1. Abschnitt.und Getreide wachen, die Steuern gerecht vertheilen, Hülf- lose und Kranke unterstützen, und ausgezeichneten Gelehrten seinen Schutz und Umgang widmen, indem dieselben für seinen Nachruhm sorgen würden.
Gefahren der Tyrannis.Aber welches auch die allgemeinen Lichtseiten und die Verdienste Einzelner gewesen sein mögen, so erkannte oder ahnte doch schon das XIV. Jahrhundert die geringe Dauer, die Garantielosigkeit der meisten dieser Tyrannien. Da aus innern Gründen politische Verfassungen wie diese genau um so viel haltbarer sind als das Gebiet größer ist, so waren die mächtigern Gewaltherrschaften stets geneigt, die kleinern zu verschlingen. Welche Hekatombe kleiner Herrscher ist nur allein den Visconti in dieser Zeit geopfert worden! Dieser äußern Gefahr aber entsprach gewiß fast jedesmal eine innere Gährung, und die Rückwirkung dieser Lage auf das Gemüth des Herrschers mußte in den meisten Fällen überaus verderblich sein. Die falsche Allmacht, die Auf- forderung zum Genuß und zu jeder Art von Selbstsucht von der einen, die Feinde und Verschwörer von der andern Seite machten ihn fast unvermeidlich zum Tyrannen im übeln Sinne. Wäre nur wenigstens den eigenen nächsten Blutsverwandten zu trauen gewesen! Allein wo Alles ille- Mangelhaftes Erbrecht.gitim war, da konnte sich auch kein festes Erbrecht, weder für die Succession in der Herrschaft noch für die Theilung der Güter bilden, und vollends in drohenden Augenblicken schob den unmündigen oder untüchtigen Fürstensohn ein entschlossener Vetter oder Oheim bei Seite, im Interesse des Hauses selbst. Auch über Ausschluß oder Anerkennung der Bastarde war beständiger Streit. So kam es, daß eine ganze Anzahl dieser Familien mit unzufriedenen, rach- süchtigen Verwandten heimgesucht waren; ein Verhältniß das nicht eben selten in offenen Verrath und in wilden Familienmord ausbrach. Andere, als Flüchtlinge auswärts lebend, fassen sich in Geduld und behandeln auch diese Sachlage objectiv, wie z. B. jener Visconti, der am Garda-
1. Abſchnitt.und Getreide wachen, die Steuern gerecht vertheilen, Hülf- loſe und Kranke unterſtützen, und ausgezeichneten Gelehrten ſeinen Schutz und Umgang widmen, indem dieſelben für ſeinen Nachruhm ſorgen würden.
Gefahren der Tyrannis.Aber welches auch die allgemeinen Lichtſeiten und die Verdienſte Einzelner geweſen ſein mögen, ſo erkannte oder ahnte doch ſchon das XIV. Jahrhundert die geringe Dauer, die Garantieloſigkeit der meiſten dieſer Tyrannien. Da aus innern Gründen politiſche Verfaſſungen wie dieſe genau um ſo viel haltbarer ſind als das Gebiet größer iſt, ſo waren die mächtigern Gewaltherrſchaften ſtets geneigt, die kleinern zu verſchlingen. Welche Hekatombe kleiner Herrſcher iſt nur allein den Visconti in dieſer Zeit geopfert worden! Dieſer äußern Gefahr aber entſprach gewiß faſt jedesmal eine innere Gährung, und die Rückwirkung dieſer Lage auf das Gemüth des Herrſchers mußte in den meiſten Fällen überaus verderblich ſein. Die falſche Allmacht, die Auf- forderung zum Genuß und zu jeder Art von Selbſtſucht von der einen, die Feinde und Verſchwörer von der andern Seite machten ihn faſt unvermeidlich zum Tyrannen im übeln Sinne. Wäre nur wenigſtens den eigenen nächſten Blutsverwandten zu trauen geweſen! Allein wo Alles ille- Mangelhaftes Erbrecht.gitim war, da konnte ſich auch kein feſtes Erbrecht, weder für die Succeſſion in der Herrſchaft noch für die Theilung der Güter bilden, und vollends in drohenden Augenblicken ſchob den unmündigen oder untüchtigen Fürſtenſohn ein entſchloſſener Vetter oder Oheim bei Seite, im Intereſſe des Hauſes ſelbſt. Auch über Ausſchluß oder Anerkennung der Baſtarde war beſtändiger Streit. So kam es, daß eine ganze Anzahl dieſer Familien mit unzufriedenen, rach- ſüchtigen Verwandten heimgeſucht waren; ein Verhältniß das nicht eben ſelten in offenen Verrath und in wilden Familienmord ausbrach. Andere, als Flüchtlinge auswärts lebend, faſſen ſich in Geduld und behandeln auch dieſe Sachlage objectiv, wie z. B. jener Visconti, der am Garda-
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und Getreide wachen, die Steuern gerecht vertheilen, Hülf-
loſe und Kranke unterſtützen, und ausgezeichneten Gelehrten
ſeinen Schutz und Umgang widmen, indem dieſelben für
ſeinen Nachruhm ſorgen würden.
1. Abſchnitt.
Aber welches auch die allgemeinen Lichtſeiten und die
Verdienſte Einzelner geweſen ſein mögen, ſo erkannte oder
ahnte doch ſchon das XIV. Jahrhundert die geringe Dauer,
die Garantieloſigkeit der meiſten dieſer Tyrannien. Da
aus innern Gründen politiſche Verfaſſungen wie dieſe genau
um ſo viel haltbarer ſind als das Gebiet größer iſt, ſo
waren die mächtigern Gewaltherrſchaften ſtets geneigt, die
kleinern zu verſchlingen. Welche Hekatombe kleiner Herrſcher
iſt nur allein den Visconti in dieſer Zeit geopfert worden!
Dieſer äußern Gefahr aber entſprach gewiß faſt jedesmal
eine innere Gährung, und die Rückwirkung dieſer Lage auf
das Gemüth des Herrſchers mußte in den meiſten Fällen
überaus verderblich ſein. Die falſche Allmacht, die Auf-
forderung zum Genuß und zu jeder Art von Selbſtſucht
von der einen, die Feinde und Verſchwörer von der andern
Seite machten ihn faſt unvermeidlich zum Tyrannen im
übeln Sinne. Wäre nur wenigſtens den eigenen nächſten
Blutsverwandten zu trauen geweſen! Allein wo Alles ille-
gitim war, da konnte ſich auch kein feſtes Erbrecht, weder
für die Succeſſion in der Herrſchaft noch für die Theilung
der Güter bilden, und vollends in drohenden Augenblicken
ſchob den unmündigen oder untüchtigen Fürſtenſohn ein
entſchloſſener Vetter oder Oheim bei Seite, im Intereſſe
des Hauſes ſelbſt. Auch über Ausſchluß oder Anerkennung
der Baſtarde war beſtändiger Streit. So kam es, daß
eine ganze Anzahl dieſer Familien mit unzufriedenen, rach-
ſüchtigen Verwandten heimgeſucht waren; ein Verhältniß
das nicht eben ſelten in offenen Verrath und in wilden
Familienmord ausbrach. Andere, als Flüchtlinge auswärts
lebend, faſſen ſich in Geduld und behandeln auch dieſe
Sachlage objectiv, wie z. B. jener Visconti, der am Garda-
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Tyrannis.
Mangelhaftes
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/18>, abgerufen am 21.11.2024.
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