Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

Bild:
<< vorherige Seite
Zwingendes und nichtzwingendes Recht.

Öffentlich-rechtlich ist also die primäre Bestimmung des
Inhaltes des Eigentums; privatrechtlich die weiteren Beschrän-
kungen der Ausübung dieses Rechts im Verhältnis zu und im
Interesse von anderen Eigentümern.

Privatrechtlich ist aber auch die Ordnung der zweiten der
oben erwähnten Fragen: der Frage, wem jeweilen dieses Recht
zusteht.
Auch hier sind öffentlich-rechtliche Beschränkungen
möglich: nicht nur können juristische Personen durch zwingende
Vorschriften (gegen Vermögensanhäufung in toter Hand) in der
Fähigkeit, Eigentum zu haben, beschränkt sein; auch natür-
liche Personen kann eine solche Beschränkung (z. B. durch Agrar-
reformen) treffen. Aber, wenn überhaupt Privateigentum anerkannt
wird, und soweit es positivrechtlich anerkannt wird, muß auch,
in gewissen Schranken, die Freiheit rechtsgeschäftlicher Ver-
fügung anerkannt sein. Denn darin besteht das Wesen des Privat-
eigentums, daß der Eigentümer (zugunsten anderer) auf sein
Recht verzichten, darüber rechtsgeschäftlich verfügen kann.
Allerdings enthält auch dieser Teil des Sachenrechts notwendig
zwingende Normen: die Regeln nämlich, welche die Formen des
rechtsgeschäftlichen Verkehres aufstellen; wie man gültig eine
Sache veräußern, verpfänden, belasten, zusammenlegen oder
teilen kann, ist notwendig Gegenstand zwingender, also öffent-
lich-rechtlicher Vorschriften, gleich wie die Formen der Rechts-
geschäfte überhaupt (oben S. 25). Privatrechtlich sind aber die
Normen, nach denen sich entscheidet, wer jeweilen als Eigentümer
zu betrachten sei. Diese Frage scheint allerdings schon durch die
Anerkennung rechtsgeschäftlicher Verfügung entschieden zu sein:
wenn das Gesetz erklärt, daß der A seine Sache (in bestimmter
Form) gültig dem B verkaufen kann, so ist damit auch gesagt, so
scheint es, daß der B Eigentümer wird und als solcher anzuerkennen
ist. Allein hier ist zu unterscheiden: das Gesetz kann den Kauf-

tuation de droit objectif, une situation legale" nennen; oder mit Jeze,
Les principes generaux du droit administratif, 3. A., II, "des situations
juridiques generales, impersonnelles, objectives"; aber man muß sich darüber
klar bleiben, daß diese Rechtslage zu einem Teil primär, durch öffentliches,
zu einem andern Teil sekundär, durch privates Recht bestimmt wird und
daß sich beides nur auf den Inhalt, nicht auf die Zuständigkeit des Rechts
bezieht.
Zwingendes und nichtzwingendes Recht.

Öffentlich-rechtlich ist also die primäre Bestimmung des
Inhaltes des Eigentums; privatrechtlich die weiteren Beschrän-
kungen der Ausübung dieses Rechts im Verhältnis zu und im
Interesse von anderen Eigentümern.

