Fünfter Abschnitt. Die Geselligkeit und die Feste.
Jede Culturepoche, die in sich ein vollständig durchgebilde-5. Abschnitt. tes Ganze vorstellt, spricht sich nicht nur im staatlichen Zu- sammenleben, in Religion, Kunst und Wissenschaft kenntlich aus, sondern sie drückt auch dem geselligen Dasein ihren bestimmten Stempel auf. So hatte das Mittelalter seine nach Ländern nur wenig verschiedene Hof- und Adelssitte und Etikette, sein bestimmtes Bürgerthum.
Die Sitte der italienischen Renaissance ist hievon inGegensatz zum Mittelalter. den wichtigsten Beziehungen das wahre Widerspiel. Schon die Basis ist eine andere, indem es für die höhere Gesellig- keit keine Kastenunterschiede mehr, sondern einen gebildeten Stand im modernen Sinne giebt, auf welchen Geburt und Herkunft nur noch dann Einfluß haben, wenn sie mit er- erbtem Reichthum und gesicherter Muße verbunden sind. In absolutem Sinne ist dieß nicht zu verstehen, indem die Standescategorien des Mittelalters bald mehr bald weniger sich noch geltend zu machen suchen, und wäre es auch nur, um mit der außeritalienischen, europäischen Vornehmheit in irgend einem Rangverhältniß zu bleiben; aber der allge- meine Zug der Zeit war offenbar die Verschmelzung der Stände im Sinn der neuern Welt.
Von erster Wichtigkeit war hiefür das Zusammen-Zusammen- wohnen, wohnen von Adlichen und Bürgern in den Städten min-
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Fünfter Abſchnitt. Die Geſelligkeit und die Feſte.
Jede Culturepoche, die in ſich ein vollſtändig durchgebilde-5. Abſchnitt. tes Ganze vorſtellt, ſpricht ſich nicht nur im ſtaatlichen Zu- ſammenleben, in Religion, Kunſt und Wiſſenſchaft kenntlich aus, ſondern ſie drückt auch dem geſelligen Daſein ihren beſtimmten Stempel auf. So hatte das Mittelalter ſeine nach Ländern nur wenig verſchiedene Hof- und Adelsſitte und Etikette, ſein beſtimmtes Bürgerthum.
Die Sitte der italieniſchen Renaiſſance iſt hievon inGegenſatz zum Mittelalter. den wichtigſten Beziehungen das wahre Widerſpiel. Schon die Baſis iſt eine andere, indem es für die höhere Geſellig- keit keine Kaſtenunterſchiede mehr, ſondern einen gebildeten Stand im modernen Sinne giebt, auf welchen Geburt und Herkunft nur noch dann Einfluß haben, wenn ſie mit er- erbtem Reichthum und geſicherter Muße verbunden ſind. In abſolutem Sinne iſt dieß nicht zu verſtehen, indem die Standescategorien des Mittelalters bald mehr bald weniger ſich noch geltend zu machen ſuchen, und wäre es auch nur, um mit der außeritalieniſchen, europäiſchen Vornehmheit in irgend einem Rangverhältniß zu bleiben; aber der allge- meine Zug der Zeit war offenbar die Verſchmelzung der Stände im Sinn der neuern Welt.
Von erſter Wichtigkeit war hiefür das Zuſammen-Zuſammen- wohnen, wohnen von Adlichen und Bürgern in den Städten min-
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[[355]/0365]
Fünfter Abſchnitt.
Die Geſelligkeit und die Feſte.
Jede Culturepoche, die in ſich ein vollſtändig durchgebilde-
tes Ganze vorſtellt, ſpricht ſich nicht nur im ſtaatlichen Zu-
ſammenleben, in Religion, Kunſt und Wiſſenſchaft kenntlich
aus, ſondern ſie drückt auch dem geſelligen Daſein ihren
beſtimmten Stempel auf. So hatte das Mittelalter ſeine
nach Ländern nur wenig verſchiedene Hof- und Adelsſitte
und Etikette, ſein beſtimmtes Bürgerthum.
5. Abſchnitt.
Die Sitte der italieniſchen Renaiſſance iſt hievon in
den wichtigſten Beziehungen das wahre Widerſpiel. Schon
die Baſis iſt eine andere, indem es für die höhere Geſellig-
keit keine Kaſtenunterſchiede mehr, ſondern einen gebildeten
Stand im modernen Sinne giebt, auf welchen Geburt und
Herkunft nur noch dann Einfluß haben, wenn ſie mit er-
erbtem Reichthum und geſicherter Muße verbunden ſind.
In abſolutem Sinne iſt dieß nicht zu verſtehen, indem die
Standescategorien des Mittelalters bald mehr bald weniger
ſich noch geltend zu machen ſuchen, und wäre es auch nur,
um mit der außeritalieniſchen, europäiſchen Vornehmheit in
irgend einem Rangverhältniß zu bleiben; aber der allge-
meine Zug der Zeit war offenbar die Verſchmelzung der
Stände im Sinn der neuern Welt.
Gegenſatz zum
Mittelalter.
Von erſter Wichtigkeit war hiefür das Zuſammen-
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. [355]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/365>, abgerufen am 24.11.2024.
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