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Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927.

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I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.
privaten Anstalt einen derartigen Anspruch, so könnte er darauf
verzichten, und könnte er nicht darauf verzichten, so wäre es
kein privatrechtlicher Anspruch und würde auf zwingendem
Rechtssatz beruhen.

Viele Ansprüche, die mit Recht öffentlich-rechtliche genannt
werden, sind dieser Art: der Anspruch der Stimmberechtigten
auf Beteiligung an der Abstimmung, des Rechtsuchenden auf
"Recht"1, des Bürgers auf Benutzung der gemeinnützigen An-
stalten, der Grundeigentümer auf Einsicht in das Grundbuch u. a. m.
Ja, man kann sich kaum eine Berechtigung des Einzelnen gegen-
über dem Staate anders denken; denn, wenn der Staat den Vor-
teil des Einzelnen auch gegen seinen (des Bedachten) Willen
wahren müßte, wäre es schon, wie beim Schutz des Lebens und
der Gesundheit, eine Pflicht dieses Einzelnen. Öffentlich-rechtlich
sind diese "Rechte" aber gleichwohl, sofern nicht gültig darauf-
verzichtet werden kann.

Die Unterscheidung ist praktisch bedeutsam für die Form
des Rechtsschutzes. Die Formen des Zivilprozesses beruhen, wie
schon oben (S. 61) ausgeführt, auf der Voraussetzung, daß um
Privatrechte, d. h. um Rechte, über die der Berechtigte verfügen
kann, gestritten wird. Die Legitimation des Klägers, die Ver-
handlungsmaxime, die Erledigung durch Abstand oder Vergleich
sind nur die Folgen der subjektiven Natur des zu beurteilenden
Rechtes, der Verfügungsmacht des Berechtigten über das Rechts-
verhältnis. Wo das Verfahren, wie im Familienrecht, davon ab-
weicht, ist es, weil öffentliche, zwingende Rechtssätze zur Geltung
kommen. Deshalb ist es auch durchaus nicht widerspruchsvoll,
wenn Ansprüche gegen den Staat, sofern sie nur unter dieser Ver-
fügungsgewalt des Berechtigten stehen, in zivilrechtlichen Ver-
fahren erledigt werden2. Denn es kommt nicht darauf an, wie ein
Anspruch entstanden ist, ob im Zusammenhang als "Ausfluß"
eines öffentlich-rechtlichen Verhältnisses, oder als Folge eines

1 Vgl. die Kritik, die O. Bülow am "vorprozessualischen" Recht
(vgl. Urteil in der Zeitschr. für den Zivilprozeß 31 195 ff.) übt; nur das eine,
was ein (subjektives) Recht denn sei, ist nicht erörtert.
2 Die Zivilgerichte werden allerdings nicht immer dazu geeignet sein,
wenn die Frage mit solchen des öffentlichen Rechts zusammenhängt, die
ihnen fernliegen; das ist aber eine andere Frage.

I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht.
privaten Anstalt einen derartigen Anspruch, so könnte er darauf
verzichten, und könnte er nicht darauf verzichten, so wäre es
kein privatrechtlicher Anspruch und würde auf zwingendem
Rechtssatz beruhen.

Viele Ansprüche, die mit Recht öffentlich-rechtliche genannt
werden, sind dieser Art: der Anspruch der Stimmberechtigten
auf Beteiligung an der Abstimmung, des Rechtsuchenden auf
„Recht“1, des Bürgers auf Benutzung der gemeinnützigen An-
stalten, der Grundeigentümer auf Einsicht in das Grundbuch u. a. m.
Ja, man kann sich kaum eine Berechtigung des Einzelnen gegen-
über dem Staate anders denken; denn, wenn der Staat den Vor-
teil des Einzelnen auch gegen seinen (des Bedachten) Willen
wahren müßte, wäre es schon, wie beim Schutz des Lebens und
der Gesundheit, eine Pflicht dieses Einzelnen. Öffentlich-rechtlich
sind diese „Rechte“ aber gleichwohl, sofern nicht gültig darauf-
verzichtet werden kann.

