Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860.das Taschengeld der jüngern Söhne, steht hiezu in einem5. Abschnitt. Noch einen Zug müssen wir hervorheben, der diesemDie Villa. 1) Eine gründliche, mit psychologischem Geist gearbeitete Geschichte des
Prügelns bei den germanischen und romanischen Völkern wäre wohl so viel werth als ein paar Bände Depeschen und Unterhandlungen. Wann und durch welchen Einfluß ist das Prügeln in der deutschen Familie zu einem alltäglichen Gebrauch geworden? Es geschah wohl erst lange nachdem Waltber gesungen: Nieman kan mit gerten kin- des zuht beherten. In Italien hört wenigstens das Schlagen sehr früh auf; ein siebenjähriges Kind bekömmt keine Schläge mehr. Der kleine Roland (Orlandino, cap. VII, str. 42) stellt das Princip auf: Sol gli asini si ponno bastonare, Se una tal bestia fussi, patirei. das Taſchengeld der jüngern Söhne, ſteht hiezu in einem5. Abſchnitt. Noch einen Zug müſſen wir hervorheben, der dieſemDie Villa. 1) Eine gründliche, mit pſychologiſchem Geiſt gearbeitete Geſchichte des
Prügelns bei den germaniſchen und romaniſchen Völkern wäre wohl ſo viel werth als ein paar Bände Depeſchen und Unterhandlungen. Wann und durch welchen Einfluß iſt das Prügeln in der deutſchen Familie zu einem alltäglichen Gebrauch geworden? Es geſchah wohl erſt lange nachdem Waltber geſungen: Nieman kan mit gerten kin- des zuht beherten. In Italien hört wenigſtens das Schlagen ſehr früh auf; ein ſiebenjähriges Kind bekömmt keine Schläge mehr. Der kleine Roland (Orlandino, cap. VII, str. 42) ſtellt das Princip auf: Sol gli asini si ponno bastonare, Se una tal bestia fussi, patirei. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0409" n="399"/> das Taſchengeld der jüngern Söhne, ſteht hiezu in einem<note place="right"><hi rendition="#b"><hi rendition="#u">5. Abſchnitt.</hi></hi></note><lb/> rationellen, nicht in einem conventionellen Verhältniß. Das<lb/> Wichtigſte aber iſt die Erziehung, die der Hausherr bei<note place="right">Erziehung.</note><lb/> Weitem nicht bloß den Kindern, ſondern dem ganzen Hauſe<lb/> giebt. Er bildet zunächſt ſeine Gemahlin aus einem ſchüch-<lb/> ternen, in vorſichtigem Gewahrſam erzogenen Mädchen zur<lb/> ſichern Gebieterin der Dienerſchaft, zur Hausfrau aus;<lb/> dann erzieht er die Söhne ohne alle unnütze Härte <note place="foot" n="1)">Eine gründliche, mit pſychologiſchem Geiſt gearbeitete Geſchichte des<lb/> Prügelns bei den germaniſchen und romaniſchen Völkern wäre wohl<lb/> ſo viel werth als ein paar Bände Depeſchen und Unterhandlungen.<lb/> Wann und durch welchen Einfluß iſt das Prügeln in der deutſchen<lb/> Familie zu einem alltäglichen Gebrauch geworden? Es geſchah wohl<lb/> erſt lange nachdem Waltber geſungen: Nieman kan mit gerten kin-<lb/> des zuht beherten. In Italien hört wenigſtens das Schlagen ſehr<lb/> früh auf; ein ſiebenjähriges Kind bekömmt keine Schläge mehr.<lb/> Der kleine Roland (<hi rendition="#aq">Orlandino, cap. VII, str.</hi> 42) ſtellt das Princip<lb/> auf:<lb/><lg type="poem"><l><hi rendition="#aq">Sol gli asini si ponno bastonare,</hi></l><lb/><l><hi rendition="#aq">Se una tal bestia fussi, patirei.