Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Einzelnen. fähig und als vermögensfähig anerkennen. Wenn er den Ausländerlediglich seiner (inländischen) Rechtsordnung teilhaftig erklärt, so macht er ihn insofern zum Inländer. Er stellt dann den Satz auf, daß kein Staat völkerrechtlich verpflichtet ist, den Angehörigen der anderen irgendwelche Rechtsstellung zu ge- währen. Das kann er tun. Aber er muß dann folgerichtigerweise das fremde Recht ignorieren. Sobald er ausländisches Recht anwendet oder auch nur die nach Heimatrecht begründete Familie und die dort erworbenen Vermögensrechte schützt, anerkennt er auch diese Rechtsordnung selbst1. Und wenn er eine ausländische Gesetzgebung als solche anerkennt, so hat er damit folgerichtiger-, logischerweise, wenn auch nicht diplomatisch verbindlich, den betreffenden Staat als eine Person des Völkerrechts anerkannt, der gegenüber er selbst in einem Verhältnis von Recht und Pflicht steht. Er kann ihm logischerweise fortan nicht mehr Rechenschaft darüber verweigern, wie er seine Angehörigen behandle. -- Und umgekehrt: wenn ein Staat mit einem anderen Staat einen (mehr oder weniger freien) Personen- oder Güterverkehr unterhält und unterhalten will, muß er auch den Angehörigen dieses Staates irgend eine Rechtsfähigkeit, einen Familienstand und Vermögens- stand zuerkennen; er kann den Ausländer, der ihm Güter verkauft oder sich in seinem Gebiet niederläßt, nicht als rechtslos, seine Ware nicht als herrenlos behandeln. Der Staat, der jenen Verkehr, vertraglich oder stillschweigend, zuläßt, anerkennt grundsätzlich auch diese Pflicht2. Eine sekundäre Frage ist es, unter welchem 1 Umgekehrt: wenn ein Staat ein ausländisches Privatrecht, z. B. einen im Ausland geschlossenen Vertrag nicht mehr anerkennt, erkennt er die ausländische Rechtsordnung (insofern) nicht mehr an und verstößt gegen die Rechte dieses Staates. Als im Jahre 1919 ein rumänisches Gesetz den Schuldnern verbot, den auswärtigen Gläubigern, auch bei abgemachter Frankenzahlung, den effektiven Frankenwert zu bezahlen, verstieß es gegen ausländisches Privatrecht, dessen Anerkennung der Gläubigerstaat billiger- weise verlangen konnte. Das Privatrecht gehört zur Rechtsordnung und die Rechtsordnung zum Staat; wer die Rechtsordnung in ihrem legitimen Geltungsbereich verkennt, verkennt den Staat. Vgl. oben S. 414. 2 A fortiori ist auch ein Anleihensvertrag, den ein Staat mit aus- ländischen Privaten abschließt, nicht nur nach Landesrecht zu beurteilen; er impliziert eine völkerrechtliche Pflicht, die auch durch andere Staaten in einem förmlichen Staatsvertrag garantiert werden kann. Vgl. Hat- scheck, Völkerrecht (1923) 257. Burckhardt, Organisation. 29
Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Einzelnen. fähig und als vermögensfähig anerkennen. Wenn er den Ausländerlediglich seiner (inländischen) Rechtsordnung teilhaftig erklärt, so macht er ihn insofern zum Inländer. Er stellt dann den Satz auf, daß kein Staat völkerrechtlich verpflichtet ist, den Angehörigen der anderen irgendwelche Rechtsstellung zu ge- währen. Das kann er tun. Aber er muß dann folgerichtigerweise das fremde Recht ignorieren. Sobald er ausländisches Recht anwendet oder auch nur die nach Heimatrecht begründete Familie und die dort erworbenen Vermögensrechte schützt, anerkennt er auch diese Rechtsordnung selbst1. Und wenn er eine ausländische Gesetzgebung als solche anerkennt, so hat er damit folgerichtiger-, logischerweise, wenn auch nicht diplomatisch verbindlich, den betreffenden Staat als eine Person des Völkerrechts anerkannt, der gegenüber er selbst in einem Verhältnis von Recht und Pflicht steht. Er kann ihm logischerweise fortan nicht mehr Rechenschaft darüber verweigern, wie er seine Angehörigen behandle. — Und umgekehrt: wenn ein Staat mit einem anderen Staat einen (mehr oder weniger freien) Personen- oder Güterverkehr unterhält und unterhalten will, muß er auch den Angehörigen dieses Staates irgend eine Rechtsfähigkeit, einen Familienstand und Vermögens- stand zuerkennen; er kann den Ausländer, der ihm Güter verkauft