Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

künftigen Ruhm 1) wahr machen zu können. Einmal gefiel3. Abschnitt.
es ihm auch, selber in antiker Weise aufzutreten, nämlich
bei seinem berühmten Einzug in das definitiv eroberte
Neapel (1443); unweit vom Mercato wurde eine 40 Ellen
weite Bresche in die Mauer gelegt; durch diese fuhr er auf
einem goldenen Wagen wie ein römischer Triumphator2).
Auch die Erinnerung hievon ist durch einen herrlichen mar-
mornen Triumphbogen im Castello nuovo verewigt. -- Seine
neapolitanische Dynastie (S. 35) hat von diesem antiken
Enthusiasmus wie von all seinen guten Eigenschaften wenig
oder nichts geerbt.

Ungleich gelehrter als Alfonso war Federigo von Ur-Federigo von
Urbino.

bino 3), der weniger Leute um sich hatte, gar nichts ver-
schwendete und wie in allen Dingen so auch in der An-
eignung des Alterthums planvoll verfuhr. Für ihn und
für Nicolaus V. sind die meisten Uebersetzungen aus dem
Griechischen und eine Anzahl der bedeutendsten Commentare,
Bearbeitungen u. dgl. verfaßt worden. Er gab viel aus,
aber zweckmäßig, an die Leute, die er brauchte. Von einem
Poetenhof war in Urbino keine Rede; der Herr selber war
der Gelehrteste. Das Alterthum war allerdings nur ein
Theil seiner Bildung; als vollkommener Fürst, Feldherr
und Mensch bemeisterte er einen großen Theil der damaligen
Wissenschaft überhaupt und zwar zu practischen Zwecken,
um der Sachen willen. Als Theologe z. B. verglich er
Thomas und Scotus und kannte auch die alten Kirchen-
väter des Orients und Occidents, erstere in lateinischen
Uebersetzungen. In der Philosophie scheint er den Plato
gänzlich seinem Zeitgenossen Cosimo überlassen zu haben;
von Aristoteles aber kannte er nicht nur Ethik und Politik

1) Ovid. Amores III, 15, vs. 11. -- Jovian. Pontan., de principe.
2) Giorn. napolet. bei Murat. XXI, Col. 1127.
3) Vespas. Fior. p. 3. 119, s. -- Volle aver piena notizia d'ogni
cosa, cosi sacra come gentile
. -- Vgl. oben S. 45.

künftigen Ruhm 1) wahr machen zu können. Einmal gefiel3. Abſchnitt.
es ihm auch, ſelber in antiker Weiſe aufzutreten, nämlich
bei ſeinem berühmten Einzug in das definitiv eroberte
Neapel (1443); unweit vom Mercato wurde eine 40 Ellen
weite Breſche in die Mauer gelegt; durch dieſe fuhr er auf
einem goldenen Wagen wie ein römiſcher Triumphator2).
Auch die Erinnerung hievon iſt durch einen herrlichen mar-
mornen Triumphbogen im Caſtello nuovo verewigt. — Seine
neapolitaniſche Dynaſtie (S. 35) hat von dieſem antiken
Enthuſiasmus wie von all ſeinen guten Eigenſchaften wenig
oder nichts geerbt.

Ungleich gelehrter als Alfonſo war Federigo von Ur-Federigo von
Urbino.

bino 3), der weniger Leute um ſich hatte, gar nichts ver-
ſchwendete und wie in allen Dingen ſo auch in der An-
eignung des Alterthums planvoll verfuhr. Für ihn und
für Nicolaus V. ſind die meiſten Ueberſetzungen aus dem
Griechiſchen und eine Anzahl der bedeutendſten Commentare,
Bearbeitungen u. dgl. verfaßt worden. Er gab viel aus,
aber zweckmäßig, an die Leute, die er brauchte. Von einem
Poetenhof war in Urbino keine Rede; der Herr ſelber war
der Gelehrteſte. Das Alterthum war allerdings nur ein
Theil ſeiner Bildung; als vollkommener Fürſt, Feldherr
und Menſch bemeiſterte er einen großen Theil der damaligen
Wiſſenſchaft überhaupt und zwar zu practiſchen Zwecken,
um der Sachen willen. Als Theologe z. B. verglich er
Thomas und Scotus und kannte auch die alten Kirchen-
väter des Orients und Occidents, erſtere in lateiniſchen
Ueberſetzungen. In der Philoſophie ſcheint er den Plato
gänzlich ſeinem Zeitgenoſſen Coſimo überlaſſen zu haben;
von Ariſtoteles aber kannte er nicht nur Ethik und Politik

