1. Abschnitt.nun seine Herrschaft ein und widmete ihr die ganze Kraft und Leidenschaft seiner unerschütterlichen Seele. Ohne Si- monie, unter allgemeinem Beifall stieg er die Stufen des Stuhles Petri hinan und nun hörte wenigstens der eigent- liche Handel mit den höchsten Würden gänzlich auf. Julius Seine Reaction.hatte Günstlinge und darunter sehr unwürdige, allein des Nepotismus war er durch ein besonderes Glück überhoben: sein Bruder Giovanni della Rovere war der Gemahl der Erbinn von Urbino, Schwester des letzten Montefeltro Guidobaldo, und aus dieser Ehe war seit 1491 ein Sohn, Francesco Maria della Rovere vorhanden, welcher zugleich rechtmäßiger Nachfolger im Herzogthum Urbino und päpst- licher Nepot war. Was nun Julius sonst irgend erwarb, im Cabinet oder durch seine Feldzüge, das unterwarf er mit hohem Stolz der Kirche und nicht seinem Hause; den Kirchenstaat, welchen er in voller Auflösung angetroffen, hinterließ er völlig gebändigt und durch Parma und Pia- cenza vergrößert. Es lag nicht an ihm, daß nicht auch Ferrara für die Kirche eingezogen wurde. Die 700,000 Ducaten, welche er beständig in der Engelsburg liegen hatte, sollte der Castellan einst Niemanden als dem künftigen Papst ausliefern. Er erbte die Cardinäle, ja Alle Geist- lichen, die in Rom starben und zwar auf rücksichtslose Weise 1), aber er vergiftete und mordete Keinen. Daß er selber zu Felde zog, war für ihn unvermeidlich und hat ihm in Italien sicher nur genützt zu einer Zeit da man entweder Ambos oder Hammer sein mußte, und da die Persönlichkeit mehr wirkte als das besterworbene Recht. Wenn er aber trotz all seines hochbetonten: "Fort mit den Barbaren!" gleichwohl am meisten dazu beitrug, daß die Spanier in Italien sich recht festsetzten, so konnte dieß für das Papstthum gleichgültig, ja vielleicht relativ vortheilhaft
1) Daher jene Pracht der bei Lebzeiten gesetzten Prälatengräber; so entzog man den Päpsten wenigstens einen Theil der Beute.
1. Abſchnitt.nun ſeine Herrſchaft ein und widmete ihr die ganze Kraft und Leidenſchaft ſeiner unerſchütterlichen Seele. Ohne Si- monie, unter allgemeinem Beifall ſtieg er die Stufen des Stuhles Petri hinan und nun hörte wenigſtens der eigent- liche Handel mit den höchſten Würden gänzlich auf. Julius Seine Reaction.hatte Günſtlinge und darunter ſehr unwürdige, allein des Nepotismus war er durch ein beſonderes Glück überhoben: ſein Bruder Giovanni della Rovere war der Gemahl der Erbinn von Urbino, Schweſter des letzten Montefeltro Guidobaldo, und aus dieſer Ehe war ſeit 1491 ein Sohn, Francesco Maria della Rovere vorhanden, welcher zugleich rechtmäßiger Nachfolger im Herzogthum Urbino und päpſt- licher Nepot war. Was nun Julius ſonſt irgend erwarb, im Cabinet oder durch ſeine Feldzüge, das unterwarf er mit hohem Stolz der Kirche und nicht ſeinem Hauſe; den Kirchenſtaat, welchen er in voller Auflöſung angetroffen, hinterließ er völlig gebändigt und durch Parma und Pia- cenza vergrößert. Es lag nicht an ihm, daß nicht auch Ferrara für die Kirche eingezogen wurde. Die 700,000 Ducaten, welche er beſtändig in der Engelsburg liegen hatte, ſollte der Caſtellan einſt Niemanden als dem künftigen Papſt ausliefern. Er erbte die Cardinäle, ja Alle Geiſt- lichen, die in Rom ſtarben und zwar auf rückſichtsloſe Weiſe 1), aber er vergiftete und mordete Keinen. Daß er ſelber zu Felde zog, war für ihn unvermeidlich und hat ihm in Italien ſicher nur genützt zu einer Zeit da man entweder Ambos oder Hammer ſein mußte, und da die Perſönlichkeit mehr wirkte als das beſterworbene Recht. Wenn er aber trotz all ſeines hochbetonten: „Fort mit den Barbaren!“ gleichwohl am meiſten dazu beitrug, daß die Spanier in Italien ſich recht feſtſetzten, ſo konnte dieß für das Papſtthum gleichgültig, ja vielleicht relativ vortheilhaft
1) Daher jene Pracht der bei Lebzeiten geſetzten Prälatengräber; ſo entzog man den Päpſten wenigſtens einen Theil der Beute.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0130"n="120"/><noteplace="left"><hirendition="#b"><hirendition="#u">1. Abſchnitt.</hi></hi></note>nun ſeine Herrſchaft ein und widmete ihr die ganze Kraft<lb/>
und Leidenſchaft ſeiner unerſchütterlichen Seele. Ohne Si-<lb/>