oder sich in seinem Gebiet niederläßt, nicht als rechtslos, seine Ware nicht als herrenlos behandeln. Der Staat, der jenen Verkehr, vertraglich oder stillschweigend, zuläßt, anerkennt grundsätzlich auch diese Pflicht2. Eine sekundäre Frage ist es, unter welchem 1 Umgekehrt: wenn ein Staat ein ausländisches Privatrecht, z. B. einen im Ausland geschlossenen Vertrag nicht mehr anerkennt, erkennt er die ausländische Rechtsordnung (insofern) nicht mehr an und verstößt gegen die Rechte dieses Staates. Als im Jahre 1919 ein rumänisches Gesetz den Schuldnern verbot, den auswärtigen Gläubigern, auch bei abgemachter Frankenzahlung, den effektiven Frankenwert zu bezahlen, verstieß es gegen ausländisches Privatrecht, dessen Anerkennung der Gläubigerstaat billiger- weise verlangen konnte. Das Privatrecht gehört zur Rechtsordnung und die Rechtsordnung zum Staat; wer die Rechtsordnung in ihrem legitimen Geltungsbereich verkennt, verkennt den Staat. Vgl. oben S. 414. 2 A fortiori ist auch ein Anleihensvertrag, den ein Staat mit aus- ländischen Privaten abschließt, nicht nur nach Landesrecht zu beurteilen; er impliziert eine völkerrechtliche Pflicht, die auch durch andere Staaten in einem förmlichen Staatsvertrag garantiert werden kann. Vgl. Hat- scheck, Völkerrecht (1923) 257. Burckhardt, Organisation. 29
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Die völkerrechtliche Verantwortlichkeit der Einzelnen.
fähig und als vermögensfähig anerkennen. Wenn er den Ausländer
lediglich seiner (inländischen) Rechtsordnung teilhaftig erklärt,
so macht er ihn insofern zum Inländer. Er stellt dann den Satz
auf, daß kein Staat völkerrechtlich verpflichtet ist, den
Angehörigen der anderen irgendwelche Rechtsstellung zu ge-
währen. Das kann er tun. Aber er muß dann folgerichtigerweise
das fremde Recht ignorieren. Sobald er ausländisches Recht
anwendet oder auch nur die nach Heimatrecht begründete Familie
und die dort erworbenen Vermögensrechte schützt, anerkennt er
auch diese Rechtsordnung selbst 1. Und wenn er eine ausländische
Gesetzgebung als solche anerkennt, so hat er damit folgerichtiger-,
logischerweise, wenn auch nicht diplomatisch verbindlich, den
betreffenden Staat als eine Person des Völkerrechts anerkannt,
der gegenüber er selbst in einem Verhältnis von Recht und Pflicht
steht. Er kann ihm logischerweise fortan nicht mehr Rechenschaft
darüber verweigern, wie er seine Angehörigen behandle. — Und
umgekehrt: wenn ein Staat mit einem anderen Staat einen (mehr
oder weniger freien) Personen- oder Güterverkehr unterhält und
unterhalten will, muß er auch den Angehörigen dieses Staates
irgend eine Rechtsfähigkeit, einen Familienstand und Vermögens-
stand zuerkennen; er kann den Ausländer, der ihm Güter verkauft
oder sich in seinem Gebiet niederläßt, nicht als rechtslos, seine
Ware nicht als herrenlos behandeln. Der Staat, der jenen Verkehr,
vertraglich oder stillschweigend, zuläßt, anerkennt grundsätzlich
auch diese Pflicht 2. Eine sekundäre Frage ist es, unter welchem
1 Umgekehrt: wenn ein Staat ein ausländisches Privatrecht, z. B. einen
im Ausland geschlossenen Vertrag nicht mehr anerkennt, erkennt er die
ausländische Rechtsordnung (insofern) nicht mehr an und verstößt gegen
die Rechte dieses Staates. Als im Jahre 1919 ein rumänisches Gesetz den
Schuldnern verbot, den auswärtigen Gläubigern, auch bei abgemachter
Frankenzahlung, den effektiven Frankenwert zu bezahlen, verstieß es gegen
ausländisches Privatrecht, dessen Anerkennung der Gläubigerstaat billiger-
weise verlangen konnte. Das Privatrecht gehört zur Rechtsordnung und
die Rechtsordnung zum Staat; wer die Rechtsordnung in ihrem legitimen
Geltungsbereich verkennt, verkennt den Staat. Vgl. oben S. 414.
2 A fortiori ist auch ein Anleihensvertrag, den ein Staat mit aus-
ländischen Privaten abschließt, nicht nur nach Landesrecht zu beurteilen;
er impliziert eine völkerrechtliche Pflicht, die auch durch andere Staaten
in einem förmlichen Staatsvertrag garantiert werden kann. Vgl. Hat-
scheck, Völkerrecht (1923) 257.
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