der Sprache im höchsten Sinne mächtig waren, verließen5. Abschnitt. sich hinwiederum auf den prachtvoll wogenden Gang und Wohllaut derselben als auf einen vom Inhalt unabhängi- gen Vorzug. Auch eine geringe Melodie kann nämlich von solch einem Instrument getragen, herrlich klingen. Allein wie dem auch sei, in gesellschaftlicher Beziehung hatte diese Sprache einen hohen Werth. Sie war die Ergänzung zu dem edeln, stylgemäßen Auftreten überhaupt, sie nöthigte den gebildeten Menschen, auch im Alltäglichen Haltung und in ungewöhnlichern Momenten äußere Würde zu behaupten. Schmutz und Bosheit genug hüllten sich allerdings auch in dieß classische Gewand wie einst in den reinsten Atticismus, allein auch das Feinste und Edelste fand in ihr einen gül- tigen Ausdruck. Vorzüglich bedeutend aber ist sie in na-und weite Ver- breitung. tionaler Beziehung, als ideale Heimath der Gebildeten aller Staaten des früh zerrissenen Landes 1). Zudem gehört sie nicht nur den Adlichen oder sonst irgend einem Stande, sondern der Aermste und Geringste hat Zeit und Mittel übrig sich ihrer zu bemächtigen, sobald er nur will. Noch heutzutage (und vielleicht mehr als je) wird der Fremde in solchen Gegenden Italiens, wo sonst der unverständlichste Dialect herrscht, bei geringen Leuten und Bauern oft durch ein sehr reines und rein gesprochenes Italienisch überrascht und besinnt sich vergebens auf Aehnliches bei denselben Menschenclassen in Frankreich oder gar in Deutschland, wo auch die Gebildeten an der provincialen Aussprache fest- halten. Freilich ist das Lesenkönnen in Italien viel ver- breiteter als man nach den sonstigen Zuständen, z. B. des Kirchenstaates, denken sollte, allein wie weit würde dieß helfen ohne den allgemeinen, unbestrittenen Respect vor der reinen Sprache und Aussprache als einem hohen und werthen Besitzthum? Eine Landschaft nach der andern hat sich der- selben officiell anbequemt, auch Venedig, Mailand und
1) So empfindet es schon Dante. De vulgari eloquio I, c. 17. 18.
der Sprache im höchſten Sinne mächtig waren, verließen5. Abſchnitt. ſich hinwiederum auf den prachtvoll wogenden Gang und Wohllaut derſelben als auf einen vom Inhalt unabhängi- gen Vorzug. Auch eine geringe Melodie kann nämlich von ſolch einem Inſtrument getragen, herrlich klingen. Allein wie dem auch ſei, in geſellſchaftlicher Beziehung hatte dieſe Sprache einen hohen Werth. Sie war die Ergänzung zu dem edeln, ſtylgemäßen Auftreten überhaupt, ſie nöthigte den gebildeten Menſchen, auch im Alltäglichen Haltung und in ungewöhnlichern Momenten äußere Würde zu behaupten. Schmutz und Bosheit genug hüllten ſich allerdings auch in dieß claſſiſche Gewand wie einſt in den reinſten Atticismus, allein auch das Feinſte und Edelſte fand in ihr einen gül- tigen Ausdruck. Vorzüglich bedeutend aber iſt ſie in na-und weite Ver- breitung. tionaler Beziehung, als ideale Heimath der Gebildeten aller Staaten des früh zerriſſenen Landes 1). Zudem gehört ſie nicht nur den Adlichen oder ſonſt irgend einem Stande, ſondern der Aermſte und Geringſte hat Zeit und Mittel übrig ſich ihrer zu bemächtigen, ſobald er nur will. Noch heutzutage (und vielleicht mehr als je) wird der Fremde in ſolchen Gegenden Italiens, wo ſonſt der unverſtändlichſte Dialect herrſcht, bei geringen Leuten und Bauern oft durch ein ſehr reines und rein geſprochenes Italieniſch überraſcht und beſinnt ſich vergebens auf Aehnliches bei denſelben Menſchenclaſſen in Frankreich oder gar in Deutſchland, wo auch die Gebildeten an der provincialen Ausſprache feſt- halten. Freilich iſt das Leſenkönnen in Italien viel ver- breiteter als man nach den ſonſtigen Zuſtänden, z. B. des Kirchenſtaates, denken ſollte, allein wie weit würde dieß helfen ohne den allgemeinen, unbeſtrittenen Reſpect vor der reinen Sprache und Ausſprache als einem hohen und werthen Beſitzthum? Eine Landſchaft nach der andern hat ſich der- ſelben officiell anbequemt, auch Venedig, Mailand und
1) So empfindet es ſchon Dante. De vulgari eloquio I, c. 17. 18.
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der Sprache im höchſten Sinne mächtig waren, verließen
ſich hinwiederum auf den prachtvoll wogenden Gang und
Wohllaut derſelben als auf einen vom Inhalt unabhängi-
gen Vorzug. Auch eine geringe Melodie kann nämlich von
ſolch einem Inſtrument getragen, herrlich klingen. Allein
wie dem auch ſei, in geſellſchaftlicher Beziehung hatte dieſe
Sprache einen hohen Werth. Sie war die Ergänzung zu
dem edeln, ſtylgemäßen Auftreten überhaupt, ſie nöthigte
den gebildeten Menſchen, auch im Alltäglichen Haltung und
in ungewöhnlichern Momenten äußere Würde zu behaupten.
Schmutz und Bosheit genug hüllten ſich allerdings auch in
dieß claſſiſche Gewand wie einſt in den reinſten Atticismus,
allein auch das Feinſte und Edelſte fand in ihr einen gül-
tigen Ausdruck. Vorzüglich bedeutend aber iſt ſie in na-
tionaler Beziehung, als ideale Heimath der Gebildeten aller
Staaten des früh zerriſſenen Landes 1). Zudem gehört ſie
nicht nur den Adlichen oder ſonſt irgend einem Stande,
ſondern der Aermſte und Geringſte hat Zeit und Mittel
übrig ſich ihrer zu bemächtigen, ſobald er nur will. Noch
heutzutage (und vielleicht mehr als je) wird der Fremde in
ſolchen Gegenden Italiens, wo ſonſt der unverſtändlichſte
Dialect herrſcht, bei geringen Leuten und Bauern oft durch
ein ſehr reines und rein geſprochenes Italieniſch überraſcht
und beſinnt ſich vergebens auf Aehnliches bei denſelben
Menſchenclaſſen in Frankreich oder gar in Deutſchland, wo
auch die Gebildeten an der provincialen Ausſprache feſt-
halten. Freilich iſt das Leſenkönnen in Italien viel ver-
breiteter als man nach den ſonſtigen Zuſtänden, z. B. des
Kirchenſtaates, denken ſollte, allein wie weit würde dieß
helfen ohne den allgemeinen, unbeſtrittenen Reſpect vor der
reinen Sprache und Ausſprache als einem hohen und werthen
Beſitzthum? Eine Landſchaft nach der andern hat ſich der-
ſelben officiell anbequemt, auch Venedig, Mailand und
5. Abſchnitt.
und weite Ver-
breitung.
1) So empfindet es ſchon Dante. De vulgari eloquio I, c. 17. 18.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/385>, abgerufen am 24.11.2024.
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