Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.Das Völkerrecht. Wollte der internationale Vertrag aber bestimmen, welcher Be-hörde Mitteilung gemacht werden soll, z. B. der Polizeibehörde der Gemeinde, und zwar unter Androhung von 1 bis 30 Tagen Haft im Falle der Unterlassung, so würde er sich wieder rechtlicher Begriffe bedienen, die sich auf landesrechtliche Einrichtungen be- ziehen und in jedem Lande etwas anderes bedeuten können: Ge- meinde-, Polizeibehörden, Haft. Eine internationale Ordnung muß eben immer auf die nationalen Ordnungen Bezug nehmen, und da diese nationalen Rechte untereinander abweichen, nimmt sie Bezug auf Begriffe, die vielleicht mit dem gleichen Wort bezeichnet werden, aber Verschiedenes bedeuten. Und will sie diese Begriffe einheitlich definieren, so muß sie auch das entsprechende nationale Recht ändern: eine besondere Gemeinde, eine besondere Polizei- behörde, eine besondere Haft, ja ein besonderes Strafverfahren vorschreiben, damit das internationale Recht auch wirklich ein- heitlich sei. Die vertragschließenden Staaten werden das in unserm Falle selbstverständlich nicht tun; sie werden nur Staaten mit ungefähr gleichwertiger Gesundheitspolizei aufnehmen, im übrigen aber über die Ungleichheiten in der Anwendung hinwegsehen, welche die unvermeidliche Folge ihrer verschiedenen Behörden- organisation und ihres Strafrechts sind. Aber das hebt die grund- sätzliche Schwierigkeit nicht auf: die Unmöglichkeit, internationale Rechtssätze aufzustellen, die für alle Staaten denselben Sinn haben. Da die Staaten diese Normen mit ihren Einrichtungen und nach ihrem Verfahren ausführen müssen, werden sie sie auch verschieden ausführen; wollte man ihnen aber genau dieselbe Ausführung zur Pflicht machen, so müßte man schließlich ihre ganze Rechtsordnung vereinheitlichen. Tut man das nicht, so wird immer eine brüchige Stelle zwischen dem einheitlichen internationalen und dem mannig- faltigen nationalen Rechte bleiben; wenn z. B. ein Niederlassungs- vertrag von konzessionierten Berufen, von Militär- oder Erbschafts- steuern spricht, ein Friedensvertrag von Entschädigung1. Zwei 1 Art. 297 des Versailler Vertrags spricht von Eingriffen in das Eigen-
tum; die Parteien werden diesen Bestimmungen einen Eigentumsbegriff zu- grunde gelegt haben, der wenigstens das enthält, das allen damaligen Eigen- tumsordnungen gemeinsam war. Wenn aber das außervertragliche, all- gemeine Völkerrecht eine derartige Entschädigungspflicht stipulierte, so könnte kaum bestimmt werden, was darunter zu verstehen sei; weshalb Das Völkerrecht. Wollte der internationale Vertrag aber bestimmen, welcher Be-hörde Mitteilung gemacht werden soll, z. B. der Polizeibehörde der Gemeinde, und zwar unter Androhung von 1 bis 30 Tagen Haft im Falle der Unterlassung, so würde er sich wieder rechtlicher Begriffe bedienen, die sich auf landesrechtliche Einrichtungen be- ziehen und in jedem Lande etwas anderes bedeuten können: Ge- meinde-, Polizeibehörden, Haft. Eine internationale Ordnung muß eben immer auf die nationalen Ordnungen Bezug nehmen, und da diese nationalen Rechte untereinander abweichen, nimmt sie Bezug auf Begriffe, die vielleicht mit dem gleichen Wort bezeichnet werden, aber Verschiedenes bedeuten. Und will sie diese Begriffe einheitlich definieren, so muß sie auch das entsprechende nationale Recht ändern: eine besondere Gemeinde, eine besondere Polizei- behörde, eine besondere Haft, ja ein besonderes Strafverfahren vorschreiben, damit das internationale Recht auch wirklich ein- heitlich sei. Die vertragschließenden Staaten werden das in unserm Falle selbstverständlich nicht tun; sie werden nur Staaten mit ungefähr gleichwertiger Gesundheitspolizei aufnehmen, im übrigen aber über die Ungleichheiten in der Anwendung hinwegsehen, welche die unvermeidliche Folge ihrer verschiedenen Behörden- organisation und ihres Strafrechts sind. Aber das hebt die grund- sätzliche Schwierigkeit nicht auf: die Unmöglichkeit, internationale Rechtssätze aufzustellen, die für