man aber bei diesen Humanisten weniger suchen würde,3. Abschnitt. sind einzelne bedeutende Arbeiten über die allgemeine Ge-Arbeiten über das Mittelalter. schichte des Mittelalters. Das erste bedeutende Werk dieser Art war die Chronik des Matteo Palmieri, begin- nend wo Prosper Aquitanus aufhört. Wer dann zufällig die Decaden des Blondus von Forli öffnet, wird einiger- maßen erstaunen, wenn er hier eine Weltgeschichte "ab in- clinatione Romanorum imperii" wie bei Gibbon findet, voll von Quellenstudien der Autoren jedes Jahrhunderts, wovon die ersten 300 Folioseiten dem frühern Mittelalter bis zum Tode Friedrichs II. angehören. Und dieß während man sich im Norden noch auf dem Standpuncte der be- kannten Papst- und Kaiserchroniken und des Fasciculus temporum befand. Es ist hier nicht unsere Sache, kritisch nachzuweisen, welche Schriften Blondus im Einzelnen be- nützt hat, und wo er sie beisammen gefunden; in der Ge- schichte der neuern Historiographie aber wird man ihm diese Ehre wohl einmal erweisen müssen. Schon um dieses einen Buches willen wäre man berechtigt zu sagen: das Studium des Alterthums allein hat das des Mittelalters möglich gemacht; jenes hat den Geist zuerst an objectives geschicht- liches Interesse gewöhnt. Allerdings kam hinzu, daß das Mittelalter für das damalige Italien ohnehin vorüber war und daß der Geist es erkennen konnte, weil es nun außer ihm lag. Man kann nicht sagen, daß er es sogleich mit Gerechtigkeit oder gar mit Pietät beurtheilt habe; in den Künsten setzt sich ein starkes Vorurtheil gegen seine Her- vorbringungen fest, und die Humanisten datiren von ihrem eigenen Aufkommen an eine neue Zeit: "Ich fange an, "sagt Boccaccio 1), zu hoffen und zu glauben, Gott habe
1) In dem Briefe an Pizinga, in den Opere volgari vol. XVI. -- Noch bei Raph. Volaterranus, L. XXI, fängt die geistige Welt mit dem XIV. Jahrh. an, also bei demselben Autor, dessen erste Bücher so viele für jene Zeit treffliche specialgeschichtliche Uebersichten für alle Länder enthalten.
Cultur der Renaissance. 16
man aber bei dieſen Humaniſten weniger ſuchen würde,3. Abſchnitt. ſind einzelne bedeutende Arbeiten über die allgemeine Ge-Arbeiten über das Mittelalter. ſchichte des Mittelalters. Das erſte bedeutende Werk dieſer Art war die Chronik des Matteo Palmieri, begin- nend wo Prosper Aquitanus aufhört. Wer dann zufällig die Decaden des Blondus von Forli öffnet, wird einiger- maßen erſtaunen, wenn er hier eine Weltgeſchichte „ab in- clinatione Romanorum imperii“ wie bei Gibbon findet, voll von Quellenſtudien der Autoren jedes Jahrhunderts, wovon die erſten 300 Folioſeiten dem frühern Mittelalter bis zum Tode Friedrichs II. angehören. Und dieß während man ſich im Norden noch auf dem Standpuncte der be- kannten Papſt- und Kaiſerchroniken und des Fasciculus temporum befand. Es iſt hier nicht unſere Sache, kritiſch nachzuweiſen, welche Schriften Blondus im Einzelnen be- nützt hat, und wo er ſie beiſammen gefunden; in der Ge- ſchichte der neuern Hiſtoriographie aber wird man ihm dieſe Ehre wohl einmal erweiſen müſſen. Schon um dieſes einen Buches willen wäre man berechtigt zu ſagen: das Studium des Alterthums allein hat das des Mittelalters möglich gemacht; jenes hat den Geiſt zuerſt an objectives geſchicht- liches Intereſſe gewöhnt. Allerdings kam hinzu, daß das Mittelalter für das damalige Italien ohnehin vorüber war und daß der Geiſt es erkennen konnte, weil es nun außer ihm lag. Man kann nicht ſagen, daß er es ſogleich mit Gerechtigkeit oder gar mit Pietät beurtheilt habe; in den Künſten ſetzt ſich ein ſtarkes Vorurtheil gegen ſeine Her- vorbringungen feſt, und die Humaniſten datiren von ihrem eigenen Aufkommen an eine neue Zeit: „Ich fange an, „ſagt Boccaccio 1), zu hoffen und zu glauben, Gott habe
1) In dem Briefe an Pizinga, in den Opere volgari vol. XVI. — Noch bei Raph. Volaterranus, L. XXI, fängt die geiſtige Welt mit dem XIV. Jahrh. an, alſo bei demſelben Autor, deſſen erſte Bücher ſo viele für jene Zeit treffliche ſpecialgeſchichtliche Ueberſichten für alle Länder enthalten.
Cultur der Renaiſſance. 16
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man aber bei dieſen Humaniſten weniger ſuchen würde,
ſind einzelne bedeutende Arbeiten über die allgemeine Ge-
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dieſer Art war die Chronik des Matteo Palmieri, begin-
nend wo Prosper Aquitanus aufhört. Wer dann zufällig
die Decaden des Blondus von Forli öffnet, wird einiger-
maßen erſtaunen, wenn er hier eine Weltgeſchichte „ab in-
clinatione Romanorum imperii“ wie bei Gibbon findet,
voll von Quellenſtudien der Autoren jedes Jahrhunderts,
wovon die erſten 300 Folioſeiten dem frühern Mittelalter
bis zum Tode Friedrichs II. angehören. Und dieß während
man ſich im Norden noch auf dem Standpuncte der be-
kannten Papſt- und Kaiſerchroniken und des Fasciculus
temporum befand. Es iſt hier nicht unſere Sache, kritiſch
nachzuweiſen, welche Schriften Blondus im Einzelnen be-
nützt hat, und wo er ſie beiſammen gefunden; in der Ge-
ſchichte der neuern Hiſtoriographie aber wird man ihm dieſe
Ehre wohl einmal erweiſen müſſen. Schon um dieſes einen
Buches willen wäre man berechtigt zu ſagen: das Studium
des Alterthums allein hat das des Mittelalters möglich
gemacht; jenes hat den Geiſt zuerſt an objectives geſchicht-
liches Intereſſe gewöhnt. Allerdings kam hinzu, daß das
Mittelalter für das damalige Italien ohnehin vorüber war
und daß der Geiſt es erkennen konnte, weil es nun außer
ihm lag. Man kann nicht ſagen, daß er es ſogleich mit
Gerechtigkeit oder gar mit Pietät beurtheilt habe; in den
Künſten ſetzt ſich ein ſtarkes Vorurtheil gegen ſeine Her-
vorbringungen feſt, und die Humaniſten datiren von ihrem
eigenen Aufkommen an eine neue Zeit: „Ich fange an,
„ſagt Boccaccio 1), zu hoffen und zu glauben, Gott habe
3. Abſchnitt.
Arbeiten über
das Mittelalter.
1) In dem Briefe an Pizinga, in den Opere volgari vol. XVI. —
Noch bei Raph. Volaterranus, L. XXI, fängt die geiſtige Welt
mit dem XIV. Jahrh. an, alſo bei demſelben Autor, deſſen erſte
Bücher ſo viele für jene Zeit treffliche ſpecialgeſchichtliche Ueberſichten
für alle Länder enthalten.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/251>, abgerufen am 22.11.2024.
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