1) Ovid. Amores III, 15, vs. 11. — Jovian. Pontan., de principe.
2) Giorn. napolet. bei Murat. XXI, Col. 1127.
3) Vespas. Fior. p. 3. 119, s. — Volle aver piena notizia d'ogni
cosa, così sacra come gentile
. — Vgl. oben S. 45.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0231" n="221"/>
künftigen Ruhm <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Ovid. Amores III, 15, vs. 11. &#x2014; Jovian. Pontan., de principe</hi>.</note> wahr machen zu können. Einmal gefiel<note place="right"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">3. Ab&#x017F;chnitt.</hi></hi></note><lb/>
es ihm auch, &#x017F;elber in antiker Wei&#x017F;e aufzutreten, nämlich<lb/>
bei &#x017F;einem berühmten Einzug in das definitiv eroberte<lb/>
Neapel (1443); unweit vom Mercato wurde eine 40 Ellen<lb/>
weite Bre&#x017F;che in die Mauer gelegt; durch die&#x017F;e fuhr er auf<lb/>
einem goldenen Wagen wie ein römi&#x017F;cher Triumphator<note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Giorn. napolet</hi>. bei <hi rendition="#aq">Murat. XXI, Col. 1127</hi>.</note>.<lb/>
Auch die Erinnerung hievon i&#x017F;t durch einen herrlichen mar-<lb/>
mornen Triumphbogen im Ca&#x017F;tello nuovo verewigt. &#x2014; Seine<lb/>
neapolitani&#x017F;che Dyna&#x017F;tie (S. 35) hat von die&#x017F;em antiken<lb/>
Enthu&#x017F;iasmus wie von all &#x017F;einen guten Eigen&#x017F;chaften wenig<lb/>
oder nichts geerbt.</p><lb/>
        <p>Ungleich gelehrter als Alfon&#x017F;o war Federigo von Ur-<note place="right">Federigo von<lb/>
Urbino.</note><lb/>
bino <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Vespas. Fior. p. 3. 119, s. &#x2014; Volle aver piena notizia d'ogni<lb/>
cosa, così sacra come gentile</hi>. &#x2014; Vgl. oben S. 45.</note>, der weniger Leute um &#x017F;ich hatte, gar nichts ver-<lb/>
&#x017F;chwendete und wie in allen Dingen &#x017F;o auch in der An-<lb/>
eignung des Alterthums planvoll verfuhr. Für ihn und<lb/>
für Nicolaus <hi rendition="#aq">V.</hi> &#x017F;ind die mei&#x017F;ten Ueber&#x017F;etzungen aus dem<lb/>
Griechi&#x017F;chen und eine Anzahl der bedeutend&#x017F;ten Commentare,<lb/>
Bearbeitungen u. dgl. verfaßt worden. Er gab viel aus,<lb/>
aber zweckmäßig, an die Leute, die er brauchte. Von einem<lb/>
Poetenhof war in Urbino keine Rede; der Herr &#x017F;elber war<lb/>
der Gelehrte&#x017F;te. Das Alterthum war allerdings nur ein<lb/>
Theil &#x017F;einer Bildung; als vollkommener Für&#x017F;t, Feldherr<lb/>
und Men&#x017F;ch bemei&#x017F;terte er einen großen Theil der damaligen<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft überhaupt und zwar zu practi&#x017F;chen Zwecken,<lb/>
um der Sachen willen. Als Theologe z. B. verglich er<lb/>
Thomas und Scotus und kannte auch die alten Kirchen-<lb/>
väter des Orients und Occidents, er&#x017F;tere in lateini&#x017F;chen<lb/>
Ueber&#x017F;etzungen. In der Philo&#x017F;ophie &#x017F;cheint er den Plato<lb/>
gänzlich &#x017F;einem Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en Co&#x017F;imo überla&#x017F;&#x017F;en zu haben;<lb/>
von Ari&#x017F;toteles aber kannte er nicht nur Ethik und Politik<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0231] künftigen Ruhm 1) wahr machen zu können. Einmal gefiel es ihm auch, ſelber in antiker Weiſe aufzutreten, nämlich bei ſeinem berühmten Einzug in das definitiv eroberte Neapel (1443); unweit vom Mercato wurde eine 40 Ellen weite Breſche in die Mauer gelegt; durch dieſe fuhr er auf einem goldenen Wagen wie ein römiſcher Triumphator 2). Auch die Erinnerung hievon iſt durch einen herrlichen mar- mornen Triumphbogen im Caſtello nuovo verewigt. — Seine neapolitaniſche Dynaſtie (S. 35) hat von dieſem antiken Enthuſiasmus wie von all ſeinen guten Eigenſchaften wenig oder nichts geerbt. 3. Abſchnitt. Ungleich gelehrter als Alfonſo war Federigo von Ur- bino 3), der weniger Leute um ſich hatte, gar nichts ver- ſchwendete und wie in allen Dingen ſo auch in der An- eignung des Alterthums planvoll verfuhr. Für ihn und für Nicolaus V. ſind die meiſten Ueberſetzungen aus dem Griechiſchen und eine Anzahl der bedeutendſten Commentare, Bearbeitungen u. dgl. verfaßt worden. Er gab viel aus, aber zweckmäßig, an die Leute, die er brauchte. Von einem Poetenhof war in Urbino keine Rede; der Herr ſelber war der Gelehrteſte. Das Alterthum war allerdings nur ein Theil ſeiner Bildung; als vollkommener Fürſt, Feldherr und Menſch bemeiſterte er einen großen Theil der damaligen Wiſſenſchaft überhaupt und zwar zu practiſchen Zwecken, um der Sachen willen. Als Theologe z. B. verglich er Thomas und Scotus und kannte auch die alten Kirchen- väter des Orients und Occidents, erſtere in lateiniſchen Ueberſetzungen. In der Philoſophie ſcheint er den Plato gänzlich ſeinem Zeitgenoſſen Coſimo überlaſſen zu haben; von Ariſtoteles aber kannte er nicht nur Ethik und Politik Federigo von Urbino. 1) Ovid. Amores III, 15, vs. 11. — Jovian. Pontan., de principe. 2) Giorn. napolet. bei Murat. XXI, Col. 1127. 3) Vespas. Fior. p. 3. 119, s. — Volle aver piena notizia d'ogni cosa, così sacra come gentile. — Vgl. oben S. 45.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/231
Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/231>, abgerufen am 23.11.2024.