alle Staaten denselben Sinn haben. Da die Staaten diese Normen mit ihren Einrichtungen und nach ihrem Verfahren ausführen müssen, werden sie sie auch verschieden ausführen; wollte man ihnen aber genau dieselbe Ausführung zur Pflicht machen, so müßte man schließlich ihre ganze Rechtsordnung vereinheitlichen. Tut man das nicht, so wird immer eine brüchige Stelle zwischen dem einheitlichen internationalen und dem mannig- faltigen nationalen Rechte bleiben; wenn z. B. ein Niederlassungs- vertrag von konzessionierten Berufen, von Militär- oder Erbschafts- steuern spricht, ein Friedensvertrag von Entschädigung1. Zwei 1 Art. 297 des Versailler Vertrags spricht von Eingriffen in das Eigen-
tum; die Parteien werden diesen Bestimmungen einen Eigentumsbegriff zu- grunde gelegt haben, der wenigstens das enthält, das allen damaligen Eigen- tumsordnungen gemeinsam war. Wenn aber das außervertragliche, all- gemeine Völkerrecht eine derartige Entschädigungspflicht stipulierte, so könnte kaum bestimmt werden, was darunter zu verstehen sei; weshalb <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0424" n="409"/><fw place="top" type="header">Das Völkerrecht.</fw><lb/> Wollte der internationale Vertrag aber bestimmen, welcher Be-<lb/> hörde Mitteilung gemacht werden soll, z. B. der Polizeibehörde<lb/> der Gemeinde, und zwar unter Androhung von 1 bis 30 Tagen Haft<lb/> im Falle der Unterlassung, so würde er sich wieder rechtlicher<lb/> Begriffe bedienen, die sich auf landesrechtliche Einrichtungen be-<lb/> ziehen und in jedem Lande etwas anderes bedeuten können: Ge-<lb/> meinde-, Polizeibehörden, Haft. Eine internationale Ordnung muß<lb/> eben immer auf die nationalen Ordnungen Bezug nehmen, und da<lb/> diese nationalen Rechte untereinander abweichen, nimmt sie Bezug<lb/> auf Begriffe, die vielleicht mit dem gleichen Wort bezeichnet<lb/> werden, aber Verschiedenes bedeuten. Und will sie diese Begriffe<lb/> einheitlich definieren, so muß sie auch das entsprechende nationale<lb/> Recht ändern: eine besondere Gemeinde, eine besondere Polizei-<lb/> behörde, eine besondere Haft, ja ein besonderes Strafverfahren<lb/> vorschreiben, damit das internationale Recht auch wirklich ein-<lb/> heitlich sei. Die vertragschließenden Staaten werden das in unserm<lb/> Falle selbstverständlich nicht tun; sie werden nur Staaten mit<lb/> ungefähr gleichwertiger Gesundheitspolizei aufnehmen, im übrigen<lb/> aber über die Ungleichheiten in der Anwendung hinwegsehen,<lb/> welche die unvermeidliche Folge ihrer verschiedenen Behörden-<lb/> organisation und ihres Strafrechts sind. Aber das hebt die grund-<lb/> sätzliche Schwierigkeit nicht auf: die Unmöglichkeit, internationale<lb/> Rechtssätze aufzustellen, die für alle Staaten denselben Sinn haben.<lb/> Da die Staaten diese Normen mit ihren Einrichtungen und nach<lb/> ihrem Verfahren ausführen müssen, werden sie sie auch verschieden<lb/> ausführen; wollte man ihnen aber genau dieselbe Ausführung zur<lb/> Pflicht machen, so müßte man schließlich ihre ganze Rechtsordnung<lb/> vereinheitlichen. Tut man das nicht, so wird immer eine brüchige<lb/> Stelle zwischen dem einheitlichen internationalen und dem mannig-<lb/> faltigen nationalen Rechte bleiben; wenn z. B. ein Niederlassungs-<lb/> vertrag von konzessionierten Berufen, von Militär- oder Erbschafts-<lb/> steuern spricht, ein Friedensvertrag von Entschädigung<note xml:id="seg2pn_58_1" next="#seg2pn_58_2" place="foot" n="1">Art. 297 des Versailler Vertrags spricht von Eingriffen in das Eigen-<lb/> tum; die Parteien werden diesen Bestimmungen einen Eigentumsbegriff zu-<lb/> grunde gelegt haben, der wenigstens <hi rendition="#g">das</hi> enthält, das allen damaligen Eigen-<lb/> tumsordnungen gemeinsam war. Wenn aber das außervertragliche, all-<lb/> gemeine Völkerrecht eine derartige Entschädigungspflicht stipulierte, so<lb/> könnte kaum bestimmt werden, was darunter zu verstehen sei; weshalb</note>. Zwei<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [409/0424]
Das Völkerrecht.
