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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.

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4. Abschnitt.Die Dichter, welche auf ihn folgen, erreichen ihn in
dieser Beziehung selten und den Novellisten verbietet es
das höchste Gesetz ihrer Literaturgattung, bei dem Einzelnen
zu verweilen (Vgl. S. 302, 342). Sie dürfen so weitschweifig
präludiren und erzählen als sie wollen, aber nicht genrehaft
schildern. Wir müssen uns gedulden bis die Männer des
Alterthums Lust und Gelegenheit finden, sich in der Be-
schreibung zu ergehen.

Bei Aen. Syl-
vius.
Hier tritt uns wiederum der Mensch entgegen, welcher
Sinn hatte für Alles: Aeneas Sylvius. Nicht bloß die
Schönheit der Landschaft, nicht bloß das cosmographisch
oder antiquarisch Interessante (S. 180, 282, 298) reizt ihn zur
Darstellung, sondern jeder lebendige Vorgang 1). Unter
den sehr vielen Stellen seiner Memoiren, wo Scenen ge-
schildert werden, welchen damals kaum Jemand einen Feder-
strich gegönnt hätte, heben wir hier nur das Wettrudern
auf dem Bolsener See hervor 2). Man wird nicht näher
ermitteln können, aus welchen antiken Epistolographen oder
Erzählern die specielle Anregung zu so lebensvollen Bildern
auf ihn übergegangen ist, wie denn überhaupt die geistigen
Berührungen zwischen Alterthum und Renaissance oft über-
aus zart und geheimnißvoll sind.

Sodann gehören hieher jene beschreibenden lateinischen
Gedichte, von welchen oben (S. 257) die Rede war:
Jagden, Reisen, Ceremonien u. dgl. Es giebt auch Ita-
lienisches dieser Gattung; wie z. B. die Schilderungen des
berühmten mediceischen Turniers von Poliziano und Luca
Pulci. Die eigentlichen epischen Dichter, Luigi Pulci, Bo-

1) Man muß es nicht zu ernst nehmen, daß er an seinem Hofe eine
Art Spottdrossel, den Florentiner Greco hatte, hominem certe
cuiusvis mores, naturam, linguam cum maximo omnium qui
audiebant risu facile exprimentem. Platina, vitae Pontiff.
p.
310.
2) Pii II. Comment. VIII, p. 391.

4. Abſchnitt.Die Dichter, welche auf ihn folgen, erreichen ihn in
dieſer Beziehung ſelten und den Novelliſten verbietet es
das höchſte Geſetz ihrer Literaturgattung, bei dem Einzelnen
zu verweilen (Vgl. S. 302, 342). Sie dürfen ſo weitſchweifig
präludiren und erzählen als ſie wollen, aber nicht genrehaft
ſchildern. Wir müſſen uns gedulden bis die Männer des
Alterthums Luſt und Gelegenheit finden, ſich in der Be-
ſchreibung zu ergehen.

Bei Aen. Syl-
vius.
Hier tritt uns wiederum der Menſch entgegen, welcher
Sinn hatte für Alles: Aeneas Sylvius. Nicht bloß die
Schönheit der Landſchaft, nicht bloß das cosmographiſch
oder antiquariſch Intereſſante (S. 180, 282, 298) reizt ihn zur
Darſtellung, ſondern jeder lebendige Vorgang 1). Unter
den ſehr vielen Stellen ſeiner Memoiren, wo Scenen ge-
ſchildert werden, welchen damals kaum Jemand einen Feder-
ſtrich gegönnt hätte, heben wir hier nur das Wettrudern
auf dem Bolſener See hervor 2). Man wird nicht näher
ermitteln können, aus welchen antiken Epiſtolographen oder
Erzählern die ſpecielle Anregung zu ſo lebensvollen Bildern
auf ihn übergegangen iſt, wie denn überhaupt die geiſtigen
Berührungen zwiſchen Alterthum und Renaiſſance oft über-
aus zart und geheimnißvoll ſind.

Sodann gehören hieher jene beſchreibenden lateiniſchen
Gedichte, von welchen oben (S. 257) die Rede war:
Jagden, Reiſen, Ceremonien u. dgl. Es giebt auch Ita-
lieniſches dieſer Gattung; wie z. B. die Schilderungen des
berühmten mediceiſchen Turniers von Poliziano und Luca
Pulci. Die eigentlichen epiſchen Dichter, Luigi Pulci, Bo-

1) Man muß es nicht zu ernſt nehmen, daß er an ſeinem Hofe eine
Art Spottdroſſel, den Florentiner Greco hatte, hominem certe
cuiusvis mores, naturam, linguam cum maximo omnium qui
audiebant risu facile exprimentem. Platina, vitæ Pontiff.
p.
310.
2) Pii II. Comment. VIII, p. 391.
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[348/0358] Die Dichter, welche auf ihn folgen, erreichen ihn in dieſer Beziehung ſelten und den Novelliſten verbietet es das höchſte Geſetz ihrer Literaturgattung, bei dem Einzelnen zu verweilen (Vgl. S. 302, 342). Sie dürfen ſo weitſchweifig präludiren und erzählen als ſie wollen, aber nicht genrehaft ſchildern. Wir müſſen uns gedulden bis die Männer des Alterthums Luſt und Gelegenheit finden, ſich in der Be- ſchreibung zu ergehen. 4. Abſchnitt. Hier tritt uns wiederum der Menſch entgegen, welcher Sinn hatte für Alles: Aeneas Sylvius. Nicht bloß die Schönheit der Landſchaft, nicht bloß das cosmographiſch oder antiquariſch Intereſſante (S. 180, 282, 298) reizt ihn zur Darſtellung, ſondern jeder lebendige Vorgang 1). Unter den ſehr vielen Stellen ſeiner Memoiren, wo Scenen ge- ſchildert werden, welchen damals kaum Jemand einen Feder- ſtrich gegönnt hätte, heben wir hier nur das Wettrudern auf dem Bolſener See hervor 2). Man wird nicht näher ermitteln können, aus welchen antiken Epiſtolographen oder Erzählern die ſpecielle Anregung zu ſo lebensvollen Bildern auf ihn übergegangen iſt, wie denn überhaupt die geiſtigen Berührungen zwiſchen Alterthum und Renaiſſance oft über- aus zart und geheimnißvoll ſind. Bei Aen. Syl- vius. Sodann gehören hieher jene beſchreibenden lateiniſchen Gedichte, von welchen oben (S. 257) die Rede war: Jagden, Reiſen, Ceremonien u. dgl. Es giebt auch Ita- lieniſches dieſer Gattung; wie z. B. die Schilderungen des berühmten mediceiſchen Turniers von Poliziano und Luca Pulci. Die eigentlichen epiſchen Dichter, Luigi Pulci, Bo- 1) Man muß es nicht zu ernſt nehmen, daß er an ſeinem Hofe eine Art Spottdroſſel, den Florentiner Greco hatte, hominem certe cuiusvis mores, naturam, linguam cum maximo omnium qui audiebant risu facile exprimentem. Platina, vitæ Pontiff. p. 310. 2) Pii II. Comment. VIII, p. 391.

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Zitationshilfe: Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/358>, abgerufen am 24.11.2024.