wie im Landesrecht, nur im Hinblick auf bestimmte Voraussetzungen ausmachen. Zu diesen Voraussetzungen richtiger Entscheidung gehört die tatsächliche Beschaffenheit von Land und Leuten der Staaten, welche zusammen die zu ordnende Völker- gemeinschaft bilden und ihr gegenseitiges (geographisches und psychologisches) Verhältnis. Ohne Kenntnis dieser Tatsachen könnten die für diese Völkergemeinschaft zutreffenden Normen nicht gefunden werden. Der internationale Gesetzgeber (wenn es einen gäbe) müßte sich, bevor er sich an die Arbeit machte, unter- richten über die Bedürfnisse und Hilfsmittel jedes Landes, über die Fähigkeiten und Anlagen der Bevölkerung, die geographische Lage und die Mittel des Verkehrs. Die internationale Zusammen- arbeit kann nur sachgemäß geordnet werden, wenn man von be- stimmten, der Wirklichkeit entsprechenden Annahmen ausgeht. Richtiges Recht kann auch hier nur im Hinblick auf bestimmte tatsächliche Voraussetzungen gefunden werden. Es gibt kein Völkerrecht, das überhaupt richtig wäre, so wenig wie irgend ein anderes Recht.
Diese tatsächlichen Voraussetzungen müßten, um richtig ein- gestellt zu werden, vom (angenommenen) Gesetzgeber bewertet, eingeschätzt werden, nicht nur die natürlichen Hilfsmittel und die geographische Lage des Landes, sondern auch die Fähigkeiten und Charakteranlagen des Volkes; er müßte also auch den Wert jedes Volkes einschätzen. Kann das aber das Völkerrecht? Wir fragen nicht, ob es einen objektiven Maßstab dieser Bewertung überhaupt gebe und ob jemand erhaben genug sei, ihn unparteiisch anzuwenden; was wir bezweifeln ist vielmehr, ob das Völkerrecht diese Frage aufwerfen könne, die doch sicher aufgeworfen werden muß, wenn man begründeterweise eine internationale Ordnung erörtern will (denn die Staaten, deren Beziehungen rechtlicher Re- gelung bedürfen, sind Individualitäten, wie oben S. 360 ff. erwähnt,
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Das Völkerrecht.
nung) bestimmen. Es genügt, daß eine Körperschaft dem Begriffe
des Staates entspreche, damit sie Subjekt des Völkerrechtes sei;
das allein, daß sie Staat sei, kann das Völkerrecht sicher voraus-
setzen, weil es gerade unter diesen Gemeinschaften ein Völkerrecht
geben muß und es nur unter ihnen eines geben kann. Aber wenn
er Staat ist, muß es ihn auch hinnehmen wie er ist.
Welche Normen sich als die richtigen erweisen, läßt sich aber
im Völkerrecht, wie im Landesrecht, nur im Hinblick auf bestimmte
Voraussetzungen ausmachen. Zu diesen Voraussetzungen richtiger
Entscheidung gehört die tatsächliche Beschaffenheit von Land
und Leuten der Staaten, welche zusammen die zu ordnende Völker-
gemeinschaft bilden und ihr gegenseitiges (geographisches und
psychologisches) Verhältnis. Ohne Kenntnis dieser Tatsachen
könnten die für diese Völkergemeinschaft zutreffenden Normen
nicht gefunden werden. Der internationale Gesetzgeber (wenn es
einen gäbe) müßte sich, bevor er sich an die Arbeit machte, unter-
richten über die Bedürfnisse und Hilfsmittel jedes Landes, über
die Fähigkeiten und Anlagen der Bevölkerung, die geographische
Lage und die Mittel des Verkehrs. Die internationale Zusammen-
arbeit kann nur sachgemäß geordnet werden, wenn man von be-
stimmten, der Wirklichkeit entsprechenden Annahmen ausgeht.
Richtiges Recht kann auch hier nur im Hinblick auf bestimmte
tatsächliche Voraussetzungen gefunden werden. Es gibt kein
Völkerrecht, das überhaupt richtig wäre, so wenig wie irgend
ein anderes Recht.
Diese tatsächlichen Voraussetzungen müßten, um richtig ein-
gestellt zu werden, vom (angenommenen) Gesetzgeber bewertet,
eingeschätzt werden, nicht nur die natürlichen Hilfsmittel und die
geographische Lage des Landes, sondern auch die Fähigkeiten
und Charakteranlagen des Volkes; er müßte also auch den Wert
jedes Volkes einschätzen. Kann das aber das Völkerrecht? Wir
fragen nicht, ob es einen objektiven Maßstab dieser Bewertung
überhaupt gebe und ob jemand erhaben genug sei, ihn unparteiisch
anzuwenden; was wir bezweifeln ist vielmehr, ob das Völkerrecht
diese Frage aufwerfen könne, die doch sicher aufgeworfen werden
muß, wenn man begründeterweise eine internationale Ordnung
erörtern will (denn die Staaten, deren Beziehungen rechtlicher Re-
gelung bedürfen, sind Individualitäten, wie oben S. 360 ff. erwähnt,
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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/412>, abgerufen am 21.11.2024.
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