Wollte der internationale Vertrag aber bestimmen, welcher Be-
hörde Mitteilung gemacht werden soll, z. B. der Polizeibehörde
der Gemeinde, und zwar unter Androhung von 1 bis 30 Tagen Haft
im Falle der Unterlassung, so würde er sich wieder rechtlicher
Begriffe bedienen, die sich auf landesrechtliche Einrichtungen be-
ziehen und in jedem Lande etwas anderes bedeuten können: Ge-
meinde-, Polizeibehörden, Haft. Eine internationale Ordnung muß
eben immer auf die nationalen Ordnungen Bezug nehmen, und da
diese nationalen Rechte untereinander abweichen, nimmt sie Bezug
auf Begriffe, die vielleicht mit dem gleichen Wort bezeichnet
werden, aber Verschiedenes bedeuten. Und will sie diese Begriffe
einheitlich definieren, so muß sie auch das entsprechende nationale
Recht ändern: eine besondere Gemeinde, eine besondere Polizei-
behörde, eine besondere Haft, ja ein besonderes Strafverfahren
vorschreiben, damit das internationale Recht auch wirklich ein-
heitlich sei. Die vertragschließenden Staaten werden das in unserm
Falle selbstverständlich nicht tun; sie werden nur Staaten mit
ungefähr gleichwertiger Gesundheitspolizei aufnehmen, im übrigen
aber über die Ungleichheiten in der Anwendung hinwegsehen,
welche die unvermeidliche Folge ihrer verschiedenen Behörden-
organisation und ihres Strafrechts sind. Aber das hebt die grund-
sätzliche Schwierigkeit nicht auf: die Unmöglichkeit, internationale
Rechtssätze aufzustellen, die für alle Staaten denselben Sinn haben.
Da die Staaten diese Normen mit ihren Einrichtungen und nach
ihrem Verfahren ausführen müssen, werden sie sie auch verschieden
ausführen; wollte man ihnen aber genau dieselbe Ausführung zur
Pflicht machen, so müßte man schließlich ihre ganze Rechtsordnung
vereinheitlichen. Tut man das nicht, so wird immer eine brüchige
Stelle zwischen dem einheitlichen internationalen und dem mannig-
faltigen nationalen Rechte bleiben; wenn z. B. ein Niederlassungs-
vertrag von konzessionierten Berufen, von Militär- oder Erbschafts-
steuern spricht, ein Friedensvertrag von Entschädigung 1. Zwei
1 Art. 297 des Versailler Vertrags spricht von Eingriffen in das Eigen-
tum; die Parteien werden diesen Bestimmungen einen Eigentumsbegriff zu-
grunde gelegt haben, der wenigstens das enthält, das allen damaligen Eigen-
tumsordnungen gemeinsam war. Wenn aber das außervertragliche, all-
gemeine Völkerrecht eine derartige Entschädigungspflicht stipulierte, so
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