5. Abschnitt.halbgeistlicher Pantomime empfing 1), wobei zuerst eine Hirtenscene "das Gesetz der Natur", dann ein Zug der Erzväter "das Gesetz der Gnade" vorzustellen censirt war; darauf folgten die Geschichten des Lancelot vom See, und die "von Athen". Und so wie der König nur in Chieri anlangte, wartete man ihm wieder mit einer Pantomime auf, die ein Wochenbette mit vornehmem Besuch darstellte.
Fronleichnam.Wenn aber irgend ein Kirchenfest einen allgemeinen Anspruch auf die höchste Anstrengung hatte, so war es Fronleichnam, an dessen Feier sich ja in Spanien jene be- sondere Gattung von Poesie (S. 408) anschloß. Für Ita- lien besitzen wir wenigstens die pomphafte Schilderung des Corpus Domini, welches Pius II. 1462 in Viterbo abhielt 2). Der Zug selber, welcher sich von einem colossalen Pracht- zelt vor S. Francesco durch die Hauptstraße nach dem Domplatz bewegte, war das wenigste dabei; die Cardinäle und reichern Prälaten hatten den Weg stückweise unter sich vertheilt und nicht nur für fortlaufende Schattentücher, Mauerteppiche 3), Kränze u. dgl. gesorgt, sondern lauter eigene Schaubühnen errichtet, wo während des Zuges kurze historische und allegorische Scenen aufgeführt wurden. Man ersieht aus dem Bericht nicht ganz klar, ob Alles von Men- schen oder Einiges von drapirten Figuren dargestellt wurde 4); jedenfalls war der Aufwand sehr groß. Da sah man einen leidenden Christus zwischen singenden Engelknaben; ein Abendmahl in Verbindung mit Gestalt des S. Thomas von Aquino; den Kampf des Erzengels Michael mit den
1) Auszüge aus dem Vergier d'honneur bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi, I, p. 220 und III, p. 263.
2)Pii II, Comment. L. VIII, p. 382, s. -- Ein ähnliches beson- ders prächtiges Fronleichnamsfest wird erwähnt von Bursellis, Annal. Bonon., bei Murat. XXIII, Col. 911, zum J. 1492.
3) Bei solchen Anlässen mußte es heißen: Nulla di muro si potea vedere.
4) Dasselbe gilt von manchen ähnlichen Schilderungen.
5. Abſchnitt.halbgeiſtlicher Pantomime empfing 1), wobei zuerſt eine Hirtenſcene „das Geſetz der Natur“, dann ein Zug der Erzväter „das Geſetz der Gnade“ vorzuſtellen cenſirt war; darauf folgten die Geſchichten des Lancelot vom See, und die „von Athen“. Und ſo wie der König nur in Chieri anlangte, wartete man ihm wieder mit einer Pantomime auf, die ein Wochenbette mit vornehmem Beſuch darſtellte.
Fronleichnam.Wenn aber irgend ein Kirchenfeſt einen allgemeinen Anſpruch auf die höchſte Anſtrengung hatte, ſo war es Fronleichnam, an deſſen Feier ſich ja in Spanien jene be- ſondere Gattung von Poeſie (S. 408) anſchloß. Für Ita- lien beſitzen wir wenigſtens die pomphafte Schilderung des Corpus Domini, welches Pius II. 1462 in Viterbo abhielt 2). Der Zug ſelber, welcher ſich von einem coloſſalen Pracht- zelt vor S. Francesco durch die Hauptſtraße nach dem Domplatz bewegte, war das wenigſte dabei; die Cardinäle und reichern Prälaten hatten den Weg ſtückweiſe unter ſich vertheilt und nicht nur für fortlaufende Schattentücher, Mauerteppiche 3), Kränze u. dgl. geſorgt, ſondern lauter eigene Schaubühnen errichtet, wo während des Zuges kurze hiſtoriſche und allegoriſche Scenen aufgeführt wurden. Man erſieht aus dem Bericht nicht ganz klar, ob Alles von Men- ſchen oder Einiges von drapirten Figuren dargeſtellt wurde 4); jedenfalls war der Aufwand ſehr groß. Da ſah man einen leidenden Chriſtus zwiſchen ſingenden Engelknaben; ein Abendmahl in Verbindung mit Geſtalt des S. Thomas von Aquino; den Kampf des Erzengels Michael mit den
1) Auszüge aus dem Vergier d'honneur bei Roscoe, Leone X, ed. Bossi, I, p. 220 und III, p. 263.
2)Pii II, Comment. L. VIII, p. 382, s. — Ein ähnliches beſon- ders prächtiges Fronleichnamsfeſt wird erwähnt von Bursellis, Annal. Bonon., bei Murat. XXIII, Col. 911, zum J. 1492.
3) Bei ſolchen Anläſſen mußte es heißen: Nulla di muro si potea vedere.
4) Daſſelbe gilt von manchen ähnlichen Schilderungen.
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Erzväter „das Geſetz der Gnade“ vorzuſtellen cenſirt war;
darauf folgten die Geſchichten des Lancelot vom See, und
die „von Athen“. Und ſo wie der König nur in Chieri
anlangte, wartete man ihm wieder mit einer Pantomime
auf, die ein Wochenbette mit vornehmem Beſuch darſtellte.
5. Abſchnitt.
Wenn aber irgend ein Kirchenfeſt einen allgemeinen
Anſpruch auf die höchſte Anſtrengung hatte, ſo war es
Fronleichnam, an deſſen Feier ſich ja in Spanien jene be-
ſondere Gattung von Poeſie (S. 408) anſchloß. Für Ita-
lien beſitzen wir wenigſtens die pomphafte Schilderung des
Corpus Domini, welches Pius II. 1462 in Viterbo abhielt 2).
Der Zug ſelber, welcher ſich von einem coloſſalen Pracht-
zelt vor S. Francesco durch die Hauptſtraße nach dem
Domplatz bewegte, war das wenigſte dabei; die Cardinäle
und reichern Prälaten hatten den Weg ſtückweiſe unter ſich
vertheilt und nicht nur für fortlaufende Schattentücher,
Mauerteppiche 3), Kränze u. dgl. geſorgt, ſondern lauter
eigene Schaubühnen errichtet, wo während des Zuges kurze
hiſtoriſche und allegoriſche Scenen aufgeführt wurden. Man
erſieht aus dem Bericht nicht ganz klar, ob Alles von Men-
ſchen oder Einiges von drapirten Figuren dargeſtellt wurde 4);
jedenfalls war der Aufwand ſehr groß. Da ſah man einen
leidenden Chriſtus zwiſchen ſingenden Engelknaben; ein
Abendmahl in Verbindung mit Geſtalt des S. Thomas
von Aquino; den Kampf des Erzengels Michael mit den
Fronleichnam.
1) Auszüge aus dem Vergier d'honneur bei Roscoe, Leone X, ed.
Bossi, I, p. 220 und III, p. 263.
2) Pii II, Comment. L. VIII, p. 382, s. — Ein ähnliches beſon-
ders prächtiges Fronleichnamsfeſt wird erwähnt von Bursellis,
Annal. Bonon., bei Murat. XXIII, Col. 911, zum J. 1492.
3) Bei ſolchen Anläſſen mußte es heißen: Nulla di muro si potea
vedere.
4) Daſſelbe gilt von manchen ähnlichen Schilderungen.
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Burckhardt, Jacob: Die Cultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Basel, 1860, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/burckhardt_renaissance_1860/420>, abgerufen am 21.11.2024.
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