Rechtsgeschäfte des privaten und des öffentlichen Rechts.
Eine letzte Einwendung müssen wir uns selbst machen. Es kommt häufig vor, daß der Staat privatrechtliche Verträge ab- schließt, Verträge, die in jeder Beziehung unter den Regeln des Privatrechts stehen. Wie ist das möglich, wenn der Staat zur Verwirklichung des objektiven Rechts berufen ist, der Vertrag aber, per definitionem, ein Akt subjektiver Willkür ist? Wie kann sich der Staat auf dieses Gebiet begeben? Die herrschende Lehre findet hier keine Schwierigkeit, sofern das positive Recht das Verhältnis deutlich als privatrechtliches kennzeichnet; Schwie- rigkeiten sieht sie nur da, wo das nicht der Fall ist und sie dann den Schlüssel für die Entscheidung liefern soll, welchem Gebiete ein Rechtsverhältnis zuzuweisen ist, dem öffentlichen oder dem Privatrecht. Wir aber halten diese Frage zunächst für eine Frage der Auslegung des positiven Rechts, für die es keine allgemein- gültigen Grundsätze gibt als die Grundsätze richtiger Auslegung überhaupt, und wir denken nicht daran zu bestreiten, daß das positive Recht viele solche Fälle vorsieht. Was uns aber als er- klärungsbedürftig erscheint, ist die Tatsache, daß der Staat über- haupt Privatgeschäfte abschließen könne, daß das positive Recht so etwas vorschreiben könne.
Indessen müssen wir gleich zwei Fälle unterscheiden: den Fall, wo der Staat zufällig eine Rechtshandlung vornimmt, die nicht zu seinen öffentlichen Aufgaben gehört, sondern zu denen des sog. Fiskus; und den Fall, wo der Staat planmäßig, in Aus- übung einer gesetzlichen Aufgabe, Verträge abschließt, wie beim Betrieb von Eisenbahnen, beim Verkauf von Salz, oder (die Ge- meinden) bei der Abgabe von Wasser oder Elektrizität.
Die Fälle der ersten Art gehören, im Gegensatz zu den zweiten, wirklich und nach beiden Seiten hin dem Privatrecht an; der Staat kann hier schalten und walten wie eine Privat- person. Aber sie gehören auch nicht zu dem Gebiet, auf dem das Gesetz herrscht und auf dem der Staat der hohe Vertreter der Rechtsordnung ist. Hier herrscht der Zufall, und die Entscheidung steht bei der Willkür.
Zweiseitiger Verwaltungsakt und Verwaltungsakt auf Unterwerfung, in Festschrift für das Preuß. Oberverw.-Gericht (1925) 84 ff, Bornhak, Preußisches Staatsrecht II (1889) 28; Grundriß des Verwaltungsrechts, 3. A. (1911) 35.
Rechtsgeschäfte des privaten und des öffentlichen Rechts.
Eine letzte Einwendung müssen wir uns selbst machen. Es kommt häufig vor, daß der Staat privatrechtliche Verträge ab- schließt, Verträge, die in jeder Beziehung unter den Regeln des Privatrechts stehen. Wie ist das möglich, wenn der Staat zur Verwirklichung des objektiven Rechts berufen ist, der Vertrag aber, per definitionem, ein Akt subjektiver Willkür ist? Wie kann sich der Staat auf dieses Gebiet begeben? Die herrschende Lehre findet hier keine Schwierigkeit, sofern das positive Recht das Verhältnis deutlich als privatrechtliches kennzeichnet; Schwie- rigkeiten sieht sie nur da, wo das nicht der Fall ist und sie dann den Schlüssel für die Entscheidung liefern soll, welchem Gebiete ein Rechtsverhältnis zuzuweisen ist, dem öffentlichen oder dem Privatrecht. Wir aber halten diese Frage zunächst für eine Frage der Auslegung des positiven Rechts, für die es keine allgemein- gültigen Grundsätze gibt als die Grundsätze richtiger Auslegung überhaupt, und wir denken nicht daran zu bestreiten, daß das positive Recht viele solche Fälle vorsieht. Was uns aber als er- klärungsbedürftig erscheint, ist die Tatsache, daß der Staat über- haupt Privatgeschäfte abschließen könne, daß das positive Recht so etwas vorschreiben könne.
