Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.2. Abschnitt.gründlich zu verachten, weil er es aus der Nähe kenne; Seine Publici- Verglichen mit Voltaire hat Aretino den Vortheil, daß 1) An den Herzog von Ferrara, 1. Januar 1536: Ihr werdet nun von Rom nach Neapel reisen, ricreando la vista avvilita nel mirar le miserie pontificali con la contemplatione delle ec- cellenze imperiali. 2) Wie er sich damit speciell den Künstlern furchtbar machte, wäre an-
derswo zu erörtern. -- Das publicistische Vehikel der deutschen Reformation ist wesentlich die Broschüre, in Beziehung auf bestimmte einzelne Angelegenheiten; Aretino dagegen ist Journalist in dem Sinne, daß er einen permanenten Anlaß des Publicirens in sich hat. 2. Abſchnitt.gründlich zu verachten, weil er es aus der Nähe kenne; Seine Publici- Verglichen mit Voltaire hat Aretino den Vortheil, daß 1) An den Herzog von Ferrara, 1. Januar 1536: Ihr werdet nun von Rom nach Neapel reiſen, ricreando la vista avvilita nel mirar le miserie pontificali con la contemplatione delle ec- cellenze imperiali. 2) Wie er ſich damit ſpeciell den Künſtlern furchtbar machte, wäre an-
derswo zu erörtern. — Das publiciſtiſche Vehikel der deutſchen Reformation iſt weſentlich die Broſchüre, in Beziehung auf beſtimmte einzelne Angelegenheiten; Aretino dagegen iſt Journaliſt in dem Sinne, daß er einen permanenten Anlaß des Publicirens in ſich hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0176" n="166"/><note place="left"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">2. Abſchnitt.</hi></hi></note>gründlich zu verachten, weil er es aus der Nähe kenne;<lb/> der wahre Grund war, daß man ihn von Rom aus nicht<lb/> mehr honoriren konnte und wollte <note place="foot" n="1)">An den Herzog von Ferrara, 1. Januar 1536: Ihr werdet nun<lb/> von Rom nach Neapel reiſen, <hi rendition="#aq">ricreando la vista avvilita nel<lb/> mirar le miserie pontificali con la contemplatione delle ec-<lb/> cellenze imperiali</hi>.</note>. Venedig, das ihn<lb/> beherbergte, beſchwieg er weislich. Der Reſt ſeines Ver-<lb/> hältniſſes zu den Großen iſt lauter Bettelei und gemeine<lb/> Erpreſſung.</p><lb/> <p><note place="left">Seine Publici-<lb/> ſtik und ſein<lb/> Werth.</note>Bei Aretino findet ſich der erſte ganz große Mißbrauch<lb/> der Publicität zu ſolchen Zwecken. Die Streitſchriften,<lb/> welche hundert Jahre vorher Poggio und ſeine Gegner ge-<lb/> wechſelt hatten, ſind in der Abſicht und im Ton eben ſo<lb/> infam, allein ſie ſind nicht auf die Preſſe, ſondern auf eine<lb/> Art von halber und geheimer Publicität berechnet; Aretino<lb/> macht ſein Geſchäft aus der ganzen und unbedingten; er<lb/> iſt in gewiſſem Betracht einer der Urväter der Journaliſtik.<lb/> Periodiſch läßt er ſeine Briefe u. a. Artikel zuſammen-<lb/> drucken, nachdem ſie ſchon vorher in weitern Kreiſen curſirt<lb/> haben mochten <note place="foot" n="2)">Wie er ſich damit ſpeciell den Künſtlern furchtbar machte, wäre an-<lb/> derswo zu erörtern. — Das publiciſtiſche Vehikel der deutſchen<lb/> Reformation iſt weſentlich die Broſchüre, in Beziehung auf beſtimmte<lb/> einzelne Angelegenheiten; Aretino dagegen iſt Journaliſt in dem Sinne,<lb/> daß er einen permanenten Anlaß des Publicirens in ſich hat.</note>.</p><lb/> <p>Verglichen mit Voltaire hat Aretino den Vortheil, daß<lb/> er ſich nicht mit Principien belädet, weder mit Aufklärung<lb/> noch mit Philanthropie und ſonſtiger Tugend, noch auch<lb/> mit Wiſſenſchaft; ſein ganzes Gepäck iſt das bekannte Motto:<lb/> „<hi rendition="#aq">Veritas</hi>“ <hi rendition="#aq">odium parit</hi>. Deßhalb gab es auch für ihn<lb/> keine falſchen Stellungen, wie z. B. für Voltaire, der ſeine<lb/> Pucelle ſchmählich verläugnen und Anderes lebenslang ver-<lb/> ſtecken mußte; Aretino gab zu allem ſeinen Namen, und<lb/> noch ſpät rühmt er ſich offen ſeiner berüchtigten Ragiona-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [166/0176]
gründlich zu verachten, weil er es aus der Nähe kenne;
der wahre Grund war, daß man ihn von Rom aus nicht
mehr honoriren konnte und wollte 1). Venedig, das ihn
beherbergte, beſchwieg er weislich. Der Reſt ſeines Ver-
hältniſſes zu den Großen iſt lauter Bettelei und gemeine
Erpreſſung.
2. Abſchnitt.
Bei Aretino findet ſich der erſte ganz große Mißbrauch
der Publicität zu ſolchen Zwecken. Die Streitſchriften,
welche hundert Jahre vorher Poggio und ſeine Gegner ge-
wechſelt hatten, ſind in der Abſicht und im Ton eben ſo
infam, allein ſie ſind nicht auf die Preſſe, ſondern auf eine
Art von halber und geheimer Publicität berechnet; Aretino
macht ſein Geſchäft aus der ganzen und unbedingten; er
iſt in gewiſſem Betracht einer der Urväter der Journaliſtik.
Periodiſch läßt er ſeine Briefe u. a. Artikel zuſammen-
drucken, nachdem ſie ſchon vorher in weitern Kreiſen curſirt
haben mochten 2).
Seine Publici-
ſtik und ſein
Werth.
Verglichen mit Voltaire hat Aretino den Vortheil, daß
er ſich nicht mit Principien belädet, weder mit Aufklärung
noch mit Philanthropie und ſonſtiger Tugend, noch auch
mit Wiſſenſchaft; ſein ganzes Gepäck iſt das bekannte Motto:
„Veritas“ odium parit. Deßhalb gab es auch für ihn
keine falſchen Stellungen, wie z. B. für Voltaire, der ſeine
Pucelle ſchmählich verläugnen und Anderes lebenslang ver-
ſtecken mußte; Aretino gab zu allem ſeinen Namen, und
noch ſpät rühmt er ſich offen ſeiner berüchtigten Ragiona-
1) An den Herzog von Ferrara, 1. Januar 1536: Ihr werdet nun
von Rom nach Neapel reiſen, ricreando la vista avvilita nel
mirar le miserie pontificali con la contemplatione delle ec-
cellenze imperiali.
2) Wie er ſich damit ſpeciell den Künſtlern furchtbar machte, wäre an-
derswo zu erörtern. — Das publiciſtiſche Vehikel der deutſchen
Reformation iſt weſentlich die Broſchüre, in Beziehung auf beſtimmte
einzelne Angelegenheiten; Aretino dagegen iſt Journaliſt in dem Sinne,
daß er einen permanenten Anlaß des Publicirens in ſich hat.
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