</hi></l></lg></note>, durch<lb/> ſorgfältige Aufſicht und Zureden, „mehr mit Autori-<lb/> tät als mit Gewalt“, und endlich wählt und behandelt er<lb/> auch die Angeſtellten und Diener nach ſolchen Grundſätzen,<lb/> daß ſie gerne und treu am Hauſe halten.</p><lb/> <p>Noch einen Zug müſſen wir hervorheben, der dieſem<note place="right">Die Villa.</note><lb/> Büchlein zwar keinesweges eigen, wohl aber mit beſonderer<lb/> Begeiſterung darin hervorgehoben iſt: die Liebe des gebil-<lb/> deten Italieners zum Landleben. Im Norden wohnten<lb/> damals auf dem Lande die Adlichen in ihren Bergſchlöſſern<lb/> und die vornehmern Mönchsorden in ihren wohlverſchloſſenen<lb/> Klöſtern; der reichſte Bürger aber lebte Jahr aus Jahr<lb/> ein in der Stadt. In Italien dagegen war, wenigſtens<lb/> was die Umgebung gewiſſer Städte betrifft, theils die po-<lb/> litiſche und polizeiliche Sicherheit größer, theils die Nei-<lb/> gung zum Aufenthalt draußen ſo mächtig, daß man in<lb/> Kriegsfällen ſich auch einigen Verluſt gefallen ließ. So<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [399/0409]
das Taſchengeld der jüngern Söhne, ſteht hiezu in einem
rationellen, nicht in einem conventionellen Verhältniß. Das
Wichtigſte aber iſt die Erziehung, die der Hausherr bei
Weitem nicht bloß den Kindern, ſondern dem ganzen Hauſe
giebt. Er bildet zunächſt ſeine Gemahlin aus einem ſchüch-
ternen, in vorſichtigem Gewahrſam erzogenen Mädchen zur
ſichern Gebieterin der Dienerſchaft, zur Hausfrau aus;
dann erzieht er die Söhne ohne alle unnütze Härte 1), durch
ſorgfältige Aufſicht und Zureden, „mehr mit Autori-
tät als mit Gewalt“, und endlich wählt und behandelt er
auch die Angeſtellten und Diener nach ſolchen Grundſätzen,
daß ſie gerne und treu am Hauſe halten.
5. Abſchnitt.
Erziehung.
Noch einen Zug müſſen wir hervorheben, der dieſem
Büchlein zwar keinesweges eigen, wohl aber mit beſonderer
Begeiſterung darin hervorgehoben iſt: die Liebe des gebil-
deten Italieners zum Landleben. Im Norden wohnten
damals auf dem Lande die Adlichen in ihren Bergſchlöſſern
und die vornehmern Mönchsorden in ihren wohlverſchloſſenen
Klöſtern; der reichſte Bürger aber lebte Jahr aus Jahr
ein in der Stadt. In Italien dagegen war, wenigſtens
was die Umgebung gewiſſer Städte betrifft, theils die po-
litiſche und polizeiliche Sicherheit größer, theils die Nei-
gung zum Aufenthalt draußen ſo mächtig, daß man in
Kriegsfällen ſich auch einigen Verluſt gefallen ließ. So
Die Villa.
1) Eine gründliche, mit pſychologiſchem Geiſt gearbeitete Geſchichte des
Prügelns bei den germaniſchen und romaniſchen Völkern wäre wohl
ſo viel werth als ein paar Bände Depeſchen und Unterhandlungen.
Wann und durch welchen Einfluß iſt das Prügeln in der deutſchen
Familie zu einem alltäglichen Gebrauch geworden? Es geſchah wohl
erſt lange nachdem Waltber geſungen: Nieman kan mit gerten kin-
des zuht beherten. In Italien hört wenigſtens das Schlagen ſehr
früh auf; ein ſiebenjähriges Kind bekömmt keine Schläge mehr.
Der kleine Roland (Orlandino, cap. VII, str. 42) ſtellt das Princip
auf:
Sol gli asini si ponno bastonare,
Se una tal bestia fussi, patirei.
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