Privatrechtlich ist aber auch die Ordnung der zweiten der
oben erwähnten Fragen: der Frage, wem jeweilen dieses Recht
zusteht.
Auch hier sind öffentlich-rechtliche Beschränkungen
möglich: nicht nur können juristische Personen durch zwingende
Vorschriften (gegen Vermögensanhäufung in toter Hand) in der
Fähigkeit, Eigentum zu haben, beschränkt sein; auch natür-
liche Personen kann eine solche Beschränkung (z. B. durch Agrar-
reformen) treffen. Aber, wenn überhaupt Privateigentum anerkannt
wird, und soweit es positivrechtlich anerkannt wird, muß auch,
in gewissen Schranken, die Freiheit rechtsgeschäftlicher Ver-
fügung anerkannt sein. Denn darin besteht das Wesen des Privat-
eigentums, daß der Eigentümer (zugunsten anderer) auf sein
Recht verzichten, darüber rechtsgeschäftlich verfügen kann.
Allerdings enthält auch dieser Teil des Sachenrechts notwendig
zwingende Normen: die Regeln nämlich, welche die Formen des
rechtsgeschäftlichen Verkehres aufstellen; wie man gültig eine
Sache veräußern, verpfänden, belasten, zusammenlegen oder
teilen kann, ist notwendig Gegenstand zwingender, also öffent-
lich-rechtlicher Vorschriften, gleich wie die Formen der Rechts-
geschäfte überhaupt (oben S. 25). Privatrechtlich sind aber die
Normen, nach denen sich entscheidet, wer jeweilen als Eigentümer
zu betrachten sei. Diese Frage scheint allerdings schon durch die
Anerkennung rechtsgeschäftlicher Verfügung entschieden zu sein:
wenn das Gesetz erklärt, daß der A seine Sache (in bestimmter
Form) gültig dem B verkaufen kann, so ist damit auch gesagt, so
scheint es, daß der B Eigentümer wird und als solcher anzuerkennen
ist. Allein hier ist zu unterscheiden: das Gesetz kann den Kauf-

