Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht. geschäft, sondern von Gesetzes wegen. Aber das Rechtsverhält-nis, das daraus entsteht, ist ein privatrechtliches; denn der Be- rechtigte kann auf seinen Anspruch verzichten. Es bildet den Gegenstand rechtsgeschäftlicher Verfügung. Privatrechtlich ist demgemäß die Norm, vermöge welcher ein solcher subjektiver Anspruch besteht; z. B. die Norm, daß der Bereicherte das heraus- zugeben hat, quo locupletior factus est, daß der Schädiger den Schaden zu ersetzen hat, gleichwie der Satz, daß der Mieter seinen Mietzins zu bezahlen hat. Denn daraus entstehen überall subjektive Rechte, Forderungen, auf die der Gläubiger ver- zichten kann. Im Gegensatz zu den zwingenden Normen, die Pflichten vorsehen, auf die der "Berechtigte" nicht verzichten kann, die unerlaßbar, des öffentlichen Interesses wegen, bestehen, unbedingt. Die Pflicht des Vaters, dem mündigen Sohn das Kindesvermögen herauszugeben, ist privatrechtlich, weil der Sohn darauf verzichten kann; sowohl im Grundsatz wie in der Anwendung als konkrete Pflicht. Die Pflicht, den Sohn im Falle der Not zu unterstützen, ist eine privatrechtliche, sofern und soweit (nach positivem Recht) der Sohn als Berechtigter, dem Vater die Pflicht erlassen kann; öffentlich-rechtlich aber sofern und soweit er auf sein "Recht" nicht rechtswirksam verzichten, sondern es nur unausgeübt lassen kann. Ebenso die vermögens- rechtlichen Pflichten der Ehegatten im Falle der Scheidung; kann der Ehegatte auf die in Art. 152 Schw ZGB für den Fall großer Bedürftigkeit vorgesehenen Beitrag, zum voraus oder nach ein- getretener Bedürftigkeit, verzichten, so ist es eine privatrechtliche Pflicht, andernfalls und soweit sie nicht erlassen werden kann, eine öffentlich-rechtliche. Selbstverständlich: da wir die öffentlich- rechtliche Norm durch ihren zwingenden, die privatrechtliche durch ihren dispositiven Charakter definiert haben. Was wir sagen, ist eine tautologische Wiederholung. Bedeutsam ist das nur, weil alle diese Normen, bzw. diese Pflichten, eben dieses Charakters wegen, in wichtigen praktischen Beziehungen eine gleichmäßige Behandlung erfordern und der Grund dieser Gemein- samkeit in jenem Momente liegt. Es ergibt sich daraus die Lösung der oft aufgeworfenen Frage, I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht. geschäft, sondern von Gesetzes wegen. Aber das Rechtsverhält-nis, das daraus entsteht, ist ein privatrechtliches; denn der Be- rechtigte kann auf seinen Anspruch verzichten. Es bildet den Gegenstand rechtsgeschäftlicher Verfügung. Privatrechtlich ist demgemäß die Norm, vermöge welcher ein solcher subjektiver Anspruch besteht; z. B. die Norm, daß der Bereicherte das heraus- zugeben hat, quo locupletior factus est, daß der Schädiger den Schaden zu ersetzen hat, gleichwie der Satz, daß der Mieter seinen Mietzins zu bezahlen hat. Denn daraus entstehen überall subjektive Rechte, Forderungen, auf die der Gläubiger ver- zichten kann. Im Gegensatz zu den zwingenden Normen, die Pflichten vorsehen, auf die der „Berechtigte“ nicht verzichten kann, die unerlaßbar, des öffentlichen Interesses wegen, bestehen, unbedingt. Die Pflicht des Vaters, dem mündigen Sohn das Kindesvermögen herauszugeben, ist privatrechtlich, weil der Sohn darauf verzichten kann; sowohl im Grundsatz wie in der Anwendung als konkrete Pflicht. Die Pflicht, den Sohn im Falle der Not zu unterstützen, ist eine privatrechtliche, sofern und soweit (nach positivem Recht) der Sohn als Berechtigter, dem Vater die Pflicht erlassen kann; öffentlich-rechtlich aber sofern und soweit er auf sein „Recht“ nicht rechtswirksam verzichten, sondern es nur unausgeübt lassen kann. Ebenso die vermögens- rechtlichen Pflichten der Ehegatten im Falle der Scheidung; kann der Ehegatte auf die in Art. 152 Schw ZGB