Die Unterscheidung ist praktisch bedeutsam für die Form
des Rechtsschutzes. Die Formen des Zivilprozesses beruhen, wie
schon oben (S. 61) ausgeführt, auf der Voraussetzung, daß um
Privatrechte, d. h. um Rechte, über die der Berechtigte verfügen
kann, gestritten wird. Die Legitimation des Klägers, die Ver-
handlungsmaxime, die Erledigung durch Abstand oder Vergleich
sind nur die Folgen der subjektiven Natur des zu beurteilenden
Rechtes, der Verfügungsmacht des Berechtigten über das Rechts-
verhältnis. Wo das Verfahren, wie im Familienrecht, davon ab-
weicht, ist es, weil öffentliche, zwingende Rechtssätze zur Geltung
kommen. Deshalb ist es auch durchaus nicht widerspruchsvoll,
wenn Ansprüche gegen den Staat, sofern sie nur unter dieser Ver-
fügungsgewalt des Berechtigten stehen, in zivilrechtlichen Ver-
fahren erledigt werden2. Denn es kommt nicht darauf an, wie ein
Anspruch entstanden ist, ob im Zusammenhang als „Ausfluß“
eines öffentlich-rechtlichen Verhältnisses, oder als Folge eines

1 Vgl. die Kritik, die O. Bülow am „vorprozessualischen“ Recht
(vgl. Urteil in der Zeitschr. für den Zivilprozeß 31 195 ff.) übt; nur das eine,
was ein (subjektives) Recht denn sei, ist nicht erörtert.
2 Die Zivilgerichte werden allerdings nicht immer dazu geeignet sein,
wenn die Frage mit solchen des öffentlichen Rechts zusammenhängt, die
ihnen fernliegen; das ist aber eine andere Frage.
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[80/0095] I. Teil. Das Privatrecht und das öffentliche Recht. privaten Anstalt einen derartigen Anspruch, so könnte er darauf verzichten, und könnte er nicht darauf verzichten, so wäre es kein privatrechtlicher Anspruch und würde auf zwingendem Rechtssatz beruhen. Viele Ansprüche, die mit Recht öffentlich-rechtliche genannt werden, sind dieser Art: der Anspruch der Stimmberechtigten auf Beteiligung an der Abstimmung, des Rechtsuchenden auf „Recht“ 1, des Bürgers auf Benutzung der gemeinnützigen An- stalten, der Grundeigentümer auf Einsicht in das Grundbuch u. a. m. Ja, man kann sich kaum eine Berechtigung des Einzelnen gegen- über dem Staate anders denken; denn, wenn der Staat den Vor- teil des Einzelnen auch gegen seinen (des Bedachten) Willen wahren müßte, wäre es schon, wie beim Schutz des Lebens und der Gesundheit, eine Pflicht dieses Einzelnen. Öffentlich-rechtlich sind diese „Rechte“ aber gleichwohl, sofern nicht gültig darauf- verzichtet werden kann. Die Unterscheidung ist praktisch bedeutsam für die Form des Rechtsschutzes. Die Formen des Zivilprozesses beruhen, wie schon oben (S. 61) ausgeführt, auf der Voraussetzung, daß um Privatrechte, d. h. um Rechte, über die der Berechtigte verfügen kann, gestritten wird. Die Legitimation des Klägers, die Ver- handlungsmaxime, die Erledigung durch Abstand oder Vergleich sind nur die Folgen der subjektiven Natur des zu beurteilenden Rechtes, der Verfügungsmacht des Berechtigten über das Rechts- verhältnis. Wo das Verfahren, wie im Familienrecht, davon ab- weicht, ist es, weil öffentliche, zwingende Rechtssätze zur Geltung kommen. Deshalb ist es auch durchaus nicht widerspruchsvoll, wenn Ansprüche gegen den Staat, sofern sie nur unter dieser Ver- fügungsgewalt des Berechtigten stehen, in zivilrechtlichen Ver- fahren erledigt werden 2. Denn es kommt nicht darauf an, wie ein Anspruch entstanden ist, ob im Zusammenhang als „Ausfluß“ eines öffentlich-rechtlichen Verhältnisses, oder als Folge eines 1 Vgl. die Kritik, die O. Bülow am „vorprozessualischen“ Recht (vgl. Urteil in der Zeitschr. für den Zivilprozeß 31 195 ff.) übt; nur das eine, was ein (subjektives) Recht denn sei, ist nicht erörtert. 2 Die Zivilgerichte werden allerdings nicht immer dazu geeignet sein, wenn die Frage mit solchen des öffentlichen Rechts zusammenhängt, die ihnen fernliegen; das ist aber eine andere Frage.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Walther: Die Organisation der Rechtsgemeinschaft. Basel, 1927, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_rechtsgemeinschaft_1927/95>, abgerufen am 21.11.2024.