tuation de droit objectif, une situation légale“ nennen; oder mit Jèze,
Les principes généraux du droit administratif, 3. A., II, „des situations
juridiques générales, impersonnelles, objectives“; aber man muß sich darüber
klar bleiben, daß diese Rechtslage zu einem Teil primär, durch öffentliches,
zu einem andern Teil sekundär, durch privates Recht bestimmt wird und
daß sich beides nur auf den Inhalt, nicht auf die Zuständigkeit des Rechts
bezieht.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0050" n="35"/>
            <fw place="top" type="header">Zwingendes und nichtzwingendes Recht.</fw><lb/>
            <p>Öffentlich-rechtlich ist also die primäre Bestimmung des<lb/>
Inhaltes des Eigentums; privatrechtlich die weiteren Beschrän-<lb/>
kungen der Ausübung dieses Rechts im Verhältnis zu und im<lb/>
Interesse von anderen Eigentümern.</p><lb/>
            <p>Privatrechtlich ist aber auch die Ordnung der zweiten der<lb/>
oben erwähnten Fragen: der Frage, <hi rendition="#b">wem jeweilen dieses Recht<lb/>
zusteht.</hi> Auch hier sind öffentlich-rechtliche Beschränkungen<lb/>
möglich: nicht nur können juristische Personen durch zwingende<lb/>
Vorschriften (gegen Vermögensanhäufung in toter Hand) in der<lb/>
Fähigkeit, Eigentum zu haben, beschränkt sein; auch natür-<lb/>
liche Personen kann eine solche Beschränkung (z. B. durch Agrar-<lb/>
reformen) treffen. Aber, wenn überhaupt Privateigentum anerkannt<lb/>
wird, und soweit es positivrechtlich anerkannt wird, muß auch,<lb/>
in gewissen Schranken, die Freiheit rechtsgeschäftlicher Ver-<lb/>
fügung anerkannt sein. Denn darin besteht das Wesen des <hi rendition="#g">Privat-</hi><lb/>
eigentums, daß der Eigentümer (zugunsten anderer) auf sein<lb/>
Recht verzichten, darüber rechtsgeschäftlich verfügen kann.<lb/>
Allerdings enthält auch dieser Teil des Sachenrechts notwendig<lb/>
zwingende Normen: die Regeln nämlich, welche die Formen des<lb/>
rechtsgeschäftlichen Verkehres aufstellen; wie man gültig eine<lb/>
Sache veräußern, verpfänden, belasten, zusammenlegen oder<lb/>
teilen kann, ist notwendig Gegenstand zwingender, also öffent-<lb/>
lich-rechtlicher Vorschriften, gleich wie die Formen der Rechts-<lb/>
geschäfte überhaupt (oben S. 25). Privatrechtlich sind aber die<lb/>
Normen, nach denen sich entscheidet, wer jeweilen als Eigentümer<lb/>
zu betrachten sei. Diese Frage scheint allerdings schon durch die<lb/>
Anerkennung rechtsgeschäftlicher Verfügung entschieden zu sein:<lb/>
wenn das Gesetz erklärt, daß der A seine Sache (in bestimmter<lb/>
Form) gültig dem B verkaufen kann, so ist damit auch gesagt, so<lb/>
scheint es, daß der B Eigentümer wird und als solcher anzuerkennen<lb/>
ist. Allein hier ist zu unterscheiden: das Gesetz kann den Kauf-<lb/><note xml:id="seg2pn_7_2" prev="#seg2pn_7_1" place="foot" n="1">tuation de droit objectif, une situation légale&#x201C; nennen; oder mit <hi rendition="#g">Jèze,</hi><lb/>
Les principes généraux du droit administratif, 3. A., II, &#x201E;des situations<lb/>
juridiques générales, impersonnelles, objectives&#x201C;; aber man muß sich darüber<lb/>
klar bleiben, daß diese Rechtslage zu einem Teil primär, durch öffentliches,<lb/>
zu einem andern Teil sekundär, durch privates Recht bestimmt wird und<lb/>
daß sich beides nur auf den Inhalt, nicht auf die Zuständigkeit des Rechts<lb/>
bezieht.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0050] Zwingendes und nichtzwingendes Recht. Öffentlich-rechtlich ist also die primäre Bestimmung des Inhaltes des Eigentums; privatrechtlich die weiteren Beschrän- kungen der Ausübung dieses Rechts im Verhältnis zu und im Interesse von anderen Eigentümern. Privatrechtlich ist aber auch die Ordnung der zweiten der oben erwähnten Fragen: der Frage, wem jeweilen dieses Recht zusteht. Auch hier sind öffentlich-rechtliche Beschränkungen möglich: nicht nur können juristische Personen durch zwingende Vorschriften (gegen Vermögensanhäufung in toter Hand) in der Fähigkeit, Eigentum zu haben, beschränkt sein; auch natür- liche Personen kann eine solche Beschränkung (z. B. durch Agrar- reformen) treffen. Aber, wenn überhaupt Privateigentum anerkannt wird, und soweit es positivrechtlich anerkannt wird, muß auch, in gewissen Schranken, die Freiheit rechtsgeschäftlicher Ver- fügung anerkannt sein. Denn darin besteht das Wesen des Privat- eigentums, daß der Eigentümer (zugunsten anderer) auf sein Recht verzichten, darüber rechtsgeschäftlich verfügen kann. Allerdings enthält auch dieser Teil des Sachenrechts notwendig zwingende Normen: die Regeln nämlich, welche die Formen des rechtsgeschäftlichen Verkehres aufstellen; wie man gültig eine Sache veräußern, verpfänden, belasten, zusammenlegen oder teilen kann, ist notwendig Gegenstand zwingender, also öffent- lich-rechtlicher Vorschriften, gleich wie die Formen der Rechts- geschäfte überhaupt (oben S. 25). Privatrechtlich sind aber die Normen, nach denen sich entscheidet, wer jeweilen als Eigentümer zu betrachten sei. Diese Frage scheint allerdings schon durch die Anerkennung rechtsgeschäftlicher Verfügung entschieden zu sein: wenn das Gesetz erklärt, daß der A seine Sache (in bestimmter Form) gültig dem B verkaufen kann, so ist damit auch gesagt, so scheint es, daß der B Eigentümer wird und als solcher anzuerkennen ist. Allein hier ist zu unterscheiden: das Gesetz kann den Kauf- 1 1 tuation de droit objectif, une situation légale“ nennen; oder mit Jèze, Les principes généraux du droit administratif, 3. A., II, „des situations juridiques générales, impersonnelles, objectives“; aber man muß sich darüber klar bleiben, daß diese Rechtslage zu einem Teil primär, durch öffentliches, zu einem andern Teil sekundär, durch privates Recht bestimmt wird und daß sich beides nur auf den Inhalt, nicht auf die Zuständigkeit des Rechts bezieht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/50
Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/50>, abgerufen am 23.11.2024.