monie, unter allgemeinem Beifall ſtieg er die Stufen des<lb/>
Stuhles Petri hinan und nun hörte wenigſtens der eigent-<lb/>
liche Handel mit den höchſten Würden gänzlich auf. Julius<lb/><noteplace="left">Seine Reaction.</note>hatte Günſtlinge und darunter ſehr unwürdige, allein des<lb/>
Nepotismus war er durch ein beſonderes Glück überhoben:<lb/>ſein Bruder Giovanni della Rovere war der Gemahl der<lb/>
Erbinn von Urbino, Schweſter des letzten Montefeltro<lb/>
Guidobaldo, und aus dieſer Ehe war ſeit 1491 ein Sohn,<lb/>
Francesco Maria della Rovere vorhanden, welcher zugleich<lb/>
rechtmäßiger Nachfolger im Herzogthum Urbino und päpſt-<lb/>
licher Nepot war. Was nun Julius ſonſt irgend erwarb,<lb/>
im Cabinet oder durch ſeine Feldzüge, das unterwarf er<lb/>
mit hohem Stolz der Kirche und nicht ſeinem Hauſe; den<lb/>
Kirchenſtaat, welchen er in voller Auflöſung angetroffen,<lb/>
hinterließ er völlig gebändigt und durch Parma und Pia-<lb/>
cenza vergrößert. Es lag nicht an ihm, daß nicht auch<lb/>
Ferrara für die Kirche eingezogen wurde. Die 700,000<lb/>
Ducaten, welche er beſtändig in der Engelsburg liegen<lb/>
hatte, ſollte der Caſtellan einſt Niemanden als dem künftigen<lb/>
Papſt ausliefern. Er erbte die Cardinäle, ja Alle Geiſt-<lb/>
lichen, die in Rom ſtarben und zwar auf rückſichtsloſe<lb/>
Weiſe <noteplace="foot"n="1)">Daher jene Pracht der bei Lebzeiten geſetzten Prälatengräber; ſo<lb/>
entzog man den Päpſten wenigſtens einen Theil der Beute.</note>, aber er vergiftete und mordete Keinen. Daß er<lb/>ſelber zu Felde zog, war für ihn unvermeidlich und hat<lb/>
ihm in Italien ſicher nur genützt zu einer Zeit da man<lb/>
entweder Ambos oder Hammer ſein mußte, und da die<lb/>
Perſönlichkeit mehr wirkte als das beſterworbene Recht.<lb/>
Wenn er aber trotz all ſeines hochbetonten: „Fort mit den<lb/>
Barbaren!“ gleichwohl am meiſten dazu beitrug, daß die<lb/>
Spanier in Italien ſich recht feſtſetzten, ſo konnte dieß für<lb/>
das Papſtthum gleichgültig, ja vielleicht relativ vortheilhaft<lb/></p></div></body></text></TEI>
[120/0130]
nun ſeine Herrſchaft ein und widmete ihr die ganze Kraft
und Leidenſchaft ſeiner unerſchütterlichen Seele. Ohne Si-
monie, unter allgemeinem Beifall ſtieg er die Stufen des
Stuhles Petri hinan und nun hörte wenigſtens der eigent-
liche Handel mit den höchſten Würden gänzlich auf. Julius
hatte Günſtlinge und darunter ſehr unwürdige, allein des
Nepotismus war er durch ein beſonderes Glück überhoben:
ſein Bruder Giovanni della Rovere war der Gemahl der
Erbinn von Urbino, Schweſter des letzten Montefeltro
Guidobaldo, und aus dieſer Ehe war ſeit 1491 ein Sohn,
Francesco Maria della Rovere vorhanden, welcher zugleich
rechtmäßiger Nachfolger im Herzogthum Urbino und päpſt-
licher Nepot war. Was nun Julius ſonſt irgend erwarb,
im Cabinet oder durch ſeine Feldzüge, das unterwarf er
mit hohem Stolz der Kirche und nicht ſeinem Hauſe; den
Kirchenſtaat, welchen er in voller Auflöſung angetroffen,
hinterließ er völlig gebändigt und durch Parma und Pia-
cenza vergrößert. Es lag nicht an ihm, daß nicht auch
Ferrara für die Kirche eingezogen wurde. Die 700,000
Ducaten, welche er beſtändig in der Engelsburg liegen
hatte, ſollte der Caſtellan einſt Niemanden als dem künftigen
Papſt ausliefern. Er erbte die Cardinäle, ja Alle Geiſt-
lichen, die in Rom ſtarben und zwar auf rückſichtsloſe
Weiſe 1), aber er vergiftete und mordete Keinen. Daß er
ſelber zu Felde zog, war für ihn unvermeidlich und hat
ihm in Italien ſicher nur genützt zu einer Zeit da man
entweder Ambos oder Hammer ſein mußte, und da die
Perſönlichkeit mehr wirkte als das beſterworbene Recht.
Wenn er aber trotz all ſeines hochbetonten: „Fort mit den
Barbaren!“ gleichwohl am meiſten dazu beitrug, daß die
Spanier in Italien ſich recht feſtſetzten, ſo konnte dieß für
das Papſtthum gleichgültig, ja vielleicht relativ vortheilhaft
1. Abſchnitt.
Seine Reaction.
1) Daher jene Pracht der bei Lebzeiten geſetzten Prälatengräber; ſo
entzog man den Päpſten wenigſtens einen Theil der Beute.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/130>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.