brennende Frage: ob auch ihm die Gründung eines Fürsten-1. Abschnitt. thumes gelingen werde oder nicht? Die größern Staaten hatten ein einleuchtendes Interesse es zu verhindern, und auch Francesco Sforza fand, es wäre vortheilhaft, wenn die Reihe der souverän gewordenen Soldführer mit ihm selber abschlösse. Aber die Truppen und Hauptleute, dieUntergang des Letztern. man gegen Piccinino absandte, als er z. B. Siena hatte für sich nehmen wollen, erkannten 1) ihr eigenes Interesse darin, ihn zu halten: "Wenn es mit ihm zu Ende ginge, dann könnten wir wieder den Acker bauen". Während sie ihn in Orbetello eingeschlossen hielten, verproviantirten sie ihn zugleich und er kam auf das Ehrenvollste aus der Klemme. Endlich aber entging er seinem Verhängniß doch nicht. Ganz Italien wettete was geschehen werde, als er (1465) von einem Besuch bei Sforza in Mailand nach Neapel zum König Ferrante reiste. Trotz aller Bürgschaften und hohen Verbindungen ließ ihn dieser im Castel nuovo ermorden. 2) Auch die Condottieren, welche ererbte Staaten besaßen, fühlten sich doch nie sicher; als Roberto Malatesta und Federigo von Urbino (1482) an Einem Tage, jener in Rom, dieser in Bologna starben, fand es sich, daß Jeder im Sterben dem Andern seinen Staat empfehlen ließ! 3) Gegen einen Stand der sich so Vieles erlaubte, schien Alles erlaubt. Francesco Sforza war noch ganz jung mit einer reichen calabresischen Erbin, Polissena Ruffa, Gräfin von Montalto, verheirathet worden, welche ihm ein Töchterchen
1)Pii II. Comment. I, p. 46, vgl. 69
2)Sismondi X, p. 258. -- Corio, Fol. 412, wo Sforza als mit- schuldig gilt, weil er von P.'s kriegerischer Popularität Gefahren für seine eigenen Söhne gefürchtet. -- Storia Bresciana, bei Murat. XXI, Col. 902. -- Wie man 1466 den venezianischen Groß- condottiere Colleoni in Versuchung führte, erzählt Malipiero, An- nali veneti, arch. stor. VII, I, p. 210.
3)Allegretti, Diarii Sanesi, bei Murat. XXIII, p. 811.
brennende Frage: ob auch ihm die Gründung eines Fürſten-1. Abſchnitt. thumes gelingen werde oder nicht? Die größern Staaten hatten ein einleuchtendes Intereſſe es zu verhindern, und auch Francesco Sforza fand, es wäre vortheilhaft, wenn die Reihe der ſouverän gewordenen Soldführer mit ihm ſelber abſchlöſſe. Aber die Truppen und Hauptleute, dieUntergang des Letztern. man gegen Piccinino abſandte, als er z. B. Siena hatte für ſich nehmen wollen, erkannten 1) ihr eigenes Intereſſe darin, ihn zu halten: „Wenn es mit ihm zu Ende ginge, dann könnten wir wieder den Acker bauen“. Während ſie ihn in Orbetello eingeſchloſſen hielten, verproviantirten ſie ihn zugleich und er kam auf das Ehrenvollſte aus der Klemme. Endlich aber entging er ſeinem Verhängniß doch nicht. Ganz Italien wettete was geſchehen werde, als er (1465) von einem Beſuch bei Sforza in Mailand nach Neapel zum König Ferrante reiſte. Trotz aller Bürgſchaften und hohen Verbindungen ließ ihn dieſer im Caſtel nuovo ermorden. 2) Auch die Condottieren, welche ererbte Staaten beſaßen, fühlten ſich doch nie ſicher; als Roberto Malateſta und Federigo von Urbino (1482) an Einem Tage, jener in Rom, dieſer in Bologna ſtarben, fand es ſich, daß Jeder im Sterben dem Andern ſeinen Staat empfehlen ließ! 3) Gegen einen Stand der ſich ſo Vieles erlaubte, ſchien Alles erlaubt. Francesco Sforza war noch ganz jung mit einer reichen calabreſiſchen Erbin, Poliſſena Ruffa, Gräfin von Montalto, verheirathet worden, welche ihm ein Töchterchen
1)Pii II. Comment. I, p. 46, vgl. 69
2)Sismondi X, p. 258. — Corio, Fol. 412, wo Sforza als mit- ſchuldig gilt, weil er von P.'s kriegeriſcher Popularität Gefahren für ſeine eigenen Söhne gefürchtet. — Storia Bresciana, bei Murat. XXI, Col. 902. — Wie man 1466 den venezianiſchen Groß- condottiere Colleoni in Verſuchung führte, erzählt Malipiero, An- nali veneti, arch. stor. VII, I, p. 210.
3)Allegretti, Diarii Sanesi, bei Murat. XXIII, p. 811.
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[25/0035]
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auch Francesco Sforza fand, es wäre vortheilhaft, wenn
die Reihe der ſouverän gewordenen Soldführer mit ihm
ſelber abſchlöſſe. Aber die Truppen und Hauptleute, die
man gegen Piccinino abſandte, als er z. B. Siena hatte
für ſich nehmen wollen, erkannten 1) ihr eigenes Intereſſe
darin, ihn zu halten: „Wenn es mit ihm zu Ende ginge,
dann könnten wir wieder den Acker bauen“. Während ſie
ihn in Orbetello eingeſchloſſen hielten, verproviantirten ſie
ihn zugleich und er kam auf das Ehrenvollſte aus der
Klemme. Endlich aber entging er ſeinem Verhängniß doch
nicht. Ganz Italien wettete was geſchehen werde, als er
(1465) von einem Beſuch bei Sforza in Mailand nach
Neapel zum König Ferrante reiſte. Trotz aller Bürgſchaften
und hohen Verbindungen ließ ihn dieſer im Caſtel nuovo
ermorden. 2) Auch die Condottieren, welche ererbte Staaten
beſaßen, fühlten ſich doch nie ſicher; als Roberto Malateſta
und Federigo von Urbino (1482) an Einem Tage, jener
in Rom, dieſer in Bologna ſtarben, fand es ſich, daß Jeder
im Sterben dem Andern ſeinen Staat empfehlen ließ! 3)
Gegen einen Stand der ſich ſo Vieles erlaubte, ſchien Alles
erlaubt. Francesco Sforza war noch ganz jung mit einer
reichen calabreſiſchen Erbin, Poliſſena Ruffa, Gräfin von
Montalto, verheirathet worden, welche ihm ein Töchterchen
1. Abſchnitt.
Untergang des
Letztern.
1) Pii II. Comment. I, p. 46, vgl. 69
2) Sismondi X, p. 258. — Corio, Fol. 412, wo Sforza als mit-
ſchuldig gilt, weil er von P.'s kriegeriſcher Popularität Gefahren
für ſeine eigenen Söhne gefürchtet. — Storia Bresciana, bei
Murat. XXI, Col. 902. — Wie man 1466 den venezianiſchen Groß-
condottiere Colleoni in Verſuchung führte, erzählt Malipiero, An-
nali veneti, arch. stor. VII, I, p. 210.
3) Allegretti, Diarii Sanesi, bei Murat. XXIII, p. 811.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/35>, abgerufen am 03.12.2024.
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