für den Fall großer Bedürftigkeit vorgesehenen Beitrag, zum voraus oder nach ein- getretener Bedürftigkeit, verzichten, so ist es eine privatrechtliche Pflicht, andernfalls und soweit sie nicht erlassen werden kann, eine öffentlich-rechtliche. Selbstverständlich: da wir die öffentlich- rechtliche Norm durch ihren zwingenden, die privatrechtliche durch ihren dispositiven Charakter definiert haben. Was wir sagen, ist eine tautologische Wiederholung. Bedeutsam ist das nur, weil alle diese Normen, bzw. diese Pflichten, eben dieses Charakters wegen, in wichtigen praktischen Beziehungen eine gleichmäßige Behandlung erfordern und der Grund dieser Gemein- samkeit in jenem Momente liegt. Es ergibt sich daraus die Lösung der oft aufgeworfenen Frage, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0091" n="76"/><fw place="top" type="header">I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.</fw><lb/> geschäft, sondern von Gesetzes wegen. Aber das Rechtsverhält-<lb/> nis, das daraus entsteht, ist ein privatrechtliches; denn der Be-<lb/> rechtigte kann auf seinen Anspruch verzichten. Es bildet den<lb/><hi rendition="#g">Gegenstand</hi> rechtsgeschäftlicher Verfügung. Privatrechtlich<lb/> ist demgemäß die Norm, vermöge welcher ein solcher subjektiver<lb/> Anspruch besteht; z. 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I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.
geschäft, sondern von Gesetzes wegen. Aber das Rechtsverhält-
nis, das daraus entsteht, ist ein privatrechtliches; denn der Be-
rechtigte kann auf seinen Anspruch verzichten. Es bildet den
Gegenstand rechtsgeschäftlicher Verfügung. Privatrechtlich
ist demgemäß die Norm, vermöge welcher ein solcher subjektiver
Anspruch besteht; z. B. die Norm, daß der Bereicherte das heraus-
zugeben hat, quo locupletior factus est, daß der Schädiger den
Schaden zu ersetzen hat, gleichwie der Satz, daß der Mieter
seinen Mietzins zu bezahlen hat. Denn daraus entstehen überall
subjektive Rechte, Forderungen, auf die der Gläubiger ver-
zichten kann. Im Gegensatz zu den zwingenden Normen, die
Pflichten vorsehen, auf die der „Berechtigte“ nicht verzichten
kann, die unerlaßbar, des öffentlichen Interesses wegen, bestehen,
unbedingt. Die Pflicht des Vaters, dem mündigen Sohn das
Kindesvermögen herauszugeben, ist privatrechtlich, weil der
Sohn darauf verzichten kann; sowohl im Grundsatz wie in der
Anwendung als konkrete Pflicht. Die Pflicht, den Sohn im Falle
der Not zu unterstützen, ist eine privatrechtliche, sofern und
soweit (nach positivem Recht) der Sohn als Berechtigter, dem
Vater die Pflicht erlassen kann; öffentlich-rechtlich aber sofern
und soweit er auf sein „Recht“ nicht rechtswirksam verzichten,
sondern es nur unausgeübt lassen kann. Ebenso die vermögens-
rechtlichen Pflichten der Ehegatten im Falle der Scheidung; kann
der Ehegatte auf die in Art. 152 Schw ZGB für den Fall großer
Bedürftigkeit vorgesehenen Beitrag, zum voraus oder nach ein-
getretener Bedürftigkeit, verzichten, so ist es eine privatrechtliche
Pflicht, andernfalls und soweit sie nicht erlassen werden kann,
eine öffentlich-rechtliche. Selbstverständlich: da wir die öffentlich-
rechtliche Norm durch ihren zwingenden, die privatrechtliche
durch ihren dispositiven Charakter definiert haben. Was wir
sagen, ist eine tautologische Wiederholung. Bedeutsam ist das
nur, weil alle diese Normen, bzw. diese Pflichten, eben dieses
Charakters wegen, in wichtigen praktischen Beziehungen eine
gleichmäßige Behandlung erfordern und der Grund dieser Gemein-
samkeit in jenem Momente liegt.
Es ergibt sich daraus die Lösung der oft aufgeworfenen Frage,
ob aus öffentlich-rechtlichen „Verhältnissen“, „Instituten“, auf
öffentlich-rechtlicher „Grundlage“ privatrechtliche Ansprüche ent-
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