Indessen müssen wir gleich zwei Fälle unterscheiden: den Fall, wo der Staat zufällig eine Rechtshandlung vornimmt, die nicht zu seinen öffentlichen Aufgaben gehört, sondern zu denen des sog. Fiskus; und den Fall, wo der Staat planmäßig, in Aus- übung einer gesetzlichen Aufgabe, Verträge abschließt, wie beim Betrieb von Eisenbahnen, beim Verkauf von Salz, oder (die Ge- meinden) bei der Abgabe von Wasser oder Elektrizität.
Die Fälle der ersten Art gehören, im Gegensatz zu den zweiten, wirklich und nach beiden Seiten hin dem Privatrecht an; der Staat kann hier schalten und walten wie eine Privat- person. Aber sie gehören auch nicht zu dem Gebiet, auf dem das Gesetz herrscht und auf dem der Staat der hohe Vertreter der Rechtsordnung ist. Hier herrscht der Zufall, und die Entscheidung steht bei der Willkür.
Zweiseitiger Verwaltungsakt und Verwaltungsakt auf Unterwerfung, in Festschrift für das Preuß. Oberverw.-Gericht (1925) 84 ff, Bornhak, Preußisches Staatsrecht II (1889) 28; Grundriß des Verwaltungsrechts, 3. A. (1911) 35.
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Rechtsgeschäfte des privaten und des öffentlichen Rechts.
Eine letzte Einwendung müssen wir uns selbst machen. Es
kommt häufig vor, daß der Staat privatrechtliche Verträge ab-
schließt, Verträge, die in jeder Beziehung unter den Regeln des
Privatrechts stehen. Wie ist das möglich, wenn der Staat zur
Verwirklichung des objektiven Rechts berufen ist, der Vertrag
aber, per definitionem, ein Akt subjektiver Willkür ist? Wie
kann sich der Staat auf dieses Gebiet begeben? Die herrschende
Lehre findet hier keine Schwierigkeit, sofern das positive Recht
das Verhältnis deutlich als privatrechtliches kennzeichnet; Schwie-
rigkeiten sieht sie nur da, wo das nicht der Fall ist und sie dann
den Schlüssel für die Entscheidung liefern soll, welchem Gebiete
ein Rechtsverhältnis zuzuweisen ist, dem öffentlichen oder dem
Privatrecht. Wir aber halten diese Frage zunächst für eine Frage
der Auslegung des positiven Rechts, für die es keine allgemein-
gültigen Grundsätze gibt als die Grundsätze richtiger Auslegung
überhaupt, und wir denken nicht daran zu bestreiten, daß das
positive Recht viele solche Fälle vorsieht. Was uns aber als er-
klärungsbedürftig erscheint, ist die Tatsache, daß der Staat über-
haupt Privatgeschäfte abschließen könne, daß das positive Recht
so etwas vorschreiben könne.
Indessen müssen wir gleich zwei Fälle unterscheiden: den
Fall, wo der Staat zufällig eine Rechtshandlung vornimmt, die
nicht zu seinen öffentlichen Aufgaben gehört, sondern zu denen
des sog. Fiskus; und den Fall, wo der Staat planmäßig, in Aus-
übung einer gesetzlichen Aufgabe, Verträge abschließt, wie beim
Betrieb von Eisenbahnen, beim Verkauf von Salz, oder (die Ge-
meinden) bei der Abgabe von Wasser oder Elektrizität.
Die Fälle der ersten Art gehören, im Gegensatz zu den
zweiten, wirklich und nach beiden Seiten hin dem Privatrecht
an; der Staat kann hier schalten und walten wie eine Privat-
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Gesetz herrscht und auf dem der Staat der hohe Vertreter der
Rechtsordnung ist. Hier herrscht der Zufall, und die Entscheidung
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2 Zweiseitiger Verwaltungsakt und Verwaltungsakt auf Unterwerfung, in
Festschrift für das Preuß. Oberverw.-Gericht (1925) 84 ff, Bornhak,
Preußisches Staatsrecht II (1889) 28; Grundriß des Verwaltungsrechts,
3. A. (1911) 35.
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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/72>, abgerufen am